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BERICHT/163: Dialog über Wissenschaft und Frieden - Abschluss der 63. Nobelpreisträgertagung (idw)


Kuratorium für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau e.V. - 05.07.2013

Dialog über Wissenschaft und Frieden - Abschluss der 63. Nobelpreisträgertagung

• Friedensnobelpreisträger Ramos-Horta: "Die Wissenschaft muss der Menschheit dienen";
• Bischof Gunnar Stålsett: "In Lindau an einer Kultur des Friedens arbeiten";
• Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Bauer: "Wichtiges internationales Forum des Dialogs"



Mit zwei Podiumsdiskussionen auf der Bodenseeinsel Mainau endete am Freitag, dem 5. Juli, die 63. Lindauer Nobelpreisträgertagung. Dabei sprachen sich der Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta und der emeritierte Bischof von Oslo Gunnar Stålsett für einen regelmäßigen "Lindauer Dialog" über die Verantwortung von Wissenschaft und Forschung für den Frieden auf der Welt aus. Außerdem legten der Physiknobelpreisträger und ehemalige US-Energieminister Steven Chu sowie der mexikanische Chemienobelpreisträger Mario J. Molina und der deutsche Chemiker Michael Braungart dar, wie das Konzept der "Grünen Chemie" nachhaltig dazu beitragen kann, die chemische Produktion so ressourcenschonend, energieeffizient und umweltverträglich wie möglich zu gestalten. Turnusgemäß stand die Chemie im Mittelpunkt der zahlreichen Vorträge und Diskussionen der Lindauer Tagung. 34 Laureaten und mehr als 600 Nachwuchswissenschaftler aus fast 80 Ländern diskutierten eine Woche lang über Lösungsansätze der chemischen Forschung für drängende Aufgaben und Probleme in Bereichen wie der Energieversorgung, der Arzneimittelforschung oder dem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.

Vor den Tagungsteilnehmern und Ehrengästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft debattierten José Ramos Horta und Gunnar Stålsett über die Herausforderungen an Frieden und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert. Beide betonten die wichtige Rolle und die große Verantwortung von Wissenschaft und Forschung bei der Suche nach Lösungen für globale Probleme wie Umweltzerstörung, Klimawandel. "Die Wissenschaft hat das Potential, sowohl viel Gutes als auch sehr Schlechtes zu bewirken", stellte Stålsett fest. "Wissenschaftler und Forscher sollten sich ständig selbstkritisch fragen, inwiefern sie Teil der Probleme sind und wie sie Teil der Lösungen werden." An die Nachwuchswissenschaftler gewandt sagte Ramos-Horta: "Lernen, studieren und forschen Sie, um der Menschheit einen Dienst zu erweisen!" Ramos-Horta war von 2007 bis 2012 Präsident der Demokratischen Republik Timor-Leste (Osttimor). Für seine Bemühungen, eine friedliche Lösung im Osttimorkonflikt zu finden, wurde er 1996 zusammen mit Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Am 1. Januar 2013 wurde Ramos-Horta zum UN-Sonderbeauftragten für Guinea-Bissau ernannt. Gunnar Stålsett ist Mitglied des Norwegischen Nobelkomitees, das für die Verleihung des Friedensnobelpreises zuständig ist. Von 1998 bis 2005 war Stålsett Bischof des Bistums Oslo.

Zwar sind die Lindauer Tagungen seit 1951 im regelmäßigen Wechsel den naturwissenschaftlichen Nobelpreisdisziplinen Physiologie oder Medizin, Physik und Chemie sowie seit 2004 auch den Wirtschaftswissenschaften gewidmet, doch haben in der über 60jährigen Geschichte auch bereits einige Friedensnobelpreisträger hieran teilgenommen und das Themenspektrum den Intergenerationendialogs kontinuierlich erweitert. Künftig sollen Friedensnobelpreisträger im Rahmen des "Lindauer Dialogs" ein eigenes Forum erhalten, denn es sind gerade die Debatten über den Einfluss und über die Verantwortung von Wissenschaft und Forschung, die über den Kreis der Tagungsteilnehmer hinaus in die Gesellschaft hineinwirken.

