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UMWELTLABOR/240: CO2-Senke durch Meeresdüngung - Ein Schlag ins Wasser (SB)


Obwohl sie nachweislich nichts bringt, soll die

Meeresdüngung das Umweltgeschäft der Zukunft werden


Die aktuellen Meldungen über die Klimaentwicklung verbieten es auch dem Sorglosesten allmählich, die Augen vor der Tatsache zu verschließen, daß die Zeit langsam knapp wird. Unter den skurrilsten der dieser Erkenntnis entspringenden Klimaschutzmaßnahmen ist jetzt auch wieder die sogenannte Eisendüngung der Ozeane im Gespräch und wird gemeinhin sogar positiv bewertet, obwohl hier Theorie und Praxis erwiesenermaßen weit auseinanderklaffen.

Das hatten die Forscher vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) eigentlich schon in ihren Experimenten vor acht Jahren einsehen müssen, als sie den praktischen Test der Meeresdüngung wagten - ohne sichtbaren Erfolg, wie auch das Internetmagazin Telepolis bestätigte:

Die Idee hört sich gut an. Durch Ausbringen von Eisenpulver über größeren Meeresflächen wird das Algenwachstum befördert. Die Algen nehmen Kohlenstoff auf, sterben ab, sinken zum Meeresboden und entziehen so dem System Treibhausgas. (Der Kohlenstoff stammt über Umwege aus dem CO2 der Luft.) Derlei wird nun schon seit mindestens 20 Jahren immer mal wieder diskutiert und mitunter marktschreierisch als der Königsweg im Klimaschutz angepriesen. Nur hat bisher keiner nachweisen können, dass es tatsächlich funktioniert. Die Algen können nämlich genauso gut von anderen Lebewesen gefressen oder von Bakterien abgebaut werden, bevor sie den Meeresboden erreichen.
(Telepolis, Wolfgang Pomrehn 8. Januar 2009)

Glücklicherweise konnte nun, aktuellsten Nachrichten zufolge, das deutsche Forschungsschiff Polarstern, daß sich bereits seit Januar auf dem Weg nach Punta Arena (Chile) befand, um in der Scotia-See ein weiteres Experiment zu wagen, gewissermaßen in letzter Minute gestoppt werden. So liest man im Presse-Newsletter des World Wide Fund For Nature - Umweltstiftung WWF Deutschland:

Hamburg - Der WWF begrüßt den vorläufigen Stopp des geplanten Algen-Großversuchs deutscher und indischer Forscher im Südatlantik durch das Bundesforschungsministerium. Zugleich fordern die Umweltschützer, das Projekt komplett abzusagen, weil es gegen einen Beschluss des UN-Übereinkommens über die biologischen Vielfalt (CBD) verstößt. "Deutschlands Glaubwürdigkeit als Klima- und Meeresschützer steht auf dem Spiel. Das Verbot riskanter Experimente auf hoher See ist unter Federführung der Bundesregierung beschlossen worden", so Lutter [WWF-Meeresexperte Stefan Lutter].
(WWF, 14. Januar 2008)

Ursprünglich war geplant, unter erneuter Beteiligung des Alfred- Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in einem deutsch-indischen Großversuch LOHAFEX ("LOHA" bedeutet auf Hindi Eisen, "FEX" steht für Fertilization EXperiment also Düngungsexperiment) sechs Tonnen Eisensulfat im Südatlantik auszubringen und damit in einem Gebiet von etwa 300 Quadratkilometern die Algenblüte anzukurbeln. Die Forscher versprechen sich davon, daß klimaschädliches CO2 an das Phytoplankton im Ozean gebunden wird.

Während einer kurzen Zwischenstation in Kapstadt/Südafrika, der letzten Station vor dem "Experiment", warnten Umweltgruppen u.a. in organisierten Schreiben an den Umweltbundesminister Sigmar Gabriel vor unvorhersehbaren Folgen. Sie beriefen sich darauf, daß das ganze Forschungsvorhaben einen Verstoß gegen das Verbot der Meeresdüngung darstellt, eine UN-Konvention, die ironischerweise unter der Federführung Deutschlands im Mai 2008 abgeschlossen wurde.

