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UMWELTLABOR/213: Umweltschmutz als Reinigungsmittel - Ozon (SB)


Umweltschmutz als Reinigungsmittel - Ozon

oder erstmals ein kaltwirksames Desinfektionsmittel ohne Chemie?


Ein natürliches Gas, das die Lebewesen in der Erdatmosphäre vor den schädlichen Strahlen der Sonne schütze, mit diesen charakteristischen Eigenschaften preiste das Technologie-Transfer- Zentrum Bremerhaven vor zwei Jahren ein neues Produkt als Reinigungsmittel für Getränkeanlagen an, das wir allerdings auch von einer ganz anderen Seite kennen, die beim Werben um das neue Verfahren von vornherein verschwiegen wird. Die Rede ist von "Ozon".

Abgesehen davon, daß es in der Erdatmosphäre von Fluorchlorkohlenwasserstoffen langsam aufgefressen wird und der Mensch den lebenswichtigen vor den gefährlichen kosmischen Strahlen schützenden Schild auf diese Weise selbst zerstört, gibt es kaum etwas, was man an Ozon vermissen könnte.

Es gehört zu jenen lebenswichtigen Ingredienzien, die man nur dann schätzt, wenn sie möglichst fern von einem wirken, d.h. in möglichst hoher Konzentration in der Stratosphäre. Treffen wir Ozon jedoch in unserem Lebensraum an, so ist das ein weiteres und ausgesprochen lästiges Zeichen hochgradiger Umweltverschmutzung. In inversen Wetterlagen, wenn die Luft im Sommer über den Städten steht und oftmals Sommersmog-Alarm ausgerufen wird, dann haben wir es zum großen Teil mit diesem Stoff zu tun, der sich aus den Abgasen (Stickoxiden) und Sauerstoff unter UV-Einstrahlung zu dem aggressiven, stechend riechenden Agens verbindet, das man an seinem typischen Geruch erkennt und vielen Menschen die empfindlichen Atemwege und Schleimhäute verätzt.

Daß es wiederum kein Widerspruch ist, diesen Umweltschmutz als Reinigungsmittel zu verwenden, erklärt sich aus seinen so "reizenden" Eigenschaften. Das Ozonecip-Projekt, das die Vorteile des neuen Verfahrens an die Getränkeindustrie verkaufen will, geht inzwischen mit einem großangelegten Feldversuch in die letzte Phase, die Prüfung des Reinigungssystems in der Praxis:

Beim 3. Treffen des Ozonecip-Projektkonsortiums in La Rioja/Spanien wurde der Prototyp für ein Ozon-basiertes Reinigungsverfahren für Anlagen in der Getränke- und Lebensmittelherstellung vorgestellt. Die desinfizierende Wirkung von Ozon, das in Wasser eingeleitet wird, macht den Einsatz herkömmlicher Chemikalien überflüssig und spart Wasser und Energie. Erste Praxistests mit dem OzonCIP Prototyp (Cleaning in Place, kurz CIP) laufen nun in der Weinbereitung beim spanischen Projektpartner AINIA an.

[...]

Die Desinfektion mit Ozon überzeugt im Vergleich mit herkömmlichen Verfahren in entscheidenden Punkten: Eine Nachspülung mit großen Mengen Klarwassers zur Beseitigung von Rückständen ist nicht erforderlich, da als Endprodukt lediglich Wasser und Sauerstoff zurückbleibt. Darüber hinaus werden Reinigungs- und Desinfektionszeiten stark verkürzt, und man kann auf den Einsatz von erwärmtem Wasser verzichten. So werden Kosten gespart und die Umwelt geschont.
(idw, 15. Februar 2008)

Die Ergebnisse der Praxistests sollen dann der Fachwelt Anfang November 2008 beim nächsten "Bremerhavener Workshop: Anwendung von Ozon in der Lebensmittelindustrie" vorgestellt werden.

