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FRAGEN/0003: Hütchenspiele - Forschungsstand Süßstoff Sucralose (SB)


Was hat das amerikanische Süßungsmittel Splenda mit DDT zu tun?

Fragen zu einer Meldung des "Chemical Sensitivity Network (CSN)" - Kaffee mit Pestizid süßen? [1]



Süßstoffe haben per se einen schlechten Ruf. Allein die Tatsache, daß es sich um synthetische Produkte der chemischen Industrie handelt, macht sie von vornherein verdächtig. Nachdem man Cyclamat seinerzeit zur Last legte, Blasenkrebs zu verursachen, wurden auch immer wieder bei anderen Süßstoffen toxische oder cancerogene Eigenschaften gefunden. Trotz dieses Makels hat es die finanzstarke Süßstoffindustrie mit entsprechend geförderten Gegenstudien, Neuzulassungen und Gesundheit und Schlankheit betonenden Marketingstrategien geschafft, daß weltweit Millionen von Menschen täglich Süßstoffe konsumieren. Tatsächlich wird sogar das Ausbleiben von Erkrankungen und Todesfällen bei diesen freiwillig unfreiwilligen Probanden eines gewaltigen, weltweiten Feldversuchs der Süßstoffindustrie, von diesen und anderen Befürwortern des Süßstoffkonsums bereits als positiver Nachweis für die jeweilige Unbedenklichkeit ihrer Produkte gewertet. Fraglich ist nur, inwieweit man die von Nebenwirkungen Betroffenen überhaupt ernst nimmt, werden sie doch meist in das Lager übersensibler Antichemie-Nörgler und Spinner verdrängt, denen die sachlichen Argumente fehlen. Das läßt Süßstoffkritiker immer stärkere Kanonen gegen die vermeintlich süße Gefahr auffahren:

Unter anderem in einem Internetbeitrag des CSN (Chemical Sensitivity Network), eine Organisation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen ungehörten Stimmen ein Forum zu schaffen und auf von Wissenschaft und Gesellschaft wenig wahrgenommene Gefahren aus der chemischen Industrie aufmerksam zu machen, hieß es daher im besten Boulevardblatt-Jargon: Ein hierzulande noch nicht lange bekannter Süßstoff habe "mehr mit einem Pestizid als mit Zucker gemeinsam". Es handelt sich um den inzwischen welt- und europaweit zugelassenen Nahrungsmittelzusatzstoff: E955 bzw. Sucralose. [1] Nach seiner Anwendung klagen einige Menschen über Kopfschmerzen und Migräne sowie Nebenwirkungen wie Hautausschlag und Rötungen, panikartige Erregungen, Schwindel und Benommenheit, Durchfall, Schwellungen, Muskelschmerzen, Bauchkrämpfe, Blasenleiden, Magenschmerzen - und nicht zuletzt auch über extremen Hunger bzw. unterzuckerungsähnliche Zustände (die man mit einer durch den Süßgeschmack ausgelösten Insulinfreisetzung im Körper erklärt).

Die auch von anderen Blogs und Artikeln kolportierte Behauptung, Sucralose sei gewissermaßen mit DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) gleichzusetzen, die sich vor allem auf einen Mediziner zurückführen läßt, der für die sogenannte World Natural Health Organisation spricht und der sich selbst als "Überlebender einer Aspartam-Vergiftung" bezeichnet [2], ist allerdings aus chemischer Sicht leicht anzugreifen und wenig präzise. Es handelt sich bei Sucralose letztlich um nichts anderes als einen mit Chlorierungschemikalien polychlorierten Zucker. Der hat außer Chloratomen nur sehr geringe strukturelle Ähnlichkeit mit DDT, auch wenn die aus Strichen und Buchstaben konstruierten zweidimensionalen Irrgärten der Chemie (Strukturformeln) für den Laien alle so gleich aussehen wie ägyptische Hieroglyphen.