An der zweiten Podiumsdiskussion des Tages, die dem Konzept der "Grüne Chemie" gewidmet war, nahmen Steven Chu, Mario Molina und Michael Braungart teil. Chu, dem 1991 der Physiknobelpreis verliehen wurde, gehörte bis April dieses Jahres dem ersten Kabinett von US-Präsident Barack Obama als Energieminister an. Der Mexikaner Mario Molina erhielt 1995 zusammen mit dem Niederländer Paul Crutzen und dem US-Amerikaner Frank Sherwood Rowland den Chemienobelpreis für die Erforschung der Ozonschicht. Der deutsche Chemiker Michael Braungart gilt als Entwickler des "Cradle-to-Cradle-Konzepts" eines umweltverträglichen Ressourcenkreislaufs und tritt für einen grundlegenden Wandel der Chemie ein. Gemeinsam diskutierten sie über Strategien, mit denen die chemische Produktion in Zukunft so ressourcenschonend, energieeffizient und umweltverträglich wie möglich gestaltet werden kann. Auf der Bodenseeinsel Mainau wurde bereits 1961 auf Initiative des Mitbegründers der Lindauer Tagungen, Graf Lennart Bernadotte, mit der "Grünen Charta von der Mainau" eine der ersten Initiativen für die Nachhaltigkeit verabschiedet. Der Nachhaltigkeitsgedanke gewann auch bei den Lindauer Tagungen zunehmend an Bedeutung. Traditionell befassen sich daher namhafte Experten aus Wissenschaft, Politik und Industrie zum Abschluss der Lindauer Tagungen mit Nachhaltigkeitsfragen.

Unter dem Motto "Your first step to Stockholm: Baden-Württemberg" hatte das Land Baden-Württemberg die Tagungsteilnehmer zu einer Bootsfahrt vom bayerischen Lindau zur baden-württembergischen Bodenseeinsel Mainau eingeladen. Theresia Bauer, Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, bezeichnete die Lindauer Nobelpreisträgertagung als ein wichtiges internationales Forum des Dialogs zwischen den Wissenschaftlergenerationen. An Bord des Bodenseeschiffs "MS Sonnenkönigin" präsentierten baden-württembergische Hochschulen und Forschungseinrichtungen aktuelle Arbeiten und Ergebnisse aus dem Bereich der Chemie. "Die vorgestellten Forschungsprojekte zeigen, dass Baden-Württemberg einen wertvollen Beitrag zur Bearbeitung der globalen Herausforderungen leisten kann", sagte Bauer.

In einem mehrstufigen internationalen Bewerbungs- und Auswahlverfahren, an dem dieses Jahr über 150 akademische Partnerinstitutionen aus der ganzen Welt beteiligt waren, hatte das Lindauer Kuratorium mehr als 600 besonders qualifizierte Studierende, Doktoranden und Postdoktoranden als Teilnehmer der Tagung ausgewählt und ihnen damit eine einzigartige Gelegenheit zum interkulturellen und generationenübergreifenden Wissens- und Ideenaustausch und zum Aufbau von Netzwerken eröffnet. Das Engagement der Nobelpreisträger, die alljährlich im Sommer unter dem Motto "Educate. Inspire. Connect." an den Lindauer Tagungen teilnehmen, gilt in erster Linie der Inspiration und Motivation der jungen Forscher, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Als hoch angesehene Redner, als offene Gesprächspartner in den zahlreichen Diskussionen und als Ratgeber und Mentoren in sogenannten Master Classes leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Förderung der Generation aufstrebender Wissenschaftler.

Über das Internet können Wissenschaftsenthusiasten auf der ganzen Welt am Geschehen der Tagungen und der Faszination der Laureaten teilhaben. In der Mediathek der Lindauer Nobelpreisträgertagungen findet man neben unzähligen Tonaufzeichnungen, Videos und Fotos aus ihrer über 60-jährigen Geschichte auch thematisch in Clustern angeordnete Erläuterungen, Hintergrundinformationen, Übersetzungen sowie Mini Lectures, die als Einführung in ausgesuchte Themen konzipiert sind. Auch die Vorträge und Podiumsdebatten der 63. Lindauer Tagung werden hier zu finden sein.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1115

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Kuratorium für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau e.V.,
Christian Schumacher, 05.07.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2013