Genaugenommen macht Ozon, also derselbe Stoff, der die Schleimhäute reizt und die Augen tränen läßt, in hohen Konzentrationen sogar zu Verätzungen und Vergiftungen führt, Bakterien und anderen Mikroorganismen den Garaus, indem es ihre Zellwände perforiert und die lästigen Erreger dadurch austrocknet. Die gleiche unerfreuliche toxische Wirkung auf Häute und Schleimhäute, die man bei Ozon beobachten kann, haben auch andere Desinfektionsmittel, wenn sie damit in Berührung kommen. Sie brennen auf der Haut, in den Augen und reizen zum Niesen.

Im Gegensatz zu chemischen und vor allem chlororganischen Mitteln erhoffen sich die Hersteller des Ozonreinigers, daß es trotz guter ätzender und keimvernichtender Eigenschaften nicht als chemischer Rückstand in den Lebensmitteln und Getränken bleibt, denn gerade hier lassen sich die normalen Desinfektionsmittel nicht in den nötigen Mengen anwenden, weshalb z.B. die Getränkeindustrie ihre Maschinen und Anlagen eigentlich mit einer Unmenge heißen Wassers spülen müßte - das wohl beste und am wenigsten schädliche Desinfektionsverfahren (auf neudeutsch: CIP -Clean in Place genannt). Der Wasserverbrauch ist schon jetzt enorm: In einer Brauerei werden zum Beispiel pro Hektoliter Bier rund 4-8 Hektoliter Wasser eingesetzt.

Doch diese Menge reicht nicht aus, um die Anlage wirklich nur mit kochend heißem Wasser ausreichend zu reinigen. So schrieb der idw zu diesem Thema schon vor zwei Jahren:

Um die in der Lebensmittelbranche notwendigen Hygienebedingungen sicherstellen zu können, müssen dem Waschwasser erhebliche Mengen an Chemikalien (z.B. Chlorprodukte) zugesetzt werden. Diese Produkte sind nicht nur sehr teuer, sondern auch stark umweltbelastend.
(idw, 19. Januar 2006)

Darüber hinaus haben sie weitere Nachteile:

"Der Einsatz kann auch zu Lasten der Produktqualität gehen: Zum Beispiel können Chlorprodukte, die zur Reinigung bei der Weinproduktion eingesetzt werden, einen 'korkigen' Geschmack verursachen", erklärt Miguel Angel Prieto Arranz, Projektleiter im Umweltinstitut. "Um solche Nachteile in der Getränke- und Lebensmittelproduktion zu vermeiden, muss mit erheblichen Mengen an Klarwasser 'nachgespült' werden. Die Alternative hierzu wäre die thermische Desinfektion verbunden mit einem extrem hohen Energieeinsatz", erläutert Dr. Gerhard Schories, Technischer Leiter des Umweltinstitutes.
(idw, 19. Januar 2006)

Wasser ist jedoch nicht nur teuer. Angesichts der immer knapper werdenden Trinkwasserreserven kann es sich kaum noch ein Unternehmen mehr leisten, hochwertiges Trinkwasser nur zu Nachspülzwecken zu verwenden, weshalb die Konzentrationen an Desinfektionsmitteln und Tensiden in den Erfrischungsgetränken gemeinsam mit anderen Schadstoffen, die aus den Plastikflaschen ausdiffundieren, immer größer werden.

Da scheint ein Reinigungsmittel, das ganz einfach im Getränk verbleibt, ohne nachgewiesen werden zu können, natürlich als Mittel der Wahl, zudem, wenn auf weitere nachweisbare Chemikalien dann völlig verzichtet werden kann:

Im Mittelpunkt des Projektes OZONECIP stehen die Entwicklung und Demonstration einer innovativen CIP Technologie, die auf der Anwendung von Ozon basiert und gänzlich auf den Einsatz gefährlicher und umweltschädlicher Chemikalien verzichtet.
(idw, 19. Januar 2006)

Davon zu sprechen, daß bei diesem Verfahren keine Chemie verwendet würde, wie es in der aktuellen Auslegung gerne getan wird, ist allerdings eine maßlose Übertreibung:

Ozonecip-Projektkonsortium startet Praxistest in der Weinbereitung

Anlagen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie werden heute noch hauptsächlich mit Hilfe von Chlorchemikalien gereinigt. Dass es auch ohne Chemie geht, will ein Konsortium aus ttz Bremerhaven, drei Unternehmen aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie zwei Forschungspartnern im Auftrag der EU nachweisen. Beim ersten Zusammentreffen der Partner in diesem Jahr wurde der Ozonecip- Prototyp präsentiert und grünes Licht für den Start der Praxistests gegeben.
(idw, 15. Februar 2008)

