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UMWELTLABOR/259: Pyrrolizidinalkaloide (2) Operation Huflattich (SB)


Verschwörung der Pharmariesen gegen Naturheilkunde?

Die 10. Arzneimittelgesetz-Novelle und der Huflattich


In dem inzwischen vergriffenen Taschenbuch "Die Vernichtung der biologischen Medizin", herausgegeben von K.-P. Schlebusch, H.-C. Scheiner und P. Wendling 1989 im Wilhelm Heyne Verlag München, wollten die Autoren anhand einer Fallstudie exemplarisch aufzeigen, wie eine jahrhundertelang bewährte Heilpflanze, der Huflattich nämlich, durch behördliche "Weisheit" plötzlich zur heimtückischen Giftpflanze erklärt wurde.

Kritisiert wurde damals, 2500 Naturheilmittel wären vom Bundesgesundheitsamt (BGA) allein aufgrund des Verdachts, daß Huflattich-Tee zum Tode eines Säuglings geführt haben könnte, vorübergehend aus dem Verkehr gezogen worden.

In einem Schreiben des BGA an alle Naturheilmittelhersteller hieß es u.a.:

[...] nachrichtlich an alle Stufenplanbeteiligten

10.08.88

Abwehr von Arzeimittelrisiken, Stufe II

hier: Pyrrolizidinalkaloid-haltige Humanarzneimittel mit Ausnahme von homöopathischen Arzneimitteln mit einer höheren Verdünnung als D6

[...]

auf der Basis der hier vorliegenden Unterlagen und Erkenntnisse beabsichtigt das Bundesgesundheitsamt zur Abwehr von Arzneimittelrisiken das Ruhen der Zulassung der o.a. Arzneimittel für 1 Jahr gemäß Paragraph 30 Abs, 1 i.Vm. Paragraph 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG anzuordnen.

Die vorgesehene Maßnahme ist durch die vorliegenden Erkenntnisse zur hepatotoxischen sowie cancerogenen Wirkung der in den o.g. Pflanzen enthalten PA mit einem 1,2-ungesättigten Necin-Gerüst begründet.

[...]

diesen gravierenden Risiken steht ein adäquater Nutzen nicht gegenüber, so daß die schädlichen Wirkungen über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
(aus: Dokumentation von Stellungnahmen und Diskussionen zur Verabschiedung der 10. AMG-Novelle, http://www.zdn.de/novelle/buch.htm)

Neben Tussilago farfara (Huflattich), Borrago officinalis (Borretsch) Petasites hybridicus (Pestwurz) und Symphytum officinale (Beinwell) finden sich des weiteren Senecio (Kreuzkraut), Lithospermum (Steinsame), Cynoglossum (Hundszunge), Alkana (Schminkwurz), Erechthites (Afterkreuzkraut), Eupatorium (Wasserdost), Anchusa (Ochsenzunge), Brachyglottis (Kurzzunge), Heliotropium (Sonnenwende) und Cineraria (Aschenpflanze) steht auf der Liste pyrrolizidinalkaloidhaltiger Arzneipflanzen u.a. auch das Kreuzkraut oder Greiskraut, also ein Vertreter jener Familie, die derzeit wieder von sich reden macht.

Hinter den spontanen Restriktionen wurde von den Kritikern des BGA unverzüglich eine Verschwörung der synthetische Produkte erzeugenden Pharmaindustrie gegen alle Medikamente und Erzeuger von Medikamenten naturheilkundlicher Prägung vermutet, die damals wie heute ungefähr 30 Prozent aller verfügbaren pharmazeutischen Mittel darstellt und einen Markt von etwa 3 Milliarden Euro ausmachen.

Daß allerdings die Naturheilkunde tatsächlich eine schmerzhaft spürbare Konkurrenz für die Pharma-Riesen werden könnte, die Intrigen und unlautere Mafia-Methoden auf den Plan rufen sollten, läßt sich kaum nachvollziehen. Von vielen Anhängern naturheilkundlicher Medizin und Phytotherapeuten wurden allerdings sämtliche Anstrengungen zur 10. Arzneimittelgesetznovelle als Mittel zur Marktbereinigung gewertet, die sich weniger in der mangelnden Qualität der Produkte begründeten, als darin, daß vielen mittelständischen Herstellern die finanziellen Ressourcen und Möglichkeiten fehlten, um die Kosten für die Nachzulassungen aller ihrer Produkte aufzubringen.

