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UMWELTLABOR/285: Auf dem Atmosphärenauge blind ... (SB)


Das Ozonloch schließt sich, oder nicht?

Wie sich negative Daten in positive Trends ummodellieren lassen


Allen Prognosen zum Trotz, das Ozonloch würde sich allmählich schließen, hat es in diesem Jahr den früheren "Rekordwert" von 2006 erreicht. Die allgemein positive Einschätzung der Ozonschicht-Entwicklung gründet sich ausschließlich auf das von den UN beschlossene Marktverbot bestimmter Stoffe (FCKWs), die dadurch nicht mehr in die Atmosphäre gelangen. Der Rest soll sich allmählich von allein abbauen. Einige Mechanismen in der Atmosphärenchemie ermöglichen den Abbauprodukten ein ebenfalls ozonschichtschädigendes Eigenleben. Aber auch die offiziellen Ersatzstoffe für die verbotenen FCKWs tragen als wirksame Treibhausgase zum Ozonabbau bei, indem sie die Erwärmung der Atmosphäre fördern.

Darüber hinaus berichtet das aktuelle Ozon-Bulletin des Deutschen Wetterdienstes (DWD), in den letzten Jahren habe man kein Schließen des Ozonlochs beobachten können. Nahegelegt wird darin aber, daß sich mit Hilfe einer neuen Auswertungsmethode der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) doch noch ein positiver Trend darstellen läßt, der auch den "Beobachtungen" entspräche. Inwiefern die Prognosen zu weit greifen, um das Handlungspotential einer vermeintlich zu einigenden Weltgemeinschaft auch für andere globale Probleme (z.B. Klimawandel) nicht in Frage zu stellen, bietet diese Folge des Umweltlabors zur Diskussion an.

Es ist still geworden, um das Ozonloch. Das "globale Problem", von dem die Welt vor 30 Jahren durch eine Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin Nature in Kenntnis gesetzt wurde [1], gilt allgemein für gelöst, der Patient Ozonschicht noch nicht als geheilt, aber doch auf dem Wege der Besserung: Bis 2070 sollen sich die Ozonverhältnisse in der Stratosphäre dem Ozonexperten Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Potsdam zufolge wieder normalisiert haben, ein paar Jahrzehnte mehr könne es aber vielleicht doch noch dauern, genau festlegen will er sich da nicht. [2]

Weil sich die Vereinten Nationen bereits zu einem frühen Zeitpunkt, als neue Meßverfahren 1985 große Ozonverluste über der Antarktis konkretisierten, überraschend schnell in einem kurzfristig angesetzten Verhandlungsmarathon auf einen Vertrag zum Schutz der Ozonschicht einigen konnten (auch wenn sich das sogenannte "Wiener Übereinkommen" als ein zahnloser Tiger erwies), und weil durch das Montrealer Protokoll zwei Jahre danach tatsächlich doch eine ozonschützende Maßnahme durchgesetzt werden konnte - ganze Gruppen von nachweislich ozonabbauenden und somit die Ozonschicht gefährdenden Chemikalien (ODS ozone depleting substances) verschwanden binnen kurzer Zeit vom Markt (Die Einigung sah vor, den FCKW-Einsatz bis 1995 um 50%, bis 1997 um 85% zu reduzieren) -, bekam das Montrealer Protokoll für das Kyoto Protokoll und alle folgenden und künftigen Klimaverhandlungen gewissermaßen Vorbildfunktion: Wenn die Menschheit wirklich will, kann sie globale Probleme auch lösen! Auf diese stille Hoffnung, es gäbe im Notfall eine handlungsfähige Weltgemeinschaft, möchte man angesichts bevorstehender oder aktueller Krisen wie die Klimakrise ungern verzichten.

Doch wie gut gelöst ist ein Problem, wenn laut Dekret nur eine bestimmte Gruppe von zudem sehr langlebigen Chemikalien nicht mehr in die oberen Schichten unserer Atmosphäre nachgeliefert wird, die dort aber bereits seit vielen Jahren ihr Unwesen treiben und aufgrund ihrer chemischen Stabilität und Reaktionsträgheit noch zwischen 44 bis 180 Jahre (je nach Spezies) in der Atmosphäre verweilen können?


Schließt sich das Loch nun, oder nicht?