Strukturformel der Sucralose - Grafik: 2007, freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Süßstoff Sucralose bzw. E955 - Ähnlichkeiten mit anderen chlororganischen Strukturen sind eher zufällig und nicht beabsichtigt.
Grafik: 2007, freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Strukturformel des DDT - Grafik: 2005, freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

DDT - wegen seiner umwelttoxischen Eigenschaften nur noch in Einzelfällen zugelassenes Insektenbekämpfungsmittel
Grafik: 2005, freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Auch der pamphletistische Titel, mit dem James Bowens seinen Aufsatz über die "letale" also "todbringende Wissenschaft über Splenda, einem giftigen Chlorkohlenstoff", überschrieben hat, scheint wenig Raum für eine sachliche Auseinandersetzung zu lassen, denn bisher ist noch niemand nachweislich an Sucralose gestorben. Das kommt der ursprünglichen Mission des Autors nicht unbedingt zugute. Dennoch lassen sich die hier geäußerten Befürchtungen nicht so einfach von der Hand weisen.

Laut John Emsley [3] wurde Sucralose von dem Doktoranden Shashikant Padnis am Queen Elisabeth College in London entdeckt. Er untersuchte die Reaktion von natürlichen Zuckermolekülen mit Chlorierungsmitteln, also Reagentien, die Chloratome an ein gegebenes Molekül anzuhängen vermögen. Dabei arbeitete er mit der Zuckerfirma Tate & Lyle zusammen. 1976 hatte er als erstes Tetrachlorgalaktosaccharose synthetisiert, danach noch weitere Derivate. Als man ihn eines Tages anrief, um einige Proben für weitere Versuche zu bestellen, soll er sich am Telefon verhört haben und begann, seine Derivate durchzukosten. Die um das 600fache erhöhte Süßkraft des gewöhnlichen Zuckers durch Chlor ist somit eine reine Zufallsentdeckung: Sucralose.

Sucralose, C12H19Cl3O8 oder chemisch genauer
1,6-Dichlor-1,6-didesoxy-ß-D-fructofuranosyl-4-chlor-4-desoxy-α-D-galacto-pyranosid, ist der Handelsname des künstlichen Süßstoffs, der widerstandsfähig gegen Erwärmen, wasserlöslich und auch in sauren Lösungen sehr stabil ist. Diese Kombination von Eigenschaften macht ihn im Vergleich zu anderen, diese Attribute nicht vereinenden Süßmitteln geradezu perfekt. Allerdings besitzt bereits der unchlorierte Ausgangsstoff, Saccharose, also der gewöhnliche Haushaltszucker, alle diese gewünschten Vorzüge, die bei der chemischen Veränderung offenbar nicht verloren gehen. Da liegt die Frage doch nahe, warum man ihn überhaupt chloriert?

Die Maskierung des Zuckers durch Chloratome verhindert, daß der Chlorzucker als gewöhnlicher Zucker vom Organismus erkannt, gespalten und verstoffwechselt wird. Diese spezielle Eigenschaft der Chlorliganden, die aus ihm eine diätetisch entschärfte, rudimentäre Kalorienbombe werden lassen, machen ihn auf der anderen Seite tatsächlich durchaus mit den berüchtigten Chlorkohlenwasserstoffen vergleichbar, die auch durch ihre Chlorbindung nur sehr langsam in der Umwelt abgebaut werden. Insofern haben also die Kritiker des Süßstoffs durchaus recht: Sucralose ist zwar nicht das gleiche wie DDT, man kann sie aber durchaus als einen Chlorkohlenwasserstoff betrachten. Und in Ländern, in denen sie viel verwendet wurde (seit 1998 ist sie in den USA und 60 anderen Ländern zugelassen, in der EU erst seit 2004, in Deutschland seit 2005) läßt sie sich heute bereits in geklärtem Wasser nachweisen, da Sucralose mindestens 5 bis 10 Jahre braucht, ehe sie auf natürliche Weise in der Umwelt abgebaut wird. Norwegische Wissenschaftler befürchten daher, daß der Stoff Pflanzen und Tieren schadet: So soll der Zuckertransport in den Leitungsgefäßen der Pflanzen durch Sucralose beeinträchtigt werden.

James Bowen [2] warnt vor diesem Chlorzucker, da aus einer Verbindung zwischen Kohlenstoff und Chlor seiner Ansicht nach nichts Gutes entstehen kann. Durch die Kombination mit Chlor, ein "meist reaktionsfreudiges, aggressives chemisches Element", seien in der Vergangenheit nur toxische Produkte für Mensch und Umwelt entstanden, wie Biozide, Bleichmittel, Desinfektionmittel, Insektizide oder sogar Giftgase aus dem ersten Weltkrieg. Selbst Chlorwasserstoffsäure [Salzsäure] - wenn auch kein Chlorkohlenwasserstoff - sei nicht ungefährlich. Damit liegt er auf der gleichen Linie mit Umweltorganisationen wie Greenpeace, die allen chlororganischen Verbindungen den Krieg und Chlor zum "Element des Teufels" erklärt haben.

