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UMWELTLABOR/058: Akkumulationen (1) — Die Knopfzelle


Akkumulationen (1) — Die Knopfzelle


Daß Batterien schädlich sind und Gifte enthalten, gehört inzwischen zum Umweltbewußtsein, das schon kleinen Kindern in der Schule eingetrichtert wird. Trotzdem werden in vielen Bereichen des täglichen Lebens immer wieder Spannungsquellen gebraucht, die vom Stromnetz unabhängig sind. Sie werden zum Betrieb von Taschenlampen, Uhren, Spielzeug, Handys, Walkmen, Radios und vielen anderen elektrischen Kleingeräten eingesetzt, auf die inzwischen niemand mehr verzichten will. Und immer wieder wandern herumliegende Batterien, Akkus und dergleichen doch in den Hausmüll, weil die Entsorgung in entsprechenden Elektrogeschäften oder Apotheken als zu umständlich erscheint, und laufen - auf Mülldeponien verrottend - in Erdreich und Grundwasser aus. Abgesehen davon, daß man sich vielleicht vage an die Giftigkeit besonders von korrodierten Batterien erinnert, ist einem die tatsächliche umwelttoxische Bedeutung selten so gegenwärtig, daß man den Sinn einer gesammelten Entsorgung einsieht, wenn es darum geht, kurzfristig im unmittelbaren Lebensbereich Ordnung zu schaffen.

Hierfür müßte man sich die chemischen Abläufe in einer Batterie, aus denen elektrische Energie gewonnen wird, noch einmal näher betrachten und was am Ende davon übrigbleibt.


Die Knopfzelle


Für besonders kleine Geräte wie automatische Kameras, sogenannte Quarzuhren, Blitzleuchten oder Hörgeräte werden extrem kleine Knopfbatterien verwendet. Dabei handelt es sich um Quecksilberoxid-Batterien, deren Behälter aus Stahl gefertigt ist.

Jede Batterie besteht aus zwei unterschiedlich edlen Metallen, die durch eine Elektrolytlösung, d.h. eine salzhaltige Flüssigkeit voneinander getrennt sind. Ihre Energie wird aus der Spannung gewonnen, die zwischen unterschiedlichen Metallen herrscht, wobei das edlere Metall bei Berührung letztlich immer das unedlere zum Oxidieren bzw. Korrodieren bringt.

Die in dem Elektrolyt frei schwimmenden Ionen (positiv oder negativ geladene Bestandteile des Salzes oder der Säure) vermitteln einen Teilchenfluß zwischen den beiden Metallen, an denen unterschiedliche chemische Prozesse ablaufen, sobald die Verbindung zwischen beiden verschiedenen Metallen durch einen entsprechenden Stromkreis hergestellt wird.

Am Pluspol (der Anode) findet Reduktion statt (d.h. negative Elektronen werden aufgenommen, wobei Anionen oxidiert werden). Am Minuspol (Kathode) findet eine Oxidation statt, d.h. das Metall gibt Elektronen an die Elektrolytlösung ab, wobei das oxidierte Metall (als Kationen) in Lösung geht. Bei diesen Prozessen fließt ein Strom durch den Plus- und Minuspol verbindenden Leiter, der für den Betrieb von elektrischen Geräten genutzt wird.

In der Knopfbatterie wird der Minuspol, wie im klassischen Leclancé-Element, von einer Zinkelektrode (Zinkpulver) gebildet. Der Pluspol besteht aus einem Graphit/Quecksilberoxidgemisch als Depolarisator. Als Elektrolyt enthält die Zelle Kaliumhydroxidlösung, die in einem Kunststoffgewebe aufgesaugt ist, somit also eine Art Gel bildet:

Diese Knopfzelle liefert eine Spannung von 1,35 V (Volt).

Folgende Reaktionen laufen ab:

Minuspol :
Pluspol :
Zn
HgO + 2 e(-) + H2O


Zn (2+) + 2 e(-)
Hg + 2 OH (-)
Oxidation
Reduktion
Gesamtreaktion:
Zn + HgO + H2O

Zn(OH)2 + Hg

Das dabei entstehende Zinkhydroxid altert zu ZnO und H2O, so daß man die Gesamtreaktion auch zu den folgenden Endprodukten darstellen kann:

Zn
+
HgO
−−−−−−>
ZnO
+
Hg

Wenn dieser Prozeß vollständig abgelaufen ist, d.h. sämtliches Zinkpulver zu Zinkoxid oxidiert worden ist, dann ist die Batterie theoretisch verbraucht. Die Qecksilberoxidbatterie hat außer ihrer geringen Größe noch den Vorteil, daß sie während ihrer Betriebszeit eine gleichmäßige Spannung liefert.