Tatsächlich läßt sich seit 1994 ein leichter Rückgang der ozonschichtschädigenden Chemikaliengruppe (ODS) auch in der Troposphäre nachweisen. Die Konzentrationen besonders der aggressiven Abbauprodukte Chlor und Brom sollen ebenfalls mit ein paar Jahren Verzögerung seit 1997 in der unteren Stratosphäre, seid etwa 2000 in der oberen Stratosphäre, rückläufig sein. Entsprechend signifikante Ozonzunahmen und positive Ozontrends konnten aber bis vor kurzem nicht beobachtet werden, schreibt u.a. der DWD in seinem letzten Bulletin im Februar 2015 und erklärt in Folge, wie sich aber aufgrund neuer Berechnungen der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) doch noch ein langsamer, signifikanter positiver Ozontrend nachweisen läßt, auch wenn man ihn nicht sieht.

Möglich wird dies durch neue Auswertungen von Daten und Beobachtungen, letztlich von Computersimulationen bzw. Modellierungen, die im Rahmen des WMO/UNEP Ozon Assessments 2014 und der SPARCIGAC-IOC-NDACC Initiative on Ozone Vertical Profile Trends (SI2N) durchgeführt wurden. Sie kommen zu dem Schluß, daß es seit 2000 zu einer stratosphärischen Abkühlung gekommen ist, die über einen komplizierten Mechanismus erheblich zur Ozonzunahme in der oberen Stratosphäre beitragen soll. In der unteren Stratosphäre und bei der Ozongesamtsäule zeigt sich dagegen weiterhin keine Zunahme. [3] Letzteres ist Atmosphärenchemikern durchaus bewußt, auch wenn sie auf Nachfrage lieber den positiven Erwartungen entgegen kommen und das alte Ozondefizit kurzer Hand in der Komplexität möglicher atmosphärenchemischer und für den Laien schwer zu durchschauenden Mechanismen verstecken.

Jedes Jahr im August und September, im Dämmerlicht der Polarnacht, werden diese Prognosen allerdings in Frage gestellt. Denn genau in diesen Monaten beginnt die Sonne wieder über der Antarktis zu scheinen und setzt in der dort unter -90 Grad kalten Stratosphäre in 15 bis 50 Kilometern Höhe zerstörerische, chemische Prozesse und komplexe Wirkmechanismen in Gang, für die immer noch ausreichend aggressive Chemikalien in der Stratosphäre vorhanden sind bzw. aus der darunterliegenden Troposphäre nachgeliefert werden. [4] In deren Folge verringert sich jedes Jahr aufs Neue die Ozonkonzentration in diesen Höhen, über der Antarktis entsteht - auf der Webseite der WMO [5] durchaus erkennbar - ein großes Loch im UV-Schutzschild der Erde, wodurch vermehrt harte UV-B-Strahlung bis zum Erdboden die Atmosphäre durchdringen kann. Nur spricht heute niemand mehr davon, von jährlichen Randnotizen des deutschen Wetterdiensts (DWD) [6] oder der Tagesschau [7] einmal abgesehen.

Dabei hatte das kürzlich registrierte antarktische Ozonloch 2015 mit einer Ausdehnung von 26,66 Millionen Quadratkilometer und mit einem bisher tiefsten Wert von nur 161 Dobson-Einheiten (DU) durchaus beachtliche Ausmaße erreicht [8], auch wenn es sich erst am 19. September, relativ spät also, in maximaler Größe zeigte. Es ist vergleichbar mit dem Rekordjahr 2006, in dem das Ozonloch über der Antarktis mit einer Ozonkonzentration unter dem festgelegten Grenzwert von 220 sogenannten Dobson-Einheiten (DU) eine mittlere Ausdehnung von 26,6 Mio. Quadratkilometer erreicht hatte.

Und wird nur übertroffen von dem letzten noch größeren Ozonloch, das am 12. September 2008 mit 27 Millionen Quadratkilometern vermessen worden war. Die bislang größte Ausdehnung dieses Bereiches an ozonausgedünnter Luft über der Antarktis wurde am 9. September 2000 mit 29,86 Millionen Quadratkilometer angegeben. Um einmal die Flächenangaben ins Verhältnis zu setzen, das größte Land der Erde, Rußland, umfaßt eine Fläche von 17 Millionen Quadratkilometer. [9]

Nur in den Jahren 2012 und 2013 schienen sich die Folgen des vielzitierten Montrealer Protokolls nach 25 Jahren erstmalig auch in der antarktischen Stratosphäre abzuzeichnen. Das Ozonloch schien ein wenig kleiner auszufallen als in den Jahren davor. Allerdings hatte dazu vermutlich auch das Wettergeschehen und eine entsprechend starke Luftzirkulation beigetragen, die Ozon vom Äquator zu den Polen trägt. Dafür spricht auch, daß es 2014 und 2015 wieder frühere Abmessungen erreichte.


