GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel - 10.12.2015
Der Weg des Wassers am Kap der Guten Hoffnung - Meeresströmungen einer Schlüsselregion rekonstruiert
Dem Agulhasstrom um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas kommt eine Schlüsselfunktion im System der globalen Meeresströmungen zu. Es fehlen jedoch langzeitliche Beobachtungsdaten, die notwendig sind, um natürliche Schwankungen und von Menschen verursachte Veränderungen zu unterscheiden. Mit einer Kombination aus mehreren Computermodellen und vorhandenen Beobachtungen konnten Ozeanographen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel jetzt erstmals das Verhalten des Agulhasstroms seit 1870 rekonstruieren. Die Studie erscheint in der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications.
Wie ein globales Förderband transportieren die großen Meeresströmungen
Wärmeenergie durch alle Weltozeane. Ein Teil dieser Zirkulation, das
Golfstromsystem, sorgt beispielsweise für ein mildes Klima in Nordeuropa.
Doch im Detail betrachtet ist das Förderband kein gleichmäßig arbeitendes
System. Es besteht vielmehr aus vielen Einzelkomponenten, die ständigen
Schwankungen unterworfen sind und auf ganz unterschiedliche Weise
zusammenhängen. Eine der Schlüsselