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UMWELTLABOR/217: Schwefelmangel im Boden durch Klimawandel verschärft (SB)


Nährstoffverarmung des Bodens schreitet unaufhaltsam voran

Kunstdüngung wird von zunehmenden Regenfällen davongespült


Wurde einst jahrelang der saure Regen als eine der größten Gefährdungen für die Demineralisierung der Böden und den Laub- und Nadelbaumbestand angesehen, scheint mit den Maßnahmen dagegen - Schadstofffilter, Entschwefelung von Treibstoffen, Katalysatoren usw. - ein gewaltiger Schuß nach hinten losgegangen zu sein. Denn war der saure Regen auch für Bäume, Fische und Sand- und Kalksteingebäude schlecht, macht Reduktion säurebildenden, schwefelhaltigen Schwefeldioxids in der Luft nun andererseits den Bauern zu schaffen. Denn der Ackerboden ist inzwischen schon stark an Schwefel verarmt, und Mangelerscheinungen wie schlechte Schotenbildung (bei Raps) zeigen deutlich, daß es offenbar allein dem sauren Regen zu verdanken ist, daß die Schwefelverarmung der Böden lange Zeit unentdeckt blieb.

Saurer Regen, wer erinnert sich noch?

Wenn wir vom sauren Regen sprechen, dann werden damit die stärkeren Säuregrade des Regens bezeichnet, die auf vom Menschen verursachte Luftverschmutzung zurückgehen. Durch Industrieabgase und privat erzeugten Umweltschmutz geraten Säurebildner in die Luft, die mit Wasser bzw. der Luftfeuchtigkeit stärkere Säuren bilden als die Kohlensäure und gleichzeitig auch schädliche Atemgifte sind. Hier sind vor allem das Schwefeldioxid (SO2) zu nennen, das in der Atmosphäre weiter zu Schwefeltrioxid (SO3) reagieren kann. Daraus entstehen mit Wasser die recht schwache schwefelige Säure (H2SO3) und die äußerst starke Schwefelsäure (H2SO4). Aber auch CO2 bildet eine schwache Kohlensäure, Stickoxide, die vor allem aus Autoabgasen alter Automobile ohne Katalysator stammten, bilden mit Wasser salpetrige Säure oder Salpetersäure.

Noch Mitte der 60er Jahre lag der Regen in seinem pH-Wert durchschnittlich recht nahe an seinem natürlichen Wert von 5. Anfang der 70er näherte er sich schon bedenklich der Marke von 4. In den 80er Jahren wurden zumeist pH-Werte im Bereich zwischen 4 und 4,5 gemessen. Inzwischen liegt der pH-Wert in manchen Gegenden schon wieder über 5. Diese Säuren lösen giftige Metalle aus dem Boden, die z.B. die Feinwurzeln der Bäume und Pflanzen schädigen. Schwere Forstschäden in den 70er Jahren waren die Folge.

Umweltpolitische Konsequenzen aus dieser Zeit waren eine stärkere Kontrolle sämtlicher Abgase: Kohlekraftwerke wurden mit wirksamen Entstickungs- und Entschwefelungsanlagen (mit Filter für NOx und SO2) ausgerüstet. Außerdem wurden nur noch Kraftfahrzeuge zugelassen, die ihre Abgase durch Katalysatoren entgiften oder auf Treibstoffe verwenden, die nur wenig Schadgase erzeugen.

Für die meisten Bäume, die auch noch unter andern Umweltfaktoren zu leiden haben wie Ozon, kam die Hilfe dennoch zu spät. Es ist bis heute zweifelhaft, ob die entstandenen Flurschäden je wieder aufgeforstet werden können, denn die Böden sind inzwischen an Abhängen erodiert und allgemein verkarstet und nährstoffarm.

Was Bäume schädigt, fehlt der Landwirtschaft

In der Landwirtschaft wurde seither die Verarmung des Bodens, vor allem aber der zunehmende Schwefelmangel, besonders deutlich. Seit Jahren kann man einen rückläufigen Düngerverbrauch in Deutschland beobachten. Das ist einerseits eine Folge der Flächenstillegung, andererseits aber auch der neuen und präziseren Ausbringungstechnik zu verdanken. Eine Absatz-Zunahme um das Dreifache seit 1996 konnte nur schwefelhaltiger Dünger verzeichnen. Dazu schrieb der Informationsdienst Wissenschaft (idw):

Schwefel gehört zu den unentbehrlichen Nährstoffen, die eine Pflanze für ein gesundes Wachstum benötigt. Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (JKI) schätzen auf Grundlage eines von ihnen weiter entwickelten Modells namens MOPS, dass in diesem Jahr etwa 38% der Ackerflächen Deutschlands ein hohes Risiko für Schwefelmangel haben. Ein weiterer Anstieg geht mit dem zu erwartenden Klimawandel einher.

Besonders empfindlich reagiert Raps auf Schwefelmangel. Raps ist eine der wichtigsten nachwachsenden Kulturpflanzen Deutschlands für die Erzeugung von Bioenergie.
(idw, 28. März 2008)

Tatsächlich zeigte sich der Schwefelmangel zuerst im Raps, einem sogenannten "Schwefelfresser", der im intensiven Anbau bis zu 70 Kilogramm Schwefel pro Hektar benötigt. Durch natürlichen Abbau von Mineralien liefert der Boden heute aber nur noch 20 Kilogramm nach. Diese Differenz nimmt mit steigenden Ernten immer weiter zu, denn der Schwefelbedarf eines Rapsfeldes verdoppelte sich in den vergangenen Jahrzehnten. Der Schwefeleintrag aus der Luft ist inzwischen auf 5 Kilogramm pro Jahr zurückgegangen. Dazu macht sich das intensive Anbausystem negativ bemerkbar: enge Fruchtfolgen, in denen Raps nur noch im jährlichen Wechsel mit Getreide angebaut wird; die Spezialisierung zu reinem Ackerbau ohne Vieh (und ohne Gülle) und schließlich die preiswerten, aber schwefelfreien Einzeldünger wie Kalkammoniumsalpeter oder Kaliumchlorid.