Störanfällige Atmosphärenchemie

Für diejenigen, die es noch nicht wissen, Ozonschicht nennt man die Ansammlung (Akkumulation) einer bestimmten Sauerstoffmodifikation, die rund um den Globus in etwa 15 (über den Polen) bis 25 Kilometer Höhe (über dem Äquator) beginnt. Man stellt sie sich allgemein wie eine Sonnenbrille vor, die das Leben der Erde vor zu intensiver UV-Strahlung schützt. Bei genauerer Betrachtung hakt diese Vorstellung ein bißchen.

Auch wenn sich etwa 90 Prozent des gesamten Ozons der Atmosphäre in der oberen Stratosphärenschicht sammelt, scheinen die Begriffe "Schicht" oder auch "Akkumulation" an diesem "luftigen" Ort übertrieben, denn es kommen auf eine Millionen Luftteilchen nur vereinzelte Ozonmoleküle. Würde man das gesamte Ozonvorkommen in der Atmosphäre in eine Schicht aus reinem Ozon auf der Erdoberfläche zusammendrücken, wäre diese kaum mehr als 3, bestenfalls 4 Millimeter dick. [10] Schrumpft sie zu einer Dicke von nur 2,5 Millimeter zusammen, spricht man bereits von einem Loch. Auf die gesamte Schichtdicke der Stratosphäre verteilt, ist die Ozonschicht kaum als eine solche zu erkennen, da der "Zwischenraum" größer ist als alles andere. Doch diese ausgedünnte Filterschicht sporadisch verteilter Teilchen reicht aus, um das gesamte Leben auf der Erde vor harter Strahlung zu schützen, die auf alle lebenden Zellen sterilisierend, das heißt tödlich, wirkt. Wenn aber nur wenige Teilchen in der Luft derart viel erreichen, zeigt das auch, wie empfindlich die Chemie in diesem Bereich auf geringfügige Änderungen reagiert.

Ozon (O3), die dreiatomige Form des Sauerstoffs, entsteht durch Einwirkung von ultravioletter Strahlung aus dem Luftsauerstoff (O2). Das bei Zimmertemperatur und normalem Luftdruck farblose, aber stechend riechende Gas macht sich auch in Bodennähe als Umweltgift bemerkbar: Aufgrund seiner oxidierenden Wirkung reizen lokal sehr unterschiedliche Ozonkonzentrationen (Sommersmog) die Atemwege von Menschen und Tieren, tragen zur Schädigung von Pflanzen wie Baumsterben bei und lassen Oberflächen leichter korrodieren (rosten). An heißen Sommertagen entsteht unter UV-Einwirkung in der Abluft größerer Städte oft zu viel davon.

Die Ozonschichtmoleküle, von denen hier die Rede ist, werden durch hochenergetische UV-C-Strahlung (190-280 nm) des Sonnenlichts nur in der tropischen Stratosphäre gebildet. Viel tiefer dringen die gefährlichen UV-C-Strahlen gewöhnlich auch nicht in die Stratosphäre ein, die bis zu einer Höhe von 40 km über der Erdoberfläche bereits vollständig von den Ozon- und Sauerstoffmolekülen abgefangen (absorbiert) werden. Die nicht unbeträchtliche Beteiligung des Sauerstoffs an diesen Prozessen wird seltener erwähnt, obwohl sie ebenfalls zu einer Reduktion der Strahlung führt.