Ganz abwegig ist das alles nicht. Man versuche doch einmal, eine organische Chlorverbindung zu finden (Salz gehört nicht dazu), die nicht toxisch ist, auch wenn sie vielleicht der Pharmaindustrie als Ausgangsstoff nützt. Nicht von der Hand zu weisen ist auch, daß sich die meisten größeren Auseinandersetzungen über Umweltgefahren in der Vergangenheit fast immer an Chlorverbindungen entzündet haben. Namentlich waren das die Insektizide DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) und Lindan (Hexachlorcyclohexan), die sogenannten Ozonkiller FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) oder CKWs (Chlorkohlenwasserstoffe), die bei der Müllverbrennung freigesetzten PCBs (Polychlorbenzole) und nicht zuletzt die wohl giftigste Chlorverbindung aller Zeiten, die als Nebenprodukt der Chlorchemie entsteht: Dioxin (bzw. TCDD, Tetrachlordibenzodioxin).

Muß man also bei Sucralose mit einem ähnlich dramatischen Wirkungsspektrum rechnen? Die Kritiker des Süßstoffs sagen "ja". Als Chemiker käme einem das unwissenschaftlich vor, sagt zum Beispiel John Emsley [3]. Seiner Ansicht nach müsse man hier genauer differenzieren. Es würde nicht genügen, wenn man das Vorhandensein eines Elements - und noch dazu eines weit verbreiteten wie Chlor - als Grundlage für die Entscheidung zwischen Gut und Böse heranzieht, oder wie Bowen gegen eine bestimmte Art der chemischen Bindung zu Felde zieht.

Nun, sehr genau zu differenzieren wußte die Chemie beispielsweise auch die Strukturbesonderheiten des Thalidomids (besser bekannt als Contergan), als sie die teratogene (fruchtschädigende) Wirkung des vermeintlich völlig unschädlichen Schlafmittels nach dem welterschütternden Skandal der 50er Jahre dem gleichzeitigen Auftreten einer rechts- und einer linksdrehenden Form zuschreiben konnte - ein äußerst unscheinbarer Unterschied, den zuvor niemand für relevant gehalten hatte, mit verheerenden Folgen ...

Thalidomid ist eine chirale Verbindung, d.h. seine Struktur kommt in einer linksdrehenden und einer spiegelbildlich rechtsdrehenden Struktur-Version vor, die nur mit physikalischen Methoden an ihrer unterschiedlichen optischen Aktivität unterschieden werden können, nicht aber als zweidimensionale Strukturformel auf dem Papier. Beim Durchgang von sogenanntem "linear polarisiertem" Licht durch ein optisch aktives Medium (eine Lösung von Thalidomid) wird die Polarisationsebene des Lichts an jedem Molekül ein wenig gedreht. Bei der linksdrehenden Struktur nach links, bei der rechtsdrehenden entsprechend nach rechts. Contergan wurde als Racemat verkauft, was bedeutet, daß beide Strukturen gleichgewichtig vorliegen. Die positive, sedierende Wirkung kommt dem rechtsdrehenden (+)-(R)-Enantiomeren zu, die fruchtschädigende Wirkung wird mit dem (-)-(S)-Enantiomeren verbunden. Die Trennung der Enantiomere ist zwar möglich, hat aber einen Haken: Alle chiralen Substanzen haben die Eigenschaft zu racemisieren. D.h. im Körper wandelt sich ein Enantiomer sehr schnell in die andere Form um. Somit dürfte selbst die rechtsdrehende, harmlose Form nicht von Schwangeren eingenommen werden.