Fakt ist allerdings auch, daß durch den "Rufmord" der Presse bis heute am Huflattich ein gewisser unklarer Verdachtsmoment haften geblieben ist, man könnte damit vielleicht der eigenen Gesundheit mehr schaden als nützen. Und der ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so schnell zu revidieren. Ob aber - wie seinerzeit von den besorgten Verfechtern der Naturheilkunde angemerkt wurde - der Verzicht auf gewisse Kräuter und sogenannte Pflanzendrogen (wie pflanzliche Kräutertees im pharmazeutischen Fachjargon genannt werden) sowie das Verbot von 2500 milden Naturheilmitteln gleichzeitig tatsächlich den Umsatz an ebenfalls bedenklichen Klassikern der Schulmedizin wie Codein und Cortison sowie synthetischen Grippe- und Schmerzmitteln hätte steigern können, war damals schon fraglich. Inzwischen haben die aktuelle Gesundheitsreform und die Sparmaßnahmen der einzelnen Krankenkassen für eine Reduktion des Medikamentenverbrauchs der Erkältungs-, Grippe- und Hustenmittel insgesamt gesorgt, so daß mancher wieder gerne auf preiswerte Kräutertees zurückgreifen würde, wenn da dieser Verdacht nicht wäre.

Falls es also tatsächlich eine geheime Operation einer Pharma-Mafia gegeben haben sollte, Phytopharmaka am Beispiel des Huflattich in Verruf zu bringen, dann war die Mühe größtenteils vergeblich.

Wahrscheinlicher scheint aber, daß hier die Medien eine von professionellen Arzneimittelkritikern möglicherweise nicht ganz vollständig ausgewertete wissenschaftliche Studie aufgegriffen und in Form tendenziöser Pressemitteilungen Handlungsbedarf erzeugt haben, der sich mittels fadenscheiniger Begründungen als Risikoanlastung hochschaukeln konnte (dieses recht durchsichtige Muster ließe sich im übrigen auch auf die derzeitige Kritik an pyrrolizidinalkaloidhaltigen Pflanzen und Unkräutern (Jakobskreuzkraut) übertragen, doch darauf kommen wir noch).

Schlagzeilen, wie die folgenden, die seinerzeit durch die Medien gingen, belegen, daß hier einmal mehr das Thema Vergiftung, auf das die Öffentlichkeit besonders empfindlich reagiert, dafür herhalten mußte, das Sommerloch im August 1988 zu stopfen:

Umstrittene Heilpflanzen - BGA zieht Konsequenzen aus Pyrrolizidin-Risiken
(Süddeutsche Zeitung Nr. 189 vom 18.8.88, Seite 29)

Zulassung von Phytotherapeutika soll ruhen
- Pyrrolizidinalkaloide haben lebertoxische und
krebsinduzierende Wirkungen
(Die Neue Arztliche Nr. 159 vom 22.8.88, Seite 21)

Säugling stirbt an Leberzirrhose - Mutters Kräutertee war tödlich
(Medical Tribune Nr. 32 vom 12.8.88, Seite 3)

Weder die hier genannten Pressevertreter noch das BGA, das durch diese Meldungen auf den Plan gerufen wurde, hatten offensichtlich den gesamten Bericht des Autorenteams Roulet, Laurini, Rivier und Calame von der Universität Lausanne zum Fall des gestorbenen Säuglings gelesen. Hier noch einmal die wichtigen Punkte, welche die Gefährlichkeit von Huflattich durchaus relativieren.

- Die Mutter des Säuglings war drogensüchtig und nahm längere Zeit über, angeblich nur bis vor ihrer Schwangerschaft, Haschisch und halluzinogene Pilzdrogen ein. Diese Pilzdrogen wirken, so räumen die Verfasser ein, leberzerstörend.

- Die fetale und kindliche Leber ist wesentlich resistenter als die Erwachsenenleber. Seltsamerweise war die Leber der Mutter nicht geschädigt...

- Der "Huflattich-Tee" war ein Teegemisch aus zehn verschiedenen Pflanzen. Der Anteil des Huflattichs betrug dabei nur neun Prozent. Die übrigen neun beteiligten Pflanzen wurden in dem Artikel weder bezeichnet noch einer kritischen Prüfung unterzogen. Nach neuesten Meldungen ist es gar nicht sicher, ob überhaupt Huflattich im Teegemisch enthalten war.
(aus: Dokumentation von Stellungnahmen und Diskussionen zur Verabschiedung der 10. AMG-Novelle, http://www.zdn.de/novelle/buch.htm)

Huflattich enthält neueren Erkenntnissen zufolge etwa 0,02% Pyrrolizidinalkaloide und liegt damit sogar deutlich unter dem als Jakobskreuzkraut bekannten "Senecio jacobaea", das derzeit für den Tod von Rindern und Pferden verantwortlich gemacht werden soll. Wenn also, was als nachgewiesen gilt, fast 100% aller Pyrrolizidinalkaloide bei einem wässrigen Aufguß (wie dem Aufbrühen von Tee) in Lösung (d.h. in den Tee über-) gehen, und etwa 1-2 g Blätter für einen Teebecher verwendet werden, dann würde man mit diesem Becher mindestens 0,0002 g (0,2 mg/200 µg) Pyrrolizidinalkaloide konsumieren. Damit wäre die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) festgelegte maximale Tageszufuhr von 0,1 µg dieser Verbindungen tatsächlich schon um das 2000fache überschritten.