Mit den Luftströmungen verteilt sich das Ozon über die gesamte Erdatmosphäre und wird unter bestimmten Bedingungen wieder abgebaut. Atmosphärenchemiker sprechen von der Brewer-Dobson Zirkulation, die in der jeweiligen Winterhemisphäre für den polwärts gerichteten Transport verantwortlich ist. Mit den gleichen Luftströmungen werden auch Schadstoffe wie ozonschädigende Substanzen, sogenannte ODS (ozone depleting substances), zu den Polen "geschwemmt". Unter den dort herrschenden Bedingungen, vor allem an der Oberfläche der polaren Stratosphärenwolken (oder PSC [Polar stratospheric clouds], Perlmuttwolken s.u.) findet auch der größte Abbau von Ozon statt. [11]

Vor allem Emissionen von sogenannten FCKWs oder Frigenen gelten als Ozonzerstörer. Aber auch andere z.B. in Feuerlöschern verwendete Halone (Halogenkohlenwasserstoffe) wie Methylchloroform (CH3CCl3), Tetrachlormethan (CCl4) oder Methylbromid zerstören die Ozonschicht über ähnliche Mechanismen, in denen die jeweiligen Radikale der Halogene (Fluor, Chlor oder Brom) als Katalysator wirken.


Ozonspalter und Endlosschleifen ...

Seit die ODS verboten sind und die signifikante Trendumkehr zum Ozonschichtaufbau nach wie vor auf sich warten läßt, werden in den jüngsten Studien immer wieder neue Mechanismen der Atmosphärenchemie oder neue Substanzen gefunden, die ebenfalls für ozonschichtschädigende Wirkungen verantwortlich gemacht werden können.

Anfang des Jahres warnten Forscher in einer Studie des WMO [12], daß "sehr kurzlebige Substanzen" (very short-lived substances" - VSLS) ebenfalls bedrohlich für die Ozonschicht sind. Diese kämen u.a. in natürlicher Form in Algen und Phytoplankton vor. Aber die vom Menschen verursachte Produktion dieser VSLS wie etwa das leicht flüchtige Dichlormethan (Methylenchlorid CH2Cl2, das industriell in Abbeizmitteln für Lacke, Entfettungsmitteln, Extraktionsmittel für Koffein oder Lösungsmittel für Harze, Fette, Kunststoffe und Bitumen verwendet wird) nimmt ebenfalls zu. Auch weitere "natürliche" und somit nicht abzuschaltende Quellen für ozonzerstörende Substanzen werden diskutiert, wie etwa gasförmige Halogenverbindungen, die bei Vulkanausbrüchen entweichen und aus denen sich in der oberen Stratosphäre Chlorradikale freisetzen lassen.

Mittlerweile wird auch Lachgas (Distickstoffmonoxid N2O), das unter anderem durch die vermehrte mineralische Stickstoffdüngung der Böden in die Atmosphäre eingebracht wird, als potentielle Quelle ozonschädlicher Emissionen diskutiert. N2O-Moleküle sammeln sich aufgrund getrennter Temperatur- und Strömungsverhältnisse in der Stratosphäre und können von dort nicht mehr so einfach verschwinden. Sie dienen in einem anderen Reaktionsmechanismus als Katalysator und Sauerstofflieferant für die Reaktion von Ozon zu gewöhnlichem Sauerstoff. So schrieb Daniel Lingenhöhl im "Zeitmagazin" im Juni 2012, daß Lachgas inzwischen die FCKWs als wichtigste ozonschädigende Emission im 21. Jahrhundert abgelöst hat. [13] Lachgas ist zudem ein sehr langlebiges Treibhausgas, das durchschnittlich bis zu 114 Jahren in der Atmosphäre verweilen kann.

Eben dieses Lachgas (N2O) ist neben Carbonylsulfid, das von Meeresalgen gebildet wird und in die Atmosphäre zu Schwefelsäure (H2SO4) oxidiert wird, eine Hauptkomponente bei der Bildung der polaren Stratosphärenwolken. Lachgas wird dabei ebenfalls unter Sauerstoffverbrauch zu HNO3 (Salpetersäure) oxidiert. In der Polarnacht bilden sich aus diesen Verbindungen winzige Tröpfchen oder Eiskristalle, die als Perlmuttwolken von der Erde aus beobachtet werden können und die beim Ozonabbau eine besonders große Rolle spielen, weil u.a. vermeintliche Abbauprodukte ehemaliger FCKWs (Chlorwasserstoff HCl und Chlornitrat) hier erneut zu Radikalen gespalten und zu ozonschädigender Wirkung aktiviert werden können. Lachgas bzw. die daraus entstehenden Stickoxide, sind aber auch die Stoffe, welche die aus FCKWs stammenden "Abbauprodukte" gewissermaßen "lagerfähig" machen und somit für eine Endlosschleife aus Ozonabbau und Schadstoffspaltung bzw. Ozonspaltung und Schadstoffabbau bereit halten. Ob der Ozonabbau oder der Abfangmechanismus dominiert, ist im wesentlichen von der Temperatur und der Bildung von tiefgekühlten Salpeter- oder Schwefelsäurewolken abhängig. Und an dieser Stelle kommt der aktuelle Klimawandel als weiterer nicht ganz unerheblicher Faktor ins Spiel.