Über derart sensible Zusammenhänge kaum wahrnehmbarer Strukturunterschiede hatte man bis dahin noch nichts gewußt. Das Wissen darüber hindert die Chemie aber nicht, Thalidomid seit 1998 wieder zur Behandlung von schweren Lepraformen und seit 2009 in Deutschland zur Behandlung des multiplen Myeloms unter strengen Sicherheitsauflagen einzusetzen. Auch die Frage nach weiteren potentiellen Gefahren, die strukturell nicht auffällig sind, wird von Chemie und Pharmazie selten gestellt. Dieses Beispiel zeigt aber auch, wie wenig sich aus noch so präzisen chemischen Strukturformeln ableiten läßt. Das schädliche Potential eines Stoffes erweist sich immer erst in der praktischen Anwendung. Sollte man daher nicht auch unwahrscheinliche, im Zusammenhang mit Sucralose geäußerte, hypothetische Korrelationen, Befürchtungen oder Beschwerden, auch wenn sie noch so plump oder unwissenschaftlich scheinen, ernst nehmen?

Selbst wenn die Bowensche "Kampfschrift gegen Sucralose" sehr ideologisch und wenig wissenschaftlich abgesichert klingt, läßt sich z.B. die hierin behauptete, längere Verweildauer von Sucralose im Körper durchaus logisch nachvollziehen. Bowen warnt davor, daß "jeder Chlorkohlenwasserstoff", der vom gesunden Körper nicht sofort ausgeschieden wird, dem Prozeß des menschlichen Stoffwechsels sowie seinen inneren Organen großen Schaden zufügen kann und denkt dabei an DDT, das noch Jahrzehnte nach seiner Anwendung unverändert toxisch im Boden zu finden ist. Alle Chlorkohlenwasserstoffe (CKWs) könnten die Hepatozyten, das sind die Stoffwechselzellen der Leber, angreifen und beschädigen. Das ist wissenschaftlich erwiesen, wenn auch nicht direkt bei Sucralose. Da CKWs nicht natürlichen Ursprungs sind, können sie in der Natur kaum oder gar nicht abgebaut werden und gelangen in die Nahrungskette, wo sie sich in den Säugetieren, also auch im Menschen, anreichern - hauptsächlich in Gehirn, Leber, Niere, Herz und Keimdrüsen. CKWs sind anerkanntermaßen eine der Hauptursachen von berufsbedingten Krankheiten, da sie lipophil (fettlöslich) genug sind, die Haut zu durchdringen und bis ins Zentralnervensystem zu wandern. Die akuten Vergiftungssymptome gehen von Schleimhautreizungen und Lungenentzündungen bis hin zu Hornhauttrübungen.

Das alles wurde bisher nicht mit Nebenwirkungen von Sucralose in Zusammenhang gebracht, weil Sucralose wasserlöslich ist und daher schnell und unverändert ausgeschieden werden soll. Ohne Frage stellt aber die schwer bzw. nicht abbaubare Substanz zumindest eine zusätzliche Belastung für die Leber dar.

Zudem behauptet Biochemiker Bowen, daß der trichlorierte Zucker ähnlich gute Lösungseigenschaften für Lipide besitzt wie andere Chlorkohlenwasserstoffe und auf diese Weise das Nervensystem angreifen kann, möglicherweise sogar Krebs, Mißbildungen und eine Einschränkung des Immunsystems hervorruft, wie man das z.B. von Trichlormethan (besser bekannt als Chloroform) kennt. Da könnte der Experte irren, denn fettlösende Eigenschaften wurden für diesen Zucker bisher noch nicht gefunden. Allerdings wird offenbar doch ein geringer Teil der stoffwechselchemisch stabilen Verbindung im Verdauungstrakt in Chlorglucose und Chlorfruktose gespalten. Diese beiden Stoffe könnten die Bluthirnschranke überwinden wie Glucose oder Fruktose, die normalerweise das Zentrale Nervensystem mit Energie versorgen. Auch sonst geht von beiden Chlorverbindungen ein gewisses Gefahrenpotential aus. Von der FDA wurden die Mengen, in denen sie bei normalem Sucralose-Konsum im Körper entstehen würden, noch als unschädlich eingestuft.