Falls das LOHAFEX-Experiment tatsächlich stattfindet, bedeutet dies einen Bruch des globalen Moratoriums zur Ozean-Düngung, auf welches sich im Mai 2008 die 191 Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention (CBD) geeinigt hatten, und eine Mißachtung der London Convention gegen das Dumping von Müll in Meeren (ein Vertrag der International Maritime Organisation). (Pressemitteilung, ETC Group (Montreal) 12. Januar 2009)

Der WWF zeigt sich irritiert darüber, daß das AWI und das Forschungsminsterium nun behaupten, die geplante Düngung werde nahe den Küstengewässern stattfinden und sei deshalb nicht an das CBD-Moratorium gebunden. "Das ist Nonsens. Die vorgesehene Versuchsfläche liegt mehr als 200 Seemeilen vor der Küste der Südgeorgischen Inseln und gilt damit eindeutig als hohe See", so [WWF-Meeresexperte Stephan] Lutter.
(WWF, 14. Januar 2009)

Und obgleich der Bundesumweltminister laut der Märkischen Allgemeinen vom 13. Januar 2009 nicht mit dem vom Bundesforschungsministerium genehmigten neuen Polarstern-Experiment einverstanden war und in einem Brief an die "geehrte Frau Kollegin" die Bundesforschungsministerin Annette Schavan aufforderte, "sicherstellen zu lassen, dass das Projekt des AWI unverzüglich gestoppt wird", weil das Vorhaben "Deutschlands Glaubwürdigkeit und Vorreiterrolle beim Schutz der Biologischen Vielfalt" untergrabe, blieb die Polarstern- Expedition zunächst weiter auf dem eingeschlagenen Kurs. Dieses Vorhaben wurde jetzt vorerst gestoppt.

Doch damit ist sicherlich das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn der Leiter der Expedition, Prof. Dr. Victor Smetacek, der auch schon für frühere Meeresdüngungs-Experimente verantwortlich zeichnete, hat sich bisher gegen alle Vernunft und trotz zu befürchtender Schäden für Tiefseefauna und -flora, nicht von seinen Ideen abringen lassen. Dieses neue Experiment ist schon lange, nämlich seit dem Scheitern der Expedition 2000, in der Planung und soll dabei auch noch, wie behauptet wird, dem Klimaschutz dienen.

Daß hier keineswegs im "Dienste der Natur", sondern im Dienste anderer, beispielsweise internationaler Wirtschafts-Interessen agiert wird, zeigt sich an besagter Planung und den in Frage kommenden Sponsoren des Experiments. Wie seinerzeit in der Süddeutschen Zeitung verlautbart, soll zusätzlich ein europäisches Konsortium beteiligt werden, was ermöglicht, daß sich mehrere Schiffe an den zu düngenden Flächen ablösen. Das gehöre noch zur Grundlagenforschung. In den USA gibt es darüber hinaus Privatfirmen, die in diesen "Geschäfts"-Zweig der Klimaforschung und -verbesserung einsteigen wollen.

Smetacek wittert hier allerdings schon gefährliche Konkurrenten, deren Ergebnisse er "mit Vorsicht betrachten" will. Seine wissenschaftliche Gründlichkeit ist allerdings nur vorgetäuscht. Denn auch er selbst scheint sich das günstige Geschäft mit der Klimaerwärmung nicht durch ungünstige Ergebnisse verderben lassen zu wollen, wie man an den entsprechenden Forschungsfolgenabschätzungen für das kurzfristig gestoppte Experiment erkennen kann. Seit dem eindeutig mißlungenen Experiment 2000 hat er nämlich Forschungsarbeit und Meinungsmanipulation in die Richtung betrieben, daß vielleicht doch noch etwas an der Idee sein könnte, mit Eisen und Algen das Klima zu schützen.

Bei genauerer Betrachtung des alten Experiments läßt sich diese Zuversicht allerdings nicht nachvollziehen: Da hat zum einen das Forschungsschiff Polarstern des Alfred-Wegener-Instituts einen Teil des südlichen Polarmeeres mit sogar zwei mal sechs Tonnen Eisensulfat im antarktischen Sommer 2000 rostbraun gefärbt und genaugenommen das Wasser dieses relativ unberührten Eismeeres mit billiger Chemie in eine organische Kloake verwandelt. Denn die ausgelöste Algenblüte bringt die Nahrungskette durcheinander. Typische Arten werden verdrängt und das chemische Gleichgewicht mancher Meeresregionen gerät in Gefahr zu kippen.