Klimawirksame Ersatzfrigene schaffen weitere globale Probleme

Werden weiterhin Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt oder auch Lachgas oder klimawirksame Ersatzfrigene in die Atmosphäre emittiert, entsteht eine dichte Schicht aus Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen, welche die vom Erdboden kommenden Wärmestrahlen am Austritt in den Weltraum hindern und so die Atmosphäre aufheizen.

In der Stratosphäre, durch die nun ebenfalls keine Wärmestrahlung zieht, kehren sich die Verhältnisse um. Die hier gelandeten Treibhausgase reflektieren jede Wärme in den Weltraum zurück, wodurch entsprechend kalte Bedingungen geschaffen werden können, bei denen die ozonabbauenden Prozesse überwiegen.

Letzteres konnte man inzwischen bereits mehrfach über der Arktis und dem Nordpolarmeer beobachten, so daß es nun auch in diesem Bereich, in dem bis dahin noch kein Ozonloch, sondern bestenfalls periodisch eine kleine Delle zu erwarten war, inzwischen häufiger zu einem mit der Antarktis vergleichbaren Ozonschwund kommt. Ein Stratosphärenwinter über der Arktis ist heutzutage erheblich kälter als beispielsweise in den 1960er Jahren. Auch das Ozonbulletin des DWD [3] weist darauf hin, daß die zukünftige Entwicklung der Ozonschicht nicht nur vom Rückgang ozonzerstörender Substanzen geprägt sein wird, sondern auch vom Klimawandel und von der zu erwartenden CO2-Zunahme. Ebenfalls erwartet wird eine weitere Akkumulation anderer klimaschädlicher Spurengase wie CH4 und N2O in den nächsten Jahrzehnten. Bisher sei ihr Einfluß auf die Ozonschicht noch gering gewesen.

Doch wie das Ozon Assessment 2014 zeige, werden auch diese Gase in den nächsten Jahrzehnten zu Ozonveränderungen beitragen. Sie könnten sogar nach einer weiteren Anpassung der Auswertungs- und Berechnungsgrundlagen für entsprechende Simulationen eine ähnlich große Bedeutung erlangen, wie der inzwischen offiziell begrenzte Einfluß menschengemachten Chlors und Broms in der Vergangenheit.

Angesichts der zahlreichen komplexen Reaktionsmechanismen, durch die in Atmosphäre, Trophosphäre und Stratosphäre trotz der vermeintlich positiven Wende der negative Einfluß menschengemachten Chlors und Broms nach wie vor aktiv gehalten wird, scheint es doch recht vermessen zu glauben, daß das globale Problem der vor allem von den Industrienationen gemeinschaftlich geschädigten Ozonschicht mit dem Montrealer Abkommen tatsächlich gelöst werden konnte. Ob es für die bevorstehende 21. UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris eine kluge Strategie oder ein schlechtes Omen ist, sich gerade auf dieses Vorbild zu stützen, wird sich Ende dieses Jahres erweisen.


Anmerkungen:

[1] http://www.nature.com/nature/journal/v315/n6016/abs/315207a0.html

[2] Spektrum der Wissenschaft - Die Woche Nr. 26 (02.07.2015), Roland Knauer, "25 Jahre FCKW-Verbot - Es bleibt ein Loch ohne Boden"

[3] DWD Ozon Bulletin 131: "Ozon nimmt in der oberen Stratosphäre wieder zu"
http://www.dwd.de/bvbw/generator/DWDWWW/Content/Forschung/FEHP/OZON/DL/OZON__BULLETIN/2015/Ozonbulletin__131__1502__de__pdf,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Ozonbulletin_131_1502_de_pdf.pdf