Unwillkürlich wird hier die Frage in den Raum gestellt, wie denn all die Menschen, die seit Jahrhunderten ihren Husten mit Huflattich und anderen Kräutertees behandeln, angesichts dieses toxischen Potentials überhaupt überleben konnten. Die Indikation des Huflattich fand schon im Mittelalter in den Kräuterbüchern, Apothekertaxen (Worms, 1582; Braunschweig, 1666; Frankfurt, 1687) und Pharmakopöen (Stuttgart, 1741; Berlin, 1799) Erwähnung. Es gibt aber sogar Belege sowohl aus der keltischen Zeit als auch Anwendungen in der Frühzeit durch die Griechen. Dort läßt sich der Name Béchion von besso = Husten ableiten (http://phyto.pharma.uni-bonn.de/tussilago.html).

Über die Diskrepanz des vermeintlich hohen Gehalts an Giftstoff im Huflattich und seiner wenig tödlichen Wirkung in der Vergangenheit lassen sich nur Vermutungen anstellen. Abgesehen davon, daß bei Tierversuchen fast immer von recht streßintensiven Grundvoraussetzungen für das Tier ausgegangen werden muß (und Streß ist ein bekannter krebsfördernder Faktor) und die Tiere außerdem mit den bitteren, wenig begehrten Huflattichblättern regelrecht gegen ihren Willen überfüttert wurden (zusätzlicher Streß) wurden im Laborversuch wiederum meistenteils reine Einzelsubstanzen getestet, die letztlich nichts über die Mischung bekannter und unbekannter Inhaltsstoffe in einer Pflanze in Wechselwirkung zur ihrer pflanzlichen Umgebung aussagen. So ist durchaus denkbar, daß nur der isolierte Stoff unter diesen Laborbedingungen seine volle Giftwirkung entfaltet. Anders gesagt läßt sich mittels Laborversuch so ziemlich jedes erwünschte Ergebnis erzielen.

Dazu schrieb Dr. med. Gedeon aus Gelsenkirchen in einem in der Medical Tribune Nr. 42 vom 21.10.88 auf Seite 67 auszugsweise veröffentlichten Brief an den Präsidenten des BGA:

"... dabei geht man nach folgendem scheinbar bewährten Strickmuster vor: Man isoliert Einzelstoffe aus phytotherapeutischen Verbindungen, gibt sie in hohen Dosen verschiedenen Tieren im Tierversuch und stellt dann eine hepatotoxische und/oder kanzerogene Wirkung fest. Dies kann man, und das kann ich Ihnen jetzt schon voraussagen, nicht nur, wie geschehen, beim Huflattich und bei Beinwell erreichen, sondern bei allen, ich wiederhole: allen phytotherapeutischen Substanzen. Dies kann man aber auch bei praktisch allen Nahrungs- und Genußmitteln erreichen, z.B. beim Kochsalz, beim Bier, bei der Schokolade, beim Kaffee, bei Mandeln, bei Zigaretten: Sie können Blausäure aus den Mandeln extrahieren und erreichen schon mit viel geringeren Dosen als beim Huflattich einen tödlichen Effekt. Sie können Alkohol aus dem Bier extrahieren, womit bekanntlich schwerste lebertoxische Veränderungen erreicht werden können, Sie können Koffein aus dem Kaffee extrahieren und ihn im Tierversuch applizieren: Sie werden jede Menge tödlicher Zwischenfälle erleben...
(aus: Dokumentation von Stellungnahmen und Diskussionen zur Verabschiedung der 10. AMG-Novelle, http://www.zdn.de/novelle/buch.htm)

Wie wahr, zumal, von der erwähnten Studie über den durchaus fraglichen Fall des gestorbenen Schweizer Säuglings einmal abgesehen, bisher keine weiteren Vergiftungen bekannt geworden sind, die tatsächlich oder wie hier willentlich mit Huflattich in Verbindung gebracht werden konnten.