Die Forscher aus Bremerhaven hatten aber damit gerechnet, daß die Pflanzen nicht nur den "Dünger" verbrauchen, sondern auch das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen würden. Nach der Theorie sollte der Algenteppich bald danach absinken und den Kohlenstoff in der Tiefsee fixieren. Doch Lebewesen lassen sich nicht so einfach auf Reißbrettern festnageln.

Das antarktische Ökosystem erwies sich als zu komplex für eine derart simple Gleichung, heißt die Standardausrede der Forscher, um zu vertuschen, daß man bei dem Experiment (Eisen Ex I) einfach nicht weit genug gedacht hatte: Angeblich sollte das südliche Polarmeer Nährstoffe im Überfluß besitzen. Daß dort dennoch kaum Algen anzutreffen sind, wurde mit Eisenmangel erklärt. Mit ein paar Tankladungen des preiswerten Metalls als Dünger, so das Kalkül, ließe sich die Algenproduktion rund um die Antarktis ankurbeln.

Zum anderen hatte man aus Beobachtungen in Atlantik und Nordsee im Frühjahr geschlossen, daß die abgestorbenen Einzeller nach der Blüte in tiefere Wasserschichten versinken würden, sobald das Nährstoffangebot im Oberflächenwasser wieder abgenommen hätte. Zwar würde auch dort ein Teil der abgesunkenen Pflanzen im darauf folgenden Winter durch Stürme wieder hochgewirbelt werden, der Großteil sollte aber den Meeresgrund erreichen und dort für Jahrhunderte liegen bleiben.

Diese These interessierte vor allem die Industrie, die sich davon eine billige Methode der Kohlenstoff-Fixierung erhoffte, um den eigenen CO2-Ausstoß, statt ihn zu drosseln, mit einer entsprechenden Menge Eisendünger freizukaufen.

Victor Smetacek bestätigte zunächst die Beobachtung, daß das Algenwachstum nach der Düngung gegenüber einem ungedüngten Kontrollfeld um das Sechsfache zugenommen habe. Nach drei Wochen habe sich die Algenblüte auf 500 Quadratkilometer ausgedehnt und sei selbst auf Satellitenbildern zu erkennen gewesen. Doch der erhoffte Export von Biomasse in die Tiefsee blieb aus: Kontrollmessungen zeigten keinen Unterschied zu dem ungedüngten Vergleichsfeld (!!).

Die Forscher vermuten nun, daß Freßfeinde oder Bakterien, die sich praktisch parallel zu der Algennahrung vermehren, der Grund für die fehlende Biomasse sind. Nun wird aber im Stoffwechsel dieser Lebewesen das eingeschlossene Biomassen-CO2 wieder an die Umwelt abgegeben. Durch dieses Experiment wäre somit nicht nur das oft gepriesene ökologische Gleichgewicht der Meereslebewesen gestört worden (als Folge waren manche Algenarten sogar seltener geworden als im unbehandelten Ozean), sondern müßte man auch noch - zu Ungunsten des Klimas! - mit einem weiteren Ausstoß von Treibhausgasen durch die unkontrollierte Bakterienvermehrung rechnen.

Um das gewünschte Ziel der CO2-Speicherung in großer Meerestiefe dennoch zu erreichen, wären darüber hinaus noch weitere Manipulationen in der Meeresflora und -fauna notwendig.

Der noch nicht durchgeführte, geplante Versuch im Südatlantik, der, wie Ulrich Bathman, ein Forscher des experimentierfreudigen Alfred- Wegener-Instituts, gegenüber dem Spiegel verlauten ließ, "das bisher größte künstliche Düngungsexperiment überhaupt wäre", stützt seine Erwartungen auf zwei Arten südpolarer Kieselalgen, die durch ihren Silicatpanzer vor Freßfeinden geschützt sind und von denen man sich erhofft, daß sie die künstlich induzierte Blüte dominieren werden. Auf diese hatte sich Smetacek nach den mißlungenen Experimenten konzentriert. Doch wachse diese Art vergleichsweise langsam, so daß ein längerer Beobachtungszeitraum in dem sich die Biomasse aufbauen kann, nötig wäre. Erst dann könne man feststellen, ob es einen erhöhten Export in die tiefen Zonen des Meeres gibt, so Ulrich Bathman laut Spiegelbericht.