Ozon läßt sich nur deshalb nicht mehr nachweisen, weil es eine besondere Erscheinungsform von Sauerstoff ist. Normaler Luftsauerstoff besteht aus 2 Sauerstoffatomen (O2), Ozon hingegen besteht aus drei Sauerstoffatomen (O3). D.h. bei einem qualitativen Nachweis wird bestenfalls das Element Sauerstoff positiv bestätigt, nicht aber die eigentliche Verbindung. Da Sauerstoff fast überall vorkommt, läßt sich sein Rückstand aus dem Industriereiniger im Grunde überhaupt nicht bestimmen. D.h. ob noch aktives Ozon im Getränk verbleibt, wird der Konsument erst an der scharfen Wirkung spüren.

Für die besondere Reaktionsfreudigkeit bzw. Aggressivität des Ozons haben die Chemiker eine Erklärung. In der Chemie wird eine stabile Verbindung immer damit erklärt, daß sie der Edelgaskunfiguration gleicht, d.h. daß die gemeinsamen Molekül-Elektronenunterschalen einer Verbindung, man spricht von Molekülorbitalen, mit jeweils zwei Elektronen besetzt sind. Beim diatomaren Gas "Sauerstoff" ist das gegeben, bei Ozon kommt ein nur mit einem Elektron besetztes Orbital vor, das der chemieimmanenten Logik zufolge nun anstreben sollte, ein weiteres Elektron zur Paarung zu finden, was die gesamte Verbindung äußerst reaktionsbereit, reaktiv, machen soll.

Dafür muß es sich jedoch zunächst eines der drei Sauerstoffatome aus dem Molekül entledigen, so daß kurzfristig neben harmlosem Sauerstoff ein atomarer Sauerstoff auftritt, der nur ein Elektron in seiner äußeren Hülle besitzt und somit etwas wäre, was es eigentlich in der Chemie nicht geben soll (O·).

In einem anderen chemischen Zusammenhang, bei der Photooxidation, z.B. dem Ranzigwerden von Fetten, spricht man unter den gleichen Voraussetzungen von kurzfristig auftretenden "·O-Radikalen". Diese haben seither vor allem in der Medizin ihr Unwesen getrieben und sind zum Sündenbock per excellence für viele schwere Krankheiten wie Krebs und Arteriosklerose geworden, obwohl es sich - wie gesagt - eigentlich nur um eine frei erfundene chemische Erklärung für ein ansonsten nicht erklärbares chemisches Phänomen handelt.

Halten wir an dieser Stelle jedoch einmal fest, daß die Vertreter des umweltfreundlichen Ozonreinigers gar nicht erst von Radikalen sprechen, damit soll vermutlich verhindert werden, daß das neue Verfahren mit den bekannten, angeblich durch Radikale verursachten Zivilisationskrankheiten in Verbindung gebracht wird, obwohl streng genommen das gleiche Prinzip dahintersteckt.

Die Voraussetzung seiner Reinigungskraft beruht nämlich auf der hohen Reaktivität des Ozons. Doch hier nun die offizielle Lesart der Wirkung des wunderbaren Wunderreinigers:

In Wasser gelöst besitzt es eine starke Desinfektionswirkung. Ozon ist ein aktiver Sauerstoff (O3) und wird aus "normalem" Sauerstoff (O2) erzeugt. Das im Reinigungswasser gelöste Ozon reagiert sehr schnell mit den Verschmutzungen, nach verrichteter Arbeit zerfällt das Ozon wieder zu Sauerstoff. Vorteile der neuen Ozon-Technologie liegen insbesondere in einem geringen Wasserverbrauch, der Möglichkeit der Wasserkreislaufführung und Wiedernutzung sowie in einem reduzierten Energiebedarf. Außerdem entfallen gefährliche Chemikalienreste und Reaktionsnebenprodukte, die bei herkömmlichen chemischen Reinigungsverfahren im Abwasser enthalten sein können. "Gerade in Zeiten steigender Energiepreise ist es unumgänglich, alte Reinigungsmethoden zu überprüfen und neue, umweltschonendere Verfahren zur Desinfektion zu entwickeln und einzusetzen", beurteilt Werner Mlodzianowski, Geschäftsführer des ttz, das neue Projekt.
(idw, 19. Januar 2006)

Inzwischen wurde die Demonstrationsanlage zur Anwendung von Ozon im CIP fertig gestellt, die nun in Brauereien, Weingütern und Molkereien unter praktischen Bedingungen erprobt werden soll.