Zählt man die vermeintlich geringen Beeinträchtigungen und Befunde zusammen, die sich mit Sucralose in Verbindung bringen lassen, könnte einem das Ergebnis durchaus den Appetit auf diesen Zucker verderben:

Bei Versuchstieren soll Sucralose (bzw. das unter dem Markennamen "Splenda" bekannte US-Produkt) wie alle Chlorkohlenwasserstoffe Leberschwellungen hervorgerufen und Leberentzündung verursacht haben. Zwar lassen sich zu diesen Punkten bei einer ersten oberflächlichen Recherche keine speziellen Studien finden, so daß man vermuten kann, daß Bowen die bekannten toxischen Wirkungen von Chlorkohlenwasserstoffen (Lösungsmitteln wie Chloroform, Dichlorethylen usw.) hypothetisch auf den chlorierten Zucker überträgt. Es gibt aber durchaus einige Studien, in denen Splenda alias Sucralose negative Einflüsse auf den Stoffwechsel nachgewiesen werden.

Zum einen verweisen sowohl Bowen als auch das Chemical Sensitivity Network (CSN) sowie eine weitere Organisation, die 2010 gegründete, sogenannte "Alliance for natural health" ANH-Europe [4] auf eine Studie von Wissenschaftlern der Duke Universität [5]. Darin wird eine 12wöchige Versuchsreihe mit männlichen Sprague-Dawley-Ratten [6] beschrieben, in der den Tieren das Markenprodukt Splenda (1,1 Prozent Sucralose) in verschiedenen Konzentrationen (100, 300, 500 oder 1000 mg/kg) verabreicht wurde. Während der Behandlung wurden die Exkremente der Tiere untersucht und nach 12 Wochen eine entscheidende Veränderung in der Darmflora festgestellt: Alle Anaeorbier, Bifidobacterien, Laktobazillen, Bacteroides, Clostridien und sämtliche aeroben Bakterien waren signifikant reduziert. Der pH-Wert hatte sich erhöht und bestimmte Enzyme, das intestinale P-Glycoprotein and Cytochrome P-450 (die Faktoren CYP3A4 und CYP2D1) waren in höherer Konzentration vorhanden, letztere sind bekannt dafür, die Bioverfügbarkeit von oral eingenommenen Medikamenten einzuschränken. Diese Veränderungen sind auf Sucralosekonzentrationen von bereits 1,1 bis 11 mg/kg Körpergewicht zurückzuführen (die Food and Drug Administration (FDA), d.h. die behördliche Lebensmittelüberwachung in den Vereinigten Staaten, hält nach abschließenden Prüfungen bisher eine tägliche Aufnahme (ADI [7]) von 15 mg/kg Körpergewicht für vertretbar.)

Allein die funktionseinschränkenden Veränderungen der Darmflora können durchaus relevante Nebenwirkungen bis hin zu gravierenden Erkrankungen in Folge hervorrufen. Die Intestinalflora ist zum einen maßgeblich an der Abwehr von Krankheitserregern beteiligt und beeinflußt dadurch das Immunsystem, darüber hinaus hat sie jedoch eine größere Funktion an einzelnen Verdauungsprozessen, als gemeinhin bekannt ist. So sind Bakterien für die Vorbereitung bestimmter Nahrungsbestandteile und ihre Resorption in der Darmwand zuständig, ebenso für die Bereitstellung bestimmter Vitamine sowie die Energieversorgung des Darmepithels, die Anregung der Darmperistaltik, die Produktion kurzkettiger Fettsäuren sowie die Detoxifizierung (Entgiftung) von körperfremden Stoffen.

