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MELDUNG/002: Nahrung aus Exkrementen - Energie aus Brot (SB)


Perfekte Ausbeutung verfügbarer Ressourcen

Auf bestem Weg zu Soilent Green...


Während beispielsweise in den Vereinigten Staaten die Stadt San Franzisko, die selbstdeklarierte Vor- und Spitzenreiterin in Sachen städtischem Recycling, bereits dampfende Hundehäufchen als potentielle Energieträger von den Straßen sammeln läßt, um sie in einem sogenannten Methan-Digestor (Methanverdauer) mittels methanproduzierender Bakterien oder Mikroorganismen in Methangas umzuwandeln und zu verwerten, gehen die wissenschaftlichen Vordenker hierzulande sogar noch einige Schritte weiter. Was dabei an theoretischen Konstrukten herauskommt, scheint zunächst der Science fiction-Literatur entsprungen und sehr skurril, vor allem, wenn unabhängige Forschergruppen einerseits Exkremente zur Nahrungsmittelproduktion einsetzen und andere altes, aber einwandfreies Brot zu reinen Energieträgern umwandeln wollen. Tatsächlich wird einiges davon heute schon praktiziert, da z.B. Bäckereien es sich nicht mehr leisten können, das unverkäufliche Brot zu verschenken.

Statt also in harten Zeiten zahlreiche Menschen und Tiere mit B-Ware zu nähren und die Stufe des auch nicht gerade appetitlichen Biomasse-Recycling im Konverter (allein von Haustieren sind in Amerika pro Jahr 10 Millionen Tonnen Fäkalien zu erwarten) etwas später im Stoffwechsel anzusetzen, schrieb der Informationsdienst Wissenschaft (idw) in einer Pressemitteilung vom 22. Dezember 2009, wie man aus kostenpflichtigem Abfall (Brot) einen wertvollen Energieträger gewinnen könne:

Christian Alber, Absolvent der Hochschule Esslingen hat am Freitag 18. Dezember 2009 in der Bäckerei Alber in Filderstadt seine Bachelorarbeit präsentiert und die Ergebnisse sind beachtlich. Jährlich fallen alleine in Südwürttemberg um die 10 000 Tonnen Altbrot an. Diese könnten statt aufwendig entsorgt zukünftig nachhaltig energetisch verwertet werden. Für eine der denkbaren Verwertungsmöglichkeiten hat Christian Alber ein Verfahren entwickelt, das den Energiegehalt des Altbrotes zum Backen frischen Brotes nutzt - und gleich ein Patent darauf angemeldet.
(idw, 22. Dezember 2009)

Aus der breiten Zustimmung, die diese für viele doch recht abwegige Vorstellung hervorruft, "aufwendig hergestellte, noch genießbare Nahrungsmittel gewissermaßen mittels künstlich zugefügten Zersetzungsorganismen biologisch zu vergasen", wird ersichtlich, daß der Umdenkungsprozeß schon längst stattgefunden hat. Energetische Ausbeutung bis zur letzten Kalorie scheint wichtiger als die gesunde Ernährung von vielen.

"Selten haben wir einen so guten Absolventen gehabt", sagt Prof. Markus Tritschler der Fakultät Versorgungstechnik und Umwelttechnik der Hochschule Essligen. Christian Alber habe mit seiner hervorragenden Leistung ganz klar die Note 1,0 verdient.
(idw, 22. Dezember 2009)

Alber selbst meinte gegenüber dem idw: "Ab morgen könne man die Biogasanlagen mit Altbrot versorgen". Mitspielen müsse nur die Politik.

Die Ergebnisse seiner Arbeit zeigen großen Bäckereien ein hohes Energieeinsparpotential auf, wenn das Altbrot schon durch direkte Verbrennung als Energieträger für die Backöfen genutzt werden kann. Außerdem untersuchte Alber eine weitere Möglichkeit zur energetischen Nutzung von Altbrot in Biogasanlagen und erklärte, was die Politik tun müßte, um die wirtschaftliche Nutzung auf diesem Wege zu ermöglichen.

