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BERICHT/123: Forschungsschiff Polarstern startet Richtung Arktis (idw)


Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung - 05.06.2014

Forschungsschiff Polarstern startet Richtung Arktis

Veränderungen von Eisbedeckung, Ozeanströmungen und Auswirkungen auf die Lebewelt des Ozeans im Fokus



Am Freitagabend, den 6. Juni 2014, wird das Forschungsschiff Polarstern mit 52 wissenschaftlichen Expeditionsteilnehmerinnen und -teilnehmern von Institutionen aus fünf Ländern sowie 43 Crewmitgliedern Richtung Arktis starten. Ziel ist die Framstraße im Seegebiet zwischen Grönland und Spitzbergen. Sie bildet die einzige tiefe Verbindung zwischen Arktischem Ozean und Nordatlantik. Dort untersuchen die Forscher längerfristige physikalische, ozeanographische, chemische und biologische Veränderungen von der Atmosphäre bis in die Tiefsee.

Seit 15 Jahren betreibt das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), das Tiefseeobservatorium AWI-HAUSGARTEN westlich von Spitzbergen und seit etwa 17 Jahren ozeanographische Langzeitstudien in der nördlichen Framstraße bei 78,8° Nord.

Die ozeanographischen Arbeiten in der Framstraße haben zum Ziel, Änderungen des Wassermassen- und Wärmeaustauschs zwischen dem Nordpolarmeer und dem europäischen Nordmeer sowie dem Nordatlantik zu quantifizieren. AWI-Wissenschaftler messen in Zusammenarbeit mit dem Norwegischen Polarinstitut Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff und Meeresströmungen. Dazu setzen sie am Meeresboden verankerte und in der Wassersäule schwimmende Geräte ein. Diese Verankerungen müssen regelmäßig geborgen und neu ausgebracht werden, um die aufgezeichneten Daten auszulesen und die Batterien zur Stromversorgung auszutauschen. Die ozeanographischen Beobachtungen ermöglichen, die komplexe Zirkulation in der Framstraße besser zu verstehen. "Hierzu bringen wir jetzt erstmals zusätzliche Verankerungen auf dem Ostgrönlandschelf aus", berichtet Dr. Benjamin Rabe vom Alfred-Wegener-Institut. "Diese Messungen sollen den möglichen Einfluss warmen Wassers des Westspitzbergenstroms, auf einen ins Meer reichenden grönländischen Gletscher bei 79,5° Nord untersuchen", erläutert der Ozeanograph.

Die Wissenschaftler interessiert neben den Strömungsverhältnissen auch, welche organischen Stoffe mit dem Wasser beziehungsweise mit dem Meereis durch die Arktis transportiert werden. AWI-Forscher untersuchen dies unter anderem gemeinsam mit russischen Kollegen, sowie mit Forschern vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, im Projekt "Transdrift", das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird. "Wir wollen bilanzieren, welche Stoffe mit dem Meereis in die nährstoffarme Tiefsee eingetragen werden", sagt Expeditionsleiter Dr. Ingo Schewe. "Dazu bringen wir am Ostgrönlandhang Sinkstofffallen in verschiedenen Wassertiefen aus. Diese sammeln organisches Material aus Pflanzen- und Tierresten, das unter anderem beim Schmelzen des Meereises freigesetzt wird", so der Tiefseeökologe des Alfred-Wegener-Instituts weiter. Zusätzlich untersuchen Biologen, Geologen und Chemiker ökologische Vorgänge im Meereis sowie in der darunterliegenden Wassersäule und am Meeresboden. Ergänzend analysieren Atmosphärenforscher die arktische atmosphärische Grenzschicht.

Die Wissenschaftler vergleichen bei ihren späteren Auswertungen die Daten aus der Framstraße mit Werten aus der russischen Laptewsee. Letztere ist eine Meeresregion vor der sibirischen Küste. Einerseits wird dort viel Meereis gebildet. Andererseits wird durch die großen sibirischen Flüsse organisches Material zu den Küsten transportiert, wodurch das gefrierende Eis zusätzlich Nährstoffe aus den Küstensedimenten erhält. Die vergleichende Analyse der Daten aus Laptewsee und Framstraße soll Rückschlüsse darüber ermöglichen, wie diese Ein- und Ausgangsregionen der transpolaren Eisdrift miteinander gekoppelt sind.

Bisher hatten die AWI-Tiefseeforscher ihre Langzeitbeobachtungen und Experimente im HAUSGARTEN am Kontinentalhang westlich Spitzbergens konzentriert. Zukünftig wollen sie auch die Ostküste Grönlands stärker in den Fokus nehmen. Hier strömt das kalte Wasser aus dem Arktischen Ozean in den Nordatlantik, während bei Spitzbergen wärmeres Atlantikwasser nach Norden in die Arktis fließt. Komplementär zum HAUSGARTEN wollen Forscher des Helmholtz-geförderten FRAM-Konsortiums feste Stationen in der Wassersäule und am Meeresgrund zwischen 2.500 und 1.000 Metern Wassertiefe einrichten. So wollen sie die ökologischen Konsequenzen des Klimawandels in diesen beiden Schlüsselregionen der Framstraße erforschen. Auf der jetzigen Polarstern-Expedition werden dazu erste Instrumente getestet und ausgebracht.

"Ich freue mich, dass es endlich losgeht", sagt Expeditionsleiter Ingo Schewe, der mit seinem Team eigentlich schon Mitte Mai in die Arktis starten wollte. Bei der routinemäßigen Wartung der Polarstern in Bremerhaven zeigten die Lager einer Antriebswelle jedoch Verschleißerscheinungen, die einen Austausch erforderten. So mussten die Mitarbeiter von Werft, Reederei und AWI-Logistik sowie die Forscher darauf warten, dass neue Lager angeliefert, eingebaut und getestet werden konnten. "Ich bin froh, dass der Schaden hier frühzeitig entdeckt und entsprechend reagiert wurde. Dank der Flexibilität aller Beteiligten können wir unser Forschungsprogramm trotz einiger Anpassungen jetzt hoffentlich erfolgreich durchführen", so Schewe. Die Expedition soll planmäßig am 3. Juli im norwegischen Troms¢ enden.


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Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

Weitere Informationen unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung,
Ralf Röchert, 05.06.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2014