[4] Die Photolyse von FCKW-Molekülen durch UV-C, die nur in der Stratosphäre stattfinden kann, leitet zwar zum einen den vollständigen Abbau des FCKW-Moleküls ein, das auf diesem Weg freigesetzte Chlor wirkt dann aber als Katalysator bei der Zerstörung der Ozonmoleküle. Siehe auch:
http://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/klima-und-wetter/ozonschicht/ozonloch/

Die Atmosphärenchemie erweist sich jedoch als wesentlich komplexer und auch die Abbau- und Spaltprodukte der FCKWs bleiben als aggressives Potential erhalten. Ein Beispiel: So stellen die FCKWs in der darunterliegenden Troposphäre aufgrund ihrer Reaktionsträgheit keine Bedrohung dar. Aus dem gleichen Grund erweisen sie sich aber als extrem langlebig, bilden somit geradezu ein Reservoir, aus dem noch sehr lange Zeit ozonzerstörendes Chlor an die Stratosphäre nachgeliefert werden kann. Darüber hinaus wird das freigesetzte Chlor-Radikal (Cl·) nach seiner spaltenden Reaktion mit Ozon zu einem Chlorsauerstoffradikal (ClO·) , das z.B. durch gleichzeitiges Vorkommen von Stickoxiden bzw. Stickoxidradikalen (NO2·) in einer "lagerfähigen" Substanz, z.B. Chlornitrat (ClONO2), aus dem Verkehr gezogen wird, aus der es aber jederzeit durch entsprechend energiereiche UV-C-Strahlung wieder freigesetzt werden kann.

[5] http://www.wmo.int/pages/prog/arep/WMOAntarcticOzoneBulletins2015.html

[6] http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_windowLabel=T173200162321273036449357&_urlType=action&_pageLabel=_dwdwww_wetter_warnungen_Thema_des_Tages

[7] https://wetter.tagesschau.de/wetterthema/2015/09/11/was-macht-das-ozonloch.html

[8] In den Jahren vor 1980 lag die Ozon-Konzentration in der Antarktis das ganze Jahr über 225 DU. 1994 wurden sogar nur dramatische 73 DU als Negativrekord notiert.

[9] Die staatliche Behörde Australiens für wissenschaftliche und industrielle Forschung (CSIRO- The Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) twitterte am 23. September eine Grafik mit der größten Ozonlochausdehnung seit 2008.
https://twitter.com/CSIROnews/status/646821734377779200

[10] Gemessen wird der Gehalt an Ozon in sogenannten Dobson-Einheiten (Dobson Unit - DU). Wenn man das gesamte Ozon aus einer vom Erdboden bis ins Weltall reichenden Luftsäule nehmen und auf eine Temperatur von 0 °C und einen Druck von 1013,25 hPa (1 atm), also den Normaldruck auf der Erde, bringen würde, wäre diese Säule etwa 0,3 cm (oder auch 0,3 atm-cm) dick. Aus praktischen Gründen definierte man eine Dobson Unit als 0,001 atm-cm. Daher entspricht eine Säule von 0,3 atm-cm 300 DU. Von einem Ozonloch spricht man, wenn der Wert von 220 DU unterschritten wird. Diese Zahl wurde als Grenzwert festgelegt, da sich in historischen Beobachtungen von 1930 bis 1979 keine niedrigeren Werte finden lassen.

Einen ausführlichen Artikel zum Thema finden Sie auch hier:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-494.html

[11] Normalerweise entstehen auch in anderen Atmosphärenbereichen die gefürchteten Chlorradikale, doch ebenfalls in der Stratosphäre vorkommende Stickoxide (die z.B. aus Schadstoffen stammen) oder bestimmte Wasserstoffverbindungen fangen diese ab, indem sie stabile Verbindungen wie Chlorwasserstoff (Salzsäure HCl) oder Chlornitrat bilden, die dann auf lange Zeit in der Troposphäre verbleiben (siehe [4]).

[12] https://www.wmo.int/pages/prog/arep/gaw/ozone_2014/documents/2014%20Twenty%20Questions_Final.pdf

[13] Daniel Lingenhöhl weist in einem Artikel der Zeit darauf hin, daß Lachgas bei den ozonzerstörenden Prozessen in der Stratosphäre von UV-Strahlung in Stickstoffmonoxid (NO) zerlegt wird, das mit Ozon zu Stickstoffdioxid (NO2) und Sauerstoff (O2) weiterreagiert.
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-06/klima-biotreibstoff-ozonschicht

12. Oktober 2015


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