Tatsächlich wirken bei Pflanzenheilmitteln so viele verschiedene Bestandteile der Pflanze, primäre und sekundäre Inhaltsstoffe ebenso wie die Zelluloseanteile der Pflanzenteile im synergistischen (sich gegenseitig verstärkenden) oder auch neutralisierenden Zusammenspiel, daß sich gar nicht im Detail nachweisen läßt, welcher Bestandteil für welchen Prozeß im Organismus verantwortlich ist oder welcher Bestandteil eines Pflanzenpräparats die Nebenwirkungen des Wirkstoffs verhindert. Das ist schließlich auch einer der Gründe, der die Nachzulassung von Phytotherapeutika so aufwendig werden läßt.

Bleibt man einmal bei der gesundheitsschädigenden Wirkung von relativ harmlosem "Zucker", so entzieht der Reinstoff dem Körper Mineralien bei der Verstoffwechslung des Zuckers, worauf dieser mit einer übersteigerten Mangelmeldung (= Hungergefühl) reagiert. Zucker als Bestandteil von Obst ist dagegen wesentlich verträglicher für den Organismus.

Um also nur auf die vermeintlich potentielle Schädlichkeit von Huflattich aufmerksam zu machen und die Bestrebungen zur 10. Arzneimittelgesetznovelle zu rechtfertigen, mußte das BGA 1988 auf geradezu abenteuerlich anmutende Weise die Weltliteratur der letzten vier Jahrzehnte nach beschriebenen Schäden durch pyrrolizidinalkaloidhaltige Pflanzen sowohl am Tier als auch am Menschen durchforsten und wurde dann vor allem bei Pflanzen fündig, die rein gar nichts mit dem gemeinen deutschen Huflattich zu tun haben:

- Epidemische Lebererkrankungen in Afghanistan durch
Kontamination von Mehl mit Heliotropium

(Mohabba 0. et al, The Lancet II, 269 [1976])

- Endemische Vergiftungen in Jamaika durch sog. Buschtees, die Crotalaria und Senecio enthielten
(Bras, G. et al The Lancet I, 960 [1957])

- Leberschäden bei Bantus in Südafrika durch Senecio
(Druckerey, H, Pharm. Ztg., 111 498 [1966])

- Lebererkrankungen von 67 Personen in Indien durch Kontamination von Brot mit einer Crotalaria-Art
(Ta dort B. N. et al, The Lancet 11, 2 71 [19 76])
(aus: Dokumentation von Stellungnahmen und Diskussionen zur Verabschiedung der 10. AMG-Novelle, http://www.zdn.de/novelle/buch.htm)

Anders gesagt, mit solchen Berichten aus Afrika, Südostasien und dem karibischen Raum über schleichende chronische Vergiftungen durch Pflanzen, die hierzulande überhaupt nicht vorkommen, überzeugte das BGA, um letztlich den Gebrauch von pyrrolizidinalkaloidhaltigen Arzneipflanzen - auf diese Weise nicht mehr ausschließlich auf Huflattich fokussiert - drastisch einzuschränken.

Nun sind die wichtigsten Vertreter dieser Alkaloidgruppe im Huflattich, Senkirkin und Senecionin, heute vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auch aufgrund aktueller Vorfälle erneut in ihrer Toxizität abgeschätzt worden. Während über Senkirkin nur sehr lückenhafte Untersuchungen existieren, wie aus dem Bericht des BfR über Jakobskreuzkraut hervorgeht,

Bei anderen ungesättigten PA deuten die Tierstudien mit der Verbindung selbst oder ihren aktiven Metaboliten ebenfalls auf eine karzinogene Wirkung hin (Isatidin, Jacobin, Retrorsin, Seneciphyllin, Senkirkin, Petasitenin), jedoch ist die Datenlage unvollständig (7, 20, 25, 26). Vielfach zeigten Verbindungen, die sich im Tierversuch als Karzinogen erwiesen, auch positive Resultate bei der Mutagenitätstestung (7, 27).
(Stellungnahme Nr.028/2007 des BfR vom 10. Januar 2007)

wird für den vermeintlich wesentlich besser untersuchten Wirkstoff Senecionin hier ebenfalls nur der schon zuvor zitierte Text kolportiert, gleichfalls ohne die spekulativen Aspekte und Nebenbemerkungen in der Studie mit zu berücksichtigen.

Die Autoren weisen auf eine erhöhte Empfindlichkeit von Kindern hin (29).