Da der Schwefel nicht nur der begrenzende Faktor für das Pflanzenwachstum, sondern auch für die Ausbildung der Ackerfrucht (beim Raps beispielsweise die Schotenbildung) ist, muß künstlich gedüngt werden. Eiweiße bzw. Proteine setzen sich aus Aminosäureeinheiten zusammen, aber nur einige wenige Aminosäuren wie Cystein enthalten Schwefel. Das macht deutlich, wie stark die Verarmung der Böden fortgeschritten sein muß, denn gewöhnlich sollte für diese Aminosäuren im Boden genügend Schwefel vorhanden sein.

Seit etwa 5 Jahren macht sich auch ein Schwefelmangel beim Getreide bemerkbar, obwohl dieses nur halb so viel Schwefel braucht wie der Raps.

Von dieser Entwicklung war eine Zeitlang nur die ökologische Landwirtschaft verschont, die neben Ackerbau gewöhnlich auch Viehwirtschaft betreibt, so daß Schwefel über die organische Düngung zurück auf die Flächen kommt, und hier unter normalen Bedingungen eher noch ein Schwefelüberschuß besteht.

Inzwischen kommt allerdings noch ein weiterer Faktor dazu, denn der für die Pflanzen aufnehmbare Schwefel, der sich natürlich im Boden bildet oder den man künstlich zusetzt, wird heute sehr schnell und bei großen Niederschlägen fast vollständig aus dem Boden ausgewaschen. Und diese Niederschläge nehmen zu, wenn die Klimaerwärmung weiter fortschreitet. Das sagen auch die Wissenschaftler vom Braunschweiger JKI:

Der für die nächsten Jahrzehnte erwartete Klimawandel wird das Risiko von Schwefelmangel in landwirtschaftlichen Kulturen erhöhen, prognostizieren Diplom-Geoökologe Knut Hartmann und Dr. Holger Lilienthal, wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde des JKI in Braunschweig. Beide haben das "MOdel for Predicting Sulphur-deficiency" (MOPS) für derartige Vorhersagen flächendeckend weiterentwickelt und in ein Geographisches Informations System (GIS) implementiert. Das Modell MOPS berücksichtigt bei seiner Risikoabschätzung außer klimatischen Faktoren physikalische und hydrologische Boden- bzw. Standorteigenschaften.

Die Wissenschafter errechneten für den Fall, dass sich die Temperatur in 60 Jahren (erwartungsgemäß) um 2 Grad Celsius erhöht, die Winterniederschläge um 30% zu- und die Sommerniederschläge um 30% abnehmen, dass der Anteil an Flächen mit hohem Risiko für Schwefelmangel auf fast 50% steigt. Ohne zusätzliche Anstrengungen in Düngung und Pflanzenschutz würden die Ertragsverluste allein bei Raps und Weizen nach derzeitigem Kostenniveau dann jeweils 1 Milliarde Euro betragen.
(idw, 28. März 2008)

Die hier aufgeführten Zahlen und Belege reichen jedoch nicht, um die zunehmende Verarmung des Bodens an Nährstoffen vollständig zu erklären. Der Schwund ist wesentlich größer als das zahlenmäßig belegte Defizit, so daß sich allmählich abzeichnet, daß es die bisher vorausgesetzen, hypothetischen Zyklen und vermeintlich geschlossenen Regelkreise so gar nicht gibt. Es gehen nachweislich mehr Mineral- und Nährstoffe unwiederbringlich verloren als auf natürlichem Wege selbst unter idealen Bedingungen nachgeliefert werden könnten.

Einer der möglicherweise unberechenbaren Faktoren, die ein scheinbar geschlossenes System zum Faß ohne Boden werden lassen, ist beispielsweise die zunehmende aber wenig beachtete hochfrequente Weltraumstrahlung, die nachweislich verstärkt durch die immer dünner werdende atmosphärische Ozon-Schutzhülle eindringen kann und mit ihren ionisierenden Eigenschaften Erde bzw. Ackerböden keimfrei bzw. steril werden läßt.

Zwar soll die zunehmende Sonnenaktivität der letzten Zeit, von der die Strahlung ausgeht, nicht die Klimaerwärmung beeinflussen, wie von vielen Wissenschaftlern angenommen und inzwischen widerlegt wurde, doch Mikroorganismen wie Bodenbakterien, die u.a. mineralische Nährstoffe aufschließen können, werden dadurch abgetötet oder zumindest in ihrer Funktion geschwächt. Wer darüber die zunehmende Belastung der Luft mit feinsten Stäuben bei gleichzeitiger Verkarstung des Bodens gerade in ländlichen Regionen beobachtet, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier ehemals gesunder und fruchtbarer Ackerbodengewissermaßen vor unseren Augen verdampft wird. Und auch die Prognosen über steigende Getreide- oder Rapsöl-Preise, die gemeinhin mit der starken Nachfrage durch die Biospritindustrie erklärt werden, erscheinen dann in dem sehr viel trüberen Licht vorhersagbarer Mißernten und zunehmendem Welthunger.

4. April 2008