Der derzeitige agrarpolitische Trend zu nachwachsenden Rohstoffen, bei dem eßbare Agrarprodukte wie Weizen oder Mais als Energieträger eingesetzt werden, um beispielsweise einen Backofen mit der sogenannten Thermoöltechnik zu betreiben, legt nahe, daß das gleiche mittels "Abfall" zu erreichen wesentlich ökonomischer wäre. So kommt es nur noch darauf an, ab wann weizen- und maishaltige "Abfälle" (sprich: Brot) auch als Abfall deklariert werden können. Das legt der Gesetzgeber fest.


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Wer sich Sorgen macht, daß wertvolle Lebensmittel oder auch mühsam produzierte Agrarprodukte letztlich einfach verbrannt werden, der sei getröstet. Um neue Lebensmittel herzustellen, braucht man viel weniger als leckere Backerzeugnisse.

Schon vor zwei Jahren machten wir auf ein Projekt aufmerksam, in dem der jüngste Ehrgeiz, Nahrungsmittel direkt aus Exkrementen zu gewinnen, teilweise Formen anzunehmen schien. Damals hatte die japanische Forscherin Mayu Yamamoto nach eigenen Angaben eine neuartige Methode zur Wiederaufbereitung von Kuhmist entwickelt. Kuhmist enthält bekanntlich einen hohen Anteil noch unverdauter, verfügbarer Kohlenhydrate, die von anderen Tieren (z.B. Vögel, Pferde, Fliegen usw.) gerne gefressen werden. Statt diese "energiereiche Ressource" zu nutzen, stellte Yamamoto eine Methode vor, mit der sich aus Kuhmist äußerst kostengünstig derselbe Riech- und Geschmacksstoff entwickeln lasse wie bei einer Vanilleschote:

Kuhfladen, der eine Stunde lang unter bestimmten
Druckverhältnissen gekocht wird, strömt nach ihren
Erkenntnissen einen zarten Vanilleduft aus.

(AFP, 6. März 2006, 11:39 Uhr)

Das so produzierte Aroma ließe sich durchaus auch in Lebensmitteln verarbeiten, sagte die Wissenschaftlerin am Internationalen Medizinzentrum in Tokio. Von aus tierischen Exkrementen gewonnenen Aromastoffen ist es dann nur ein kleiner Schritt, Plankton für die Ernährung von Speisefischen mit Urin zu füttern. Oder kurz Speisefisch in Urin zu züchten.


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Da hierbei menschlicher Urin besonders gute Ergebnisse liefern soll, scheint der Stoffwechselkreislauf oberflächlich betrachtet perfekt aufeinander abgestimmt (Ecological Engineering, Bd.30, S.326, 2007), erinnert allerdings ein wenig an das Szenario im Filmklassiker "Soilent Green".

Laut einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung 2007 sammelten Bara Bihari Jana und seine Kollegen Proben an den Urinalen der Universität von Kalyani. Einen halben Liter davon gaben sie in einen Tank zusammen mit 4500 Litern Wasser und Wasserflöhen der Art Moina micrura, die in der Fischzucht als Futter dienen.

Kontrolltanks düngten sie mit entsprechenden Mengen Rinderurin, Dung, Vogelkot oder einer Mischung aus allem. Alle vier Tage gaben sie nochmals die selbe Fäkalienmenge in ihre Miniatur-Ökosysteme und zählten regelmäßig den Zooplankton-Nachwuchs.

In dem mit menschlichen Urin behandelten Tank begannen die Flöhe vier Tage früher mit der Fortpflanzung als in den übrigen Becken. Außerdem lebten die Kleinorganismen länger und produzierten mehr Nachwuchs.

