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RATGEBER/310: Metall im Körper - Molybdän, Gift oder Gicht (SB)


Der kleine Unterschied zwischen Trinkfestigkeit und Trunkenheit


Über die Bedeutung des Spurenelements Molybdän kann man verschiedener Meinung sein, denn eine durchschnittliche, 70 Kilogramm schwere Person besitzt davon etwa nur die verschwindend geringe Menge von 5 Milligramm, die jedoch für manche Stoffwechselfunktionen essentiell ist. Gleichzeitig ist diese äußerst geringe Menge, auf einmal eingenommen, nicht mehr ungefährlich und von der zehnfachen Dosierung, 50 Milligramm, stirbt eine Ratte sogar schon. Im Mittel nehmen wir täglich 0,3 Milligramm Molybdän zu uns, das sind acht Gramm im Laufe des ganzen Lebens. Zu den molybdänreichen Nahrungsmitteln gehören Schweine- und Lammfleisch, Rinderleber, Sonnenblumenkerne, Sojabohnen, Linsen, Erbsen und Hafer.

Molybdän ist also giftig, trotzdem aber für alle Organismen lebenswichtig. Ein Enzym der Säugetiere, die Xanthinoxidase, enthält beispielsweise Molybdän als essentiellen Bestandteil. Das Enzym steuert die Harnsäuresynthese, mit welcher der Körper unerwünschte Stickstoffverbindungen ausscheidet. Ist die Xanthinoxidase übermäßig aktiv, so kommt es zu einer schmerzhaften Ansammlung scharfkantiger Harnsäurekristalle in den Gelenken - der Gicht. Moderne Behandlungsansätze beinhalten daher auch eine Hemmung der Xanthinoxidasetätigkeit.

Insgesamt gibt es zwanzig bekannte molybdänhaltige Enzyme. Das am besten bekannte von ihnen ist die Nitrogenase, die sich in Wurzelknöllchen mancher Pflanzen ("Leguminosen") wie beispielsweise Hülsenfrüchten findet und dort für die Fixierung von Stickstoff aus dem Boden sorgt. Zu nennen wäre weiterhin ein Enzym, das am Alkoholstoffwechsel beteiligt ist. Alkohol, genauer definiert "Ethanol" wird zuerst unter Mithilfe eines zinkhaltigen Enzyms in Acetaldehyd umgewandelt, anschließend weiter zu Essigsäure abgebaut, wobei das molybdänhaltige Enzym eine wichtige Rolle spielt. Essigsäure wird als Energiequelle genutzt und dabei schließlich im Zitronensäurezyklus zu Kohlendioxid abgebaut. Einige ethnische Gruppen wie die Japaner haben so niedrige Spiegel des Molybdän-Enzyms, daß sie Alkohol nur sehr langsam abbauen können und daher viel schneller betrunken werden als beispielsweise Mitteleuropäer. Eine Verarmung an Molybdän würde sich also durch zunehmende Betrunkenheit und möglicherweise sogar - entsprechenden Konsum vorausgesetzt - an einer Alkoholvergiftung bemerkbar machen.

Auch an Stoffwechselvorgängen, mit deren Hilfe Algen Schwefel ausscheiden, ist das Spurenelement beteiligt: Algen wandeln Schwefel zunächst in Dimethylsulfoxid und anschließend, unter Beteiligung eines molybdänhaltigen Enzyms, in flüchtiges Dimethylsulfid um.

Dieses Gas steigt dann von der Meeresoberfläche in die Atmosphäre auf, wo es zu Methansulfonsäure oxidiert wird, welche die Bildung von Wolken auslösen soll. Der Geruch von Dimethylsulfid lockt auch die Meeresvögel in nährstoff- und daher vermutlich fischreiche Gegenden.

Wirtschaftlich spielt Molybdän ebenfalls eine Rolle. Aus Minen in den USA, in Australien, Italien, Norwegen und Bolivien werden gegenwärtig etwa 80.000 Tonnen Molybdän jährlich gefördert. Die Ressourcen dürften allerdings auch nur noch etwa 50 Jahre reichen. Molybdän wird vor allem zu seinem Sulfid verarbeitet, das Ölen als Gleit- und Korrosionsschutzmittel zugesetzt wird. Daneben verwendet man das Element in Katalysatoren, Elektroden und als Legierungszusatz für Spezialstähle, für Haltedrähte von Glühfäden in Glühlampen und in Röntgengeräten.

Ein ernährungsbedingter Mangel an Molybdän ist durch die weite Verbreitung des Elements also überhaupt nicht zu befürchten. Es ist unbedingt davon abzuraten, Molybdän als Nahrungergänzungszusatz einzunehmen. Die in Multivitamintabletten enthaltenen Spuren des Metalls sind zwar auch nicht schädlich, aber gänzlich überflüssig. Und warum soll man den Körper mit Gift belasten, wenn sein Bedarf ausreichend abgedeckt ist.

Erstveröffentlichung 2003
neue, aktualisierte Fassung

2. Dezember 2009