Senecionin:
Bei einem 5-Tage-alten Neugeborenen wurde in der Schweiz eine hepatische VOD diagnostiziert, die von Vergrößerung der Nieren begleitet war und am 38. Lebenstag des Säuglings zum Tode führte. Die Erkrankung wird im Zusammenhang mit der täglichen Einnahme eines Aufgusses einer expektorierenden Kräuterteemischung, die mit Petasites (Pestwurz) verfälschten Tussilago farfara L. (Huflattich) enthielt (17), während der gesamten Schwangerschaft gesehen. Die Autoren geben an, dass der Kräutertee 0,60 mg Senecionin (inklusive seines N-Oxids) pro kg Trockengewicht aufwies (17, 30).

17. Röder E; 1992. Pyrrolizidinalkaloidhaltige Arzneipflanzen.
(Deutsche Apotheker Zeitung, 132. Jahrgang, Nr. 45: 2427- 2435.)

29. Altaee MY, Mahmood MH; 1998. An outbreak of veno-occlusive disease of the liver in northern Iraq. Eastern Mediterranean Health Journal, Vol. 4/1: 142-148.

30. Roulet M, Laurini R, Rivier L, Calame A; 1988. Hepatic venoocclusive disease in newborn infant of a woman drinking herbal tea.
(J Pediatr, 112
(3): 433-436)


*


Ist nun aber Huflattich giftig oder nicht?

In dieser Frage mochten sich seinerzeit weder das Bundesgesundheitsamt (BGA) noch heute das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eindeutig festlegen. Beide verschleiern die eigene Stellungnahme offensichtlich hinter der Akzeptanz eines bestimmten Grenzwerts, bei dem garantiert keine gesundheitliche Schäden für den Menschen entstehen.

Daß dieser sehr willkürlich eingeführt wurde und nicht unbedingt die realen Verhältnisse widerspiegeln muß, geht z.B. aus der Einleitung des BfR zur Untersuchung von mit pyrrolizidinalkaloidhaltigem Greiskraut verunreinigten Salatmischungen "Stellungnahme Nr.028/2007 des BfR vom 10. Januar 2007" hervor, die sich wiederum auf den für Huflattich festgesetzten Wert beruft:

Eine Verzehrsmenge, unterhalb derer eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen ist, lässt sich für ungesättigte PA wissenschaftlich nicht begründen und somit auch keine tolerierbare Aufnahmemenge ableiten. Die Aufnahme von PA sollte aus Vorsorgegründen so weit wie möglich vermieden werden. Das BfR kommt nach der Expositionsabschätzung zu dem Ergebnis, dass akute bis mittelfristige Leberschäden infolge des Verzehrs der mit Gemeinem Greiskraut verunreinigten Salatmischung nicht ausgeschlossen werden können. Ein 60 Kilogramm schwerer Erwachsener würde bei dauerhaftem Verzehr schätzungsweise 220 bis 349 Mikrogramm (µg) ungesättigte PA pro Tag zu sich nehmen und somit die für Arzneimittel ohne anerkanntes Anwendungsgebiet tolerierte Expositionsdosis von 0,1 µg ungesättigte PA pro Tag um ein Vielfaches überschreiten. Die mögliche Aufnahme von ungesättigten PA aus weiteren Lebensmitteln wurde aufgrund mangelnder Daten nicht berücksichtigt.

Die unbefriedigende Faktenlage, die sich in der Schwierigkeit begründet, alle Inhaltsstoffe einer Arzneipflanze zu erfassen, wird somit offensichtlich zum Vorwand genommen, eine allgemeine Verunsicherung zu schaffen, so daß sich die eingangs erwähnte Marktbereinigung von Phytotherapeutika praktisch durch die ausbleibende Nachfrage von selbst regelt.

Statt eindeutig Stellung zu beziehen, ob die Pflanze selbst tatsächlich so giftig ist wie der reine Inhaltsstoff (und das ist sie, wie ihre Verwendung in der Vergangenheit zeigt, nicht), kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier verschiedene Sachverhalte von Vergiftungsvorfällen herangezogen werden, die sich gegenseitig bestätigen. Am Ende gründet sich alles auf den Bericht des Autorenteams Roulet, Laurini, Rivier und Calame von der Universität Lausanne zum Fall des gestorbenen Säuglings, der, wie dargelegt, nicht einmal ausreicht, auch nur den Verdacht von Schädlichkeit zu bestätigen.

Demgegenüber stehen Jahrhunderte des vorfallfreien Verzehrs und Gebrauchs von Kräutern und Pflanzenheilmitteln. Der Verbraucher wird mit einem kleinen Warnhinweis auf der Huflattichtüte dann letztlich einfach sich selbst überlassen.

Was das alles mit der aktuellen Diskussion zu Jakobskreuzkraut zu tun hat, erfahren Sie in der letzten Folge.

28. August 2009