Warum ausgerechnet menschlicher Urin diese Wirkung hat, vermögen die Forscher nicht zu erklären. Denn ihre Vermutung, daß der enthaltene Stickstoff das Wachstum von Mikroalgen beschleunige, die dem Zooplankton als Nahrung dienen, besagt im Grunde nichts, denn auch alle anderen beschriebenen Fäkalien enthalten Stickstoff in großer Menge. Genaugenommen hält sich das auf diese Weise großgezogene Fischfutter danach auch nur in menschlichem Urin auf, weder das Plankton noch die Fische ernähren sich direkt davon. Dennoch und das ist eigentlich wesentlich unästhetischer, werden die Futtertiere von der Flüssigkeit, in der sie aufwachsen, ohne sie zu verstoffwechseln, vollständig durchdrungen.

Da aber gerade menschlicher Urin wegen seiner hohen Konzentration an Arzneimittelrückständen, Metaboliten und Hormonen schon bei der Frage der abnehmenden Wasserqualität in Oberflächengewässern (Verweiblichung von Amphibien uvm.) ständig im Gespräch ist, in die diese Stoffe nach vorgeschriebener Reinigung in einer Kläranlage immer noch geraten, scheint diese Form der Nahrungsgewinnung nicht gerade "gesundheitlich" empfehlenswert zu sein. Denn wesentlich wahrscheinlicher als die hohe Düngequalität durch Stickstoff scheint doch zu sein, daß die im menschlichen Urin enthaltenen Hormone die Tiere schneller wachsen und geschlechtsreif werden lassen. Das gibt zwar von den Forschern niemand öffentlich zu, doch der Aquakultur-Experte Bela Buck vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven betonte hierzu zumindest gegenüber der Süddeutschen Zeitung:

Ein Freibrief, um Fäkalien in die Meere zu leiten, sei das nicht. [...] Nach europäischen Recht wäre es ohnedies nicht erlaubt, die Nahrungskette so zu einem Kreislauf zu schließen.
(Süddeutsche Zeitung vom 3. Juli 2007)

Unter Berücksichtigung der Welternährungslage und der Überfischung der Gewässer, der Ausrottung vieler Speisefischarten und der Tatsache, daß in Anbetracht der Schadstoffbelastungen der Meere frei lebender Fisch ohnehin kein gesundes Nahrungsmittel mehr sein kann, da aus verschmutzten Gewässern keine "unverschmutzten", unbelasteten Fische kommen können, werden die ebenfalls umstrittenen Aquafarmen als Alternative zur Nahrungserzeugung immer stärker herangezogen. Letztere sind aber im hohen Maße umweltgefährdend und tierquälerisch, da zur Erzeugung meist einer einzigen Art auf engstem Raum nicht nur unappetitliche Futterstoffe, sondern noch mehr Chemikalien, wachstumsfördernde Hormone, Antibiotika und andere Medikamente direkt eingesetzt werden, um die Fische schnellstmöglich verkaufsreif wachsen zu lassen.

Die Stoffwechselprodukte der Fische verursachen darüber hinaus eine explosionsartige Ausbreitung der Algen und eine ökologische Zerstörung des Gewässers.

Die mit Hilfe von menschlichem Urin gezüchteten Wassertiere enthalten nicht einmal weniger Schadstoffe. Denn Arsen, Blei, Cadmium, Quecksilber, Pestizide, Hormone und andere Medikamente, können ebenfalls in unvorhersagbaren Mengen durch den Kontakt mit dieser menschlichen Körperflüssigkeit aufgenommen werden, die diese Stoffe alle ebenfalls - als Beigabe unserer Zivilisation enthält.

In Anbetracht solcher Aussichten scheint eine Scheibe harten Brotes vergleichsweise richtig verlockend, doch leider heizt diese schon das Aquarium für die Planktonzucht an... Und so stellt sich dem kritischen Betrachter unmittelbar die Frage, ob mit derart komplizierten Konzepten vermeintlicher Ökologie und Ökonomie, dem damit hervorgerufenen Ekel sowie der unmittelbaren Reaktion, das unerquickliche Thema zu vermeiden, nur das eigentliche Ausmaß der Nahrungsverknappung verborgen werden soll.

23. Dezember 2009