Eine Reihe von Problemen bliebe dennoch ungeklärt. Wie bringt man überhaupt ausschließlich Kieselalgen zum Wachsen, und müssten da erst gentechnische Manipulationen vorgenommen werden? Könnten im Laufe der Algenblüte toxische Arten dominieren, und wie ließe sich das verhindern? Und wie kann man während einer künstlich erzeugten Überdüngung die weitere, damit einhergehende, Sauerstoffverarmung in diesen Gebieten ausschließen?

Die Forscher können nicht einmal mit Gewißheit sagen, wie tief der Algenteppich absinkt und wann er durch irgendwelche Zwischenströmungen wieder hochgespült werden könnte. Genausowenig ist die Auswirkung eines unbekannten "Algensegens" auf das Tiefseeleben abschätzbar. Der Eingriff in die Umwelt ist also wesentlich gravierender, als die geringfügige Manipulation mit einer nicht einmal toxischen Chemikalie vermuten ließe.

Das Alfred-Wegener-Institut rechtfertigt die Fortsetzung seiner Expedition damit, daß in beiden von den Umweltverbänden zitierten Abkommen - der Resolution der London Konvention (Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen) aus dem Oktober 2008 und dem Beschluß der Konvention über die biologische Vielfalt aus dem Mai 2008 -, in Klauseln weitere Forschung gefordert würde, um das Verständnis von Eisendüngung im Ozean zu verbessern.

Allerdings ist der angebliche Ausschluß jedweder Umweltbelastung, die auf Bewertungen des indischen National Institute of Oceanography (NIO) und auf das deutsche Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholz-Gemeinschaft zurückgeht, nicht ganz ernst zu nehmen. Immerhin wurden sie von Instituten aufgestellt, die ein starkes Interesse an den aktuellen Experimenten besitzen. Entsprechend wird auch überhaupt nur auf einen geringen Teil potentieller Gefährdungen eingegangen:

Die Eisenkonzentration, die durch die Düngung im Oberflächenwasser auftritt, ist um eine Größenordnung geringer als die natürliche Eisenkonzentration küstennahen Meerwassers. Sie kann durch die meisten Analyseverfahren nicht einmal nachgewiesen werden.

Auch wenn das Experiment im offenen Ozean stattfindet, hatten die gedüngten Wassermassen aufgrund der Strömungsverhältnisse im Untersuchungsgebiet vorher Kontakt zu den Küstenregionen Südamerikas und Südgeorgiens. So enthalten sie Planktonarten, die an hohe Eisengehalte küstennaher Gewässer angepasst sind. Weiterhin wird die Blüte deutlich kleiner sein als die Bereiche, die durch das Schmelzen von Eisbergen auf natürlichem Weg gedüngt werden. Letztere können im Ozean Schwaden erhöhter Eisenkonzentration auf mehreren hundert Kilometern Breite hinterlassen.
(idw, 13. Januar 2009)

Das klingt zwar positiv, sagt jedoch letztlich wenig über tatsächliche Umweltgefährdungen aus, die u.a. durch die vergangenen Experimente längst erwiesen sind und durch die Größe dieses neuen Experiments erneut in Erscheinung treten werden.

Rechnet man dazu, daß es zur politischen Praxis der bisherigen Klima- Gipfel gehört, CO2-Werte in Form von Gleichungen auf dem Papier hin und her zu schieben und damit zu handeln, ohne eine erwähnenswerte CO2- Reduktion zu erreichen, dann werden die Ergebnisse des Meeresdüngungsprojektes im Hinblick auf das Klima bzw. den Klimaschutz ebenfalls keine Rolle spielen. Unter veränderten Bedingungen und im größeren Rahmen wird vermutlich solange daran heruminterpretiert werden, bis sie wieder das versprechen, was sie eigentlich halten sollten: CO2 verschwinden zu lassen. Und das allein läßt man sich eine Menge kosten. Der Ausverkauf der Natur geht weiter, diesmal sogar unter dem Deckmäntelchen des Klimaschutzes.

16. Januar 2009