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BERICHT/101: Die Nanotechnologie wird erwachsen (idw)


VolkswagenStiftung - 10.12.2008

Die Nanotechnologie wird erwachsen

VolkswagenStiftung unterstützt die Nanotechnologie und ihren Einsatz mit rund vier Millionen Euro - Förderung der ersten sieben Projekte in neu eingerichteter Initiative zu "makroskopischen Systemen"


Ultrafeine Nanoröhrchen und winzige Kristalle, biomolekulare Motoren und Sensoren - seit Jahren entwickeln Wissenschaftler neue Materialien und Komponenten mit herausragenden Eigenschaften im Miniaturmaßstab. Größenordnungen von wenigen Nanometern - das entspricht Millionstel Millimetern - zeichnen die winzigen Bausteine aus. Nun sind diese Einzelkomponenten aus der Nanotechnologie reif für größere Anwendungen. Die VolkswagenStiftung unterstützt diesen Schritt mit ihrer Initiative "Integration molekularer Komponenten in funktionale makroskopische Systeme". Beteiligt an den geförderten Projekten sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen: Chemiker, Physiker, Biologen und Ingenieurwissenschaftler.

Rund vier Millionen Euro stellt die Stiftung jetzt für sieben Vorhaben zur Verfügung, darunter:

1.) 691.000 Euro für das Vorhaben "Rolled-up integrative bioanalytic microsystem for a single cell" von Dr. Yongfeng Mei und Professor Dr. Oliver G. Schmidt vom Institut für Integrative Nanowissenschaften am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden;

2.) 367.600 Euro für das Vorhaben "Nanometer-sized diamonds for drug delivery and magneto-optical imaging" von Professor Dr. Jörg Wrachtrup, Dr. Fedor Jelezko und Dr. Michael Börsch vom 3. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart;

3.) 700.000 Euro für das Vorhaben "Towards molecular engines: cooperative coupling of molecular motors in engineered environments" von Dr. Stefan Diez vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, Professor Dr. Petra Schwille vom Biotechnologischen Zentrum der Technischen Universität Dresden, Professor Dr. Frank Jülicher vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden und Professor Henry Hess vom Department of Materials Science & Engineering der University of Florida, USA.

Wir möchten Ihnen die drei Projekte beispielhaft näher vorstellen; eine Übersicht aller bewilligten Vorhaben finden Sie dann am Ende der Pressemitteilung.


Zu 1. Nanoröhrchen als Labor in Chipgröße
"Lab-in-a-tube" - ein Röhrchenlabor im Nanomaßstab: Das ist das Ziel von Dr. Yongfeng Mei und Professor Dr. Oliver G. Schmidt aus Dresden. Sie entwickeln ein Minilabor auf einem Chip, in dem sich das Wachstum einzelner Zellen oder die Wechselwirkungen mit anderen Biomolekülen kontrollieren und beeinflussen lässt. Dazu werden die Wissenschaftler Nanoröhrchen mittels eines Aufrollmechanismus von ultradünnen funktionalen Schichten auf einem Chip herstellen. Geplant ist beispielsweise die Integration von elektronischen Schaltkreisen, optischen und magnetischen Sensoren sowie zylindrischen Hyperlinsen für höchst aufgelöste Bilder. Ist eine Zelle erst einmal in einem solchen ultra-kompakten Röhrchenlabor gefangen, kann sie letztlich "keinen Schritt unbeobachtet tun".

Die Forscher beherrschen die Technik, Nanoröhren aus hochverspannten Nanomembranen herzustellen. Bisher wurde dieses - aus dem materialwissenschaftlichen Bereich stammende - Verfahren praktisch nicht eingesetzt, um auch biologische Systeme zu untersuchen. Für das Mini-Labor werden zunächst alle gewünschten Funktionen einzeln getestet, um dann auf einem Chip zusammengefügt zu werden. Mit der multifunktionalen Plattform entsteht so eine einzigartige Technologie, die eine Vielzahl an Möglichkeiten für bioanalytische Untersuchungen eröffnet. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass damit grundlegende biologische Erkenntnisse gewonnen werden.


Zu 2. Winzige Diamanten als Medikamenten-Lieferanten
"Diamonds are the girls' best friends" wissen wir seit langem - und eigentlich nicht erst seit Marilyn Monroe. Doch damit nicht genug. Auch Wissenschaftler sind seit einigen Jahren scharf auf die "Glitzersteine". Allerdings aus anderen Gründen. So hat man auf der Suche nach Nanopartikeln festgestellt, dass winzige Kristalle aus Diamant ganz besondere Eigenschaften haben, die sie für Materialforscher interessant machen. Sie eröffnen einen weiten Anwendungsbereich, der vom universellen Marker bis hin zum "Medikamenten-Lieferanten" reicht.