Vertreter des ANH-Europa [4] machen noch auf weitere Studien mit Versuchstieren aufmerksam, an denen Nebenwirkungen durch die Aufnahme von Sucralose beschrieben werden konnten [8]: Danach haben Wissenschaftler des Labors für Gentoxizität am Institut für Chemie und Bioengineering des Hachinohe National College of Technology, Japan, empfohlen, eine wesentlich umfangreichere Begutachtung von herkömmlichen und gebräuchlichen Lebensmittelzusatzstoffen durchzuführen, da sie bei verschiedenen Additiven in Dosisbereichen, die der sogenannten erlaubten Tagesdosis (ADI) [7] entsprachen, relevante DNA-Schäden in Darmzellen oder anderen Bereichen des Gastrointestinaltrakts der Versuchtiere gefunden hatten. Unter den 39 untersuchten Stoffen zeigten auch vier gebräuchliche Süßstoffe (Natriumcyclamat, Saccharin, Natriumsaccharinat und Sucralose) diese Erscheinungen. Interessanterweise sind alle Studien, die die Unbedenklichkeit des Stoffes bestätigen, vom Splenda-Hersteller "McNeil Specialty Products Company", einer Tochtergesellschaft des Großkonzens Johnson & Johnson, geförderte Privatstudien. Die erste schließt zwar in einer längeren, 52 Wochen dauernden Untersuchung an Sprague-Dawley-Ratten eine potentielle Cancerogenität und Toxizität von Sucralose komplett aus, muß aber im nebenherein als signifikante Nebenwirkungen eine signifikante Proliferation (zunehmendes Zellwachstum von normalen Zellen) im Oberflächengewebe der Nieren, hämorrhagische Degeneration der Lebernierenrinde (die den Stoffwechsel von Kohlenhydraten und Fett, den Salz- und den Wasserhaushalt reguliert), das Auftreten von Katarakten (Linsentrübungen, Grauer Star) sowie ausgeprägte Störungen des Magen-Darm Traktes einräumen [9]. Eine weitere Studie [10] des gleichen Süßstoffherstellers, die an trächtigen Kaninchen und Ratten durchgeführt wurde, um potentielle teratogene Nebenwirkungen auszuschließen, mußte hier einige Fälle von Schwangerschaftsdiabetes mit Todesfolge für sowohl Ratten als auch Kaninchen dokumentieren, darüber hinaus einige sogenannte "Abgänge" von Kaninchenföten, also Fehlgeburten. Trotz hoher Dosierungen wurden keine Mißbildungen während der Embryonalentwicklung festgestellt. Bereits 1991 hatte der New Scientist auf Studien zu Untersuchungen hingewiesen, in denen der Verzehr von Sucralose mit verkleinerten Thymusdrüsen in Verbindung gebracht wurde [11].

Sollte die zuvor beschriebene Vermutung stimmen, daß vor allem der kleine Teil der Sucralose, der entgegen der Behauptung, das würde nicht geschehen, doch im Verdauungstrakt in die potentiell gefährlichen Stoffe Chlorglucose und Chlorfructose gespalten wird, für diese Schädigungen verantwortlich ist, dann gehen die anfangs beschriebenen Nebenwirkungen bereits von einer sehr kleinen Menge dieser Abbauprodukte aus. Nur geringfügige Änderungen durch entsprechende äußere oder innere Faktoren wie Umweltschadstoffe oder individuelle Stoffwechsellagen oder -anomalien könnten diese Dimensionen allerdings gewaltig verschieben, wenn es dadurch zu einer höheren Abbaurate oder auch anderen Auf- oder Abspaltungen des Produkts kommt.

Letztere lassen sich nicht ausschließen, da durch den zunehmenden Eintrag von chlorhaltigen Umweltgiften in die Umwelt auch die Gegenmaßnahmen der Natur immer spezifischer werden. Man denke nur an die Resistenzbildung von Organismen gegen das Insektizid DDT oder sogenannte dioxinfressende Bakterien.

Es ist somit weniger die Frage, wie toxisch oder umwelttoxisch eine Substanz ist oder ob sie DDT gleicht oder im gleichen Maße toxisch ist, sondern wieviel die Umwelt oder der Mensch davon, zusätzlich zu allen anderen chemischen Einträgen und Emissionen, denen er ausgesetzt ist, verträgt und was daraus noch alles entstehen kann. Offenbar sehr viel! Ob die Forschung angesichts der vielfältigen chemischen und biologischen Möglichkeiten überhaupt mithalten und trotz allem Bemühen auf dem laufenden sein kann, ist ganz sicher zu bezweifeln.

Warum letztendlich der wertvolle Energieträger Zucker mit Chlor für die Nährmittelverwertung unbrauchbar gemacht wird, um dann durch die ausbleibende, aber versprochene Energiezufuhr vor allem Hunger zu erzeugen, kann man auch dann nicht beantworten, wenn sich die hier versammelten Vermutungen, Fragen und Befürchtungen mit entsprechenden Studien zerschlagen ließen.