Meist sind diese Prozesse jedoch noch nicht vollständig beendet, wenn eine Knopfbatterie weggeworfen wird. Die darin enthaltene Lauge wie auch der Kontakt von Zinkoxid und Quecksilber zum Stahlmantel fördern von innen die Korrosion des Metalls. Erst wenn die Stahlkapsel Löcher aufweist, können Zinkoxid, Zink und das giftige Quecksilber austreten und im Erdreich versickern. Kommt der Müll in eine Verbrennungsanlage, geschieht das wesentlich schneller und die chemischen Prozesse, die dort ablaufen, wobei auch Reaktionen der Metalle mit organischen Kunststoffen nicht auszuschließen sind, lassen sich überhaupt nicht mehr voraussehen. Darüber hinaus werden die giftigen Dämpfe hieraus in die Atmosphäre entlassen. Das einzige ungefährliche Schwermetall ist hierbei Zink. Denn Zinksalze sind für den Menschen ungiftig. Sie werden sogar in Reformhäusern und Apotheken frei als Nahrungsmittelergänzung verkauft, weil Zink in vielen Enzymen eine Schlüsselposition besitzen soll. Quecksilber ist dagegen in jeder Form giftig.

Quecksilber ist ein Zell- oder Protoplasmagift, das, in Leber, Nieren, Milz und Gehirn gespeichert, nur langsam wieder abgegeben wird. Quecksilberionen sollen bestimmte Enzyme blockieren, die Schwefelwasserstoffgruppen tragen, indem sie sich daran anlagern. Schon wenige Mikrogramm (also Tausendstel Gramm) können zu schweren Beeinträchtigungen des Wohlbefindens führen.

Eine Quecksilbervergiftung macht sich zu Beginn, nach Einatmen der Quecksilberdämpfe, durch starken Speichelfluß, Übelkeit, Leibschmerzen und häufig durch Erbrechen bemerkbar. Je weiter das Gift in den Magen-Darm-Trakt vordringt, kommt es später zu blutigen, schweren Durchfällen aufgrund der geschädigten Darmschleimhaut, zu Zahnlockerungen und schließlich zu einem zunehmenden Versagen der Nierenfunktion bis hin zur Anurie.

Quecksilber ist sowohl in seinem elementaren Zustand als flüssiges, leicht verdampfendes Metall, als auch in seinen anorganischen Salzen äußerst giftig. Organische Quecksilberverbindungen sind insofern noch gefährlicher, weil sich erst nach Wochen oder Monaten Symptome bemerkbar machen, die möglicherweise nicht auf eine Quecksilbervergiftung zurückgeführt werden. Wer nimmt schon die ersten Anzeichen, die sich in einer geringeren Konzentrationsfähigkeit, stärkeren Reizbarkeit, Unentschlossenheit, Furchtsamkeit oder allgemeinen Schwäche zeigen und einer gewöhnlichen Verstimmung zugerechnet werden könnten, wirklich ernst? Im weiteren Verlauf zeigen sich Depressionen, Sinnesbeeinträchtigungen, Nasenbluten und Augenschäden. Quecksilbervergiftungen können zum Tode führen. So starben zwischen 1953 und 1969 in Japan 121 Menschen, nachdem sie Fisch aus einer Bucht gegessen hatten, in die quecksilberhaltige Abwässer geleitet wurden. Hunderte erlitten schwere Vergiftungen. Im Irak starben 1972 mehr als 450 Menschen nach dem Verzehr von quecksilberverseuchtem Weizenbrot.

Wie hoch die Gefährdung mit quecksilberhaltigen Knopfzellen ist, kann man nicht genau sagen. Angeblich stammt die Belastung der Allgemeinbevölkerung mit Quecksilber hauptsächlich aus zwei Quellen: organischen Quecksilberverbindungen aus der Nahrung und elementarem oder ionisierten, anorganischen Quecksilber aus Amalgamfüllungen. Dabei bleibt allerdings die Frage offen, wie das Quecksilber in die Nahrung gelangt.

Untersuchungen des GSF-Forschungszentrums von 1993 ergaben eine geschätzte mittlere Tagesdosis von 3,3 Mikrogramm Quecksilber, die aus den Zahnfüllungen entweicht. Diese Zahl erhöht sich natürlich mit der Anzahl der Plomben im Mund. Die ermittelte Durchschnittsdosis entspricht etwa der Menge an Quecksilber, die man außerdem täglich durch die Nahrung aufnimmt, und stellt aber immer noch einen Bruchteil der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgeschlagenen "duldbaren Tagesmenge" von 40 Mikrogramm Gesamtquecksilber dar. Daß durch diesen Grenzwert nur bestehende Verhältnisse für die Öffentlichkeit tolerierbar gemacht werden und mögliche Quecksilbersymptome in den Bereich der Psychosomatik verlagert werden, ist eine Frage des Standpunkts. Hellhörig werden sollte man jedoch anläßlich der Tatsache, daß schon Ende 1987 das Bundesgesundheitsamt Zahnärzten geraten hat, bei der Behandlung von Schwangeren und Stillenden auf Amalgam ganz zu verzichten. Schließlich gelten Kinder im geburtenarmen Deutschland als wertvolle nachwachsende Ressourcen und sind ein Wirtschaftsfaktor, auf den man nicht verzichten will.

Fortsetzung folgt ...

Erstveröffentlichung 2001