Professor Dr. Jörg Wrachtrup, Dr. Fedor Jelezko und Dr. Michael Börsch von der Universität Stuttgart konnten beispielsweise zeigen, dass fluoreszierende Nanodiamanten als neuartige Marker in der Magnetresonanzspektroskopie einsetzbar sind - und Bilder mit einer Auflösung im Nanometer-Bereich ermöglichen. Die Farbzentren in Diamant-Nanokristallen bilden eine neue Substanzklasse von Fluoreszenz- und Spin-Markern, die sich auszeichnen durch biologische Trägheit, beispiellose Photostabilität und Biokompatibilität.

In ihrem von der VolkswagenStiftung geförderten Vorhaben wollen die Forscher nun die Diamant-Nanokristalle einsetzen, um die funktionelle Proteindynamik zu verstehen. Sie nutzen dabei die exzellenten Spin-Eigenschaften der Kristalle, um die Details der Rotationsbewegung sowie der Mechanismen elastischer Energiespeicherung in einem einzelnen biologischen Nanomotor aufzuklären. Als Modell dient ihnen ein bestimmtes Enzym (die FoF1-ATP-Synthase), das die Zellen mit der der universellen "Energiewährung" ATP (Adenosintriphosphat) versorgt.

Darüber hinaus werden oberflächenmodifizierte Nanodiamanten als "Medikamenten-Lieferanten" in lebenden Zellen untersucht. Über einen längeren Zeitraum soll der Weg des Diamanten verfolgt und mit hoher Präzision bestimmt werden. - Wer hätte gedacht, dass man eines Tages Diamanten zum Wohle der Gesundheit innen trägt. Marilyn Monroe sicher nicht.


Zu 3. Molekulare Motoren als Kraftmaschinen der Zukunft
Chemische Energie direkt in mechanische Arbeit umwandeln - bisher gibt es keine technischen Kraftmaschinen, die das können. In der Biologie dagegen ist das kein Problem. Der Muskel ist so eine "Kraftmaschine". Als biomolekularer Motor fungiert dabei das Myosin: ein Protein, das kleinste Bewegungen im Nanobereich über Aktinfilamente in makroskopische Kräfte umwandelt. Eine ähnliche biomolekulare Maschine wollen nun gemeinsam Dr. Stefan Diez, Professor Dr. Henry Hess, Professor Dr. Petra Schwille und Professor Dr. Frank Jülicher entwickeln. Ihr Ziel ist es, biomolekulare Motoren in großskaligen Anordnungen derart zu koppeln, dass makroskopische Kräfte erzeugt werden können.

Geplant ist eine lamellenartige Struktur, bei der die einzelnen Oberflächen abwechselnd mit Kinesin-Motorproteinen und einer dichten Anordnung paralleler Mikrotubuli-Filamente belegt sind. Ganz bewusst geht das Wissenschaftlerteam dabei von technischen Vorgaben aus und weicht von den Muskelbestandteilen ab: Kinesin kann einfacher als das Myosin des Muskels genetisch modifiziert werden und lässt sich günstig in Bakterien vermehren, und die Mikrotubuli sind 300 mal so steif wie die im Muskel sitzenden Aktinfilamente. Und so könnte es funktionieren: Die Kinesinmotoren nutzen die chemische Energie aus dem ATP und bewegen sich entlang der Mikrotubuli. Dadurch geraten auch die Oberflächen in Bewegung.

Doch wie immer steckt der Teufel im Detail. So müssen die Wissenschaftler zum einen austüfteln, wie sich die biomolekularen Motoren effizient an einzelne Filamente koppeln lassen; sie müssen ferner erarbeiten, wie planare, unipolar ausgerichtete Filamentanordnungen und passgenaue Oberflächen hergestellt werden können - und sie müssen letztlich herausfinden, wie man Multischichtsysteme herstellen kann, die Kraft und Geschwindigkeit multiplizieren.


Des Weiteren wurden bewilligt:

4.) 569.000 Euro für das Vorhaben "Antenna-based molecular optoelectronics" von Professor Dr. Bert Hecht vom Institut für Physik der Universität Würzburg und Professor Dr. Frank Würthner vom Institut für Organische Chemie II der Universität Würzburg;

5.) 520.600 Euro für das Vorhaben "Spin quantum computing based on endohedral fullerenes with integrated single-spin read-out via nitrogen vacancy centres in diamond" von Dr. Angelika Kühnle und Professor Dr. Michael Reichling vom Fachbereich Physik der Universität Osnabrück sowie Dr. Wolfgang Harneit vom Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin;

6.) 500.000 Euro für das Vorhaben "Optoelectronic FRET gates: electrically controlled accumulation of excitation energy for switches and sensors" von Professor Dr. Sigurd Höger vom Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn und Professor Dr. John M. Lupton vom Department of Physics der University of Utah, USA.

7.) 581.400 Euro für das Vorhaben "Nano-apertures loaded with individual molecules" von Professor Dr. Philip Tinnefeld vom Lehrstuhl Physik, Biophysik und Professor Dr. Hermann E. Gaub vom Lehrstuhl Physik, Biophysik & Molekulare Materialien, beide Universität München.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution458


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
VolkswagenStiftung, Dr. Christian Jung, 10.12.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2008