Bei erfolgreichem Projektabschluß verspricht OZONECIP eine gute Desinfektion, wobei das Desinfektionsmittel sich selber abbaut. Auf diese Weise würde das Gefährdungspotenzial hinsichtlich der Food Safety in ihren Produkten durch Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln laut Dr. Carsten Eger von der Brauerei Beck & Co vermieden.

Nach dem Einsatz in der Weinbereitung soll das Verfahren auch in der Bier- und Milchproduktion zum Einsatz kommen. Da jedes Getränk spezifische Anforderungen an das Reinigungsverfahren stellt, sind mehrere Testreihen erforderlich. Die Ergebnisse dieser Praxistest werden zur technischen Optimierung genutzt. Ziel des Konsortiums ist es, die Reinigung mit Ozon als "Beste-Verfügbare-Technik" (BVT) in der Getränke- und Lebensmittelbranche zu etablieren. In diesem Fall würde die Methode in den so genannten BREF Dokumenten (European Best Available Technique Reference Documents) als neuer Standard festgeschrieben.
(idw, 15. Februar 2008)

Da es sich allerdings in erster Linie bei diesem mit staatlichen und europäischen Mitteln geförderten Projekt um eine Wassersparmaßnahme handelt, lassen sich die eigentlich dahinterstehenden Interessen schon heute ahnen, und auch, warum es als neuer Standard Schule machen soll:

Die Ergebnisse sollen in den derzeitigen Stand der Technik sowie in zukünftige europäische technische Direktiven einfließen. Anschließend ist eine Übertragung auf weitere Sektoren der Lebensmittel- und Getränkeindustrie denkbar. Das Projekt OZONECIP wird im Rahmen des Life-Programmes mit einer Gesamtfördersumme der Europäischen Kommission von rund 395.000 Euro unterstützt. Folgende Partner aus Industrie und Forschung arbeiten mit dem ttz Bremerhaven (Forschungspartner) in dem EU-Projekt zusammen: Instituto Tecnológico Agroalimentario (Spanien) als Projektkoordinator, Gdansk University of Technology (Polen), Brauerei Beck GmbH & Co. KG (Bremen) und die Meierei Genossenschaft e.G. Langenhorn.

Dem ttz Bremerhaven sind sechs Forschungsinstitute zugehörig, die sich der Entwicklung moderner marktfähiger Produkte und Prozesse verschrieben haben. Dies sind jeweils das Umweltinstitut; das Bremerhavener Institut für Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik (BILB); das Institut für Energie- und Verfahrenstechnik (IEV); das Bremerhavener Institut für Gesundheitstechnologien (BIGT); das Bremerhavener Institut für Biologische Informationssysteme (BIBIS) sowie das Bremerhavener Institut für Organisation und Software (BIOS).
(idw, 19. Januar 2006)

Trotz dieses Aufgebots an beeindruckenden Acronymen läßt sich nicht verhehlen, daß das gesamte Konzept auf einer Notlüge basiert: Denn was für den Umweltmediziner und die Vitaminhersteller (die dafür die entsprechenden Gegenmittel anbieten) ein krebserregendes Radikal ist, das möglichst nicht ungeschützt mit der Nahrung aufnehmen soll, wird hier als ein erwünschtes harmloses Spaltprodukt verkauft, das nichts weiter ist als unschädlicher Sauerstoff und daher einfach im Reinigungsgut verbleibt.

Und hier schließt sich der Kreis: denn auch normaler Sauerstoff ist unter bestimmten Bedingungen, wie wir gerade gesehen haben, alles andere als harmlos und unschädlich und dafür muß nicht einmal das Radikal neu erfunden werden.

26. Februar 2008