Anmerkungen:

[1] siehe auch:
http://www.csn-deutschland.de/blog/category/gefahren-durch-alltagschemikalien/page/2/
http://www.ktipp.ch/themen/beitrag/1028751/
http://www.gesundheitstipp.ch/themen/beitrag/1028933/

[2] James Bowen, M.D. "The lethal science of Splenda, a poisonous chlorocarbon", 8. Mai 2005, World Natural Health Organization [Die tötliche Wissenschaft von Splenda, einem giftigen Chlorkohlenstoff, Übers. SB-Redaktion]
http://www.wnho.net/splenda_chlorocarbon.htm2

[3] John Emsley, "Parfüm, Portwein, PVC - Chemie im Alltag", Die süße Leichtigkeit des Seins, Seite 55 "Sucralose", Wiley-VCH 1997, Seite 177, "Dioxine, die tödlichsten Gifte der Welt?"

[4] Europäische Nicht Regierungs Organisation mit Sitz in U.K.
http://anh-europe.org/

[5] Die Studie von Wissenschaftlern der Duke Universität, auf die in den kritischen Texten immer wieder bezug genommen wird, findet man im Journal of Toxicology and Environmental Health, Part A: Current Issues, Volume 71, Issue 21, 2008, DOI: 10.1080/15287390802328630 Mohamed B. Abou-Donia, Eman M. El-Masry, Ali A. Abdel-Rahman, Roger E. McLendon & Susan S. Schiffman, "Splenda Alters Gut Microflora and Increases Intestinal P-Glycoprotein and Cytochrome P-450 in Male Rats

[6] Sprague-Dawley bezeichnet einen ausgezüchteten Albino-Ratten-Stamm, der als Versuchstier wegen seiner Gutmütigkeit und leichten Handhabung häufig verwendet wird. Konzerne wie Monsanto, deren GM-Produkte durch Fütterungsversuche an Sprague-Dawley Ratten in Verruf kamen, kritisieren im eigenen Interesse die Aussagekraft dieser Versuche, weil die gezüchteten Tiere ohnehin sehr anfällig für Krebserkrankungen wären.

[7] ADI (acceptable daily intake) = erlaubte Tagesdosis. Für Zusatzstoffe gibt es ADI-Werte, die aussagen, wie viel wir von diesem Stoff ein Leben lang jeden Tag bedenkenlos aufnehmen könnten. Das Kürzel ADI steht für Acceptable Daily Intakte, die täglich tolerierbare Aufnahmemenge. Der Wert wird in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht (mg pro kg KG) angegeben. Wichtig: Kinder sind Leichtgewichte. Sie erreichen den ADI vor allem im Sommer sehr rasch, wenn sie mit Süßstoff gesüßte Limonaden trinken. Der ADI-Wert für Sucralose beträgt 15 mg pro kg Körpergewicht
http://www.test.de/Zucker-Versteckte-Suesse-1423863-1423817/

[8] Sasaki YF, Kawaguchi S, Kamaya A, Ohshita M, Kabasawa K, Iwama K, Taniguchi K, Tsuda S."The comet assay with 8 mouse organs: results with 39 currently used food additives", Hachinohe National College of Technology, Japan, Mutat Res. 2002 Aug 26;519(1-2):103-19.
PMID: 12160896 [PubMed - indexed for MEDLINE]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12160896?ordinalpos=13&itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsPanel.Pubmed_DefaultReportPanel.Pubmed_RVDocSum

[9] Mann SW, Yuschak MM, Amyes SJ, Aughton P, Finn JP, "A combined chronic toxicity/carcinogenicity study of sucralose in Sprague-Dawley rats.", McNeil Specialty Products Company, 501 George Street, New Brunswick, NJ 08903, USA. Food Chem Toxicol. 2000;38 Suppl 2:S71-89.
PMID: 10882819 [PubMed - indexed for MEDLINE]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10882819?ordinalpos=17&itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsPanel.Pubmed_DefaultReportPanel.Pubmed_RVDocSum

[10] Kille JW, Tesh JM, McAnulty PA, Ross FW, Willoughby CR, Bailey GP, Wilby OK, Tesh SA."Sucralose: assessment of teratogenic potential in the rat and the rabbit.", McNeil Specialty Products Co., 501 George St, New Brunswick, NJ, 08903-2400, USA. Food Chem Toxicol. 2000;38 Suppl 2:S43-52.
PMID: 10882817 [PubMed - indexed for MEDLINE]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10882817?ordinalpos=19&itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsPanel.Pubmed_DefaultReportPanel.Pubmed_RVDocSum

[11] http://www.newscientist.com/article/mg13217960.400-shrunken-glands-spark-sweetener-controversy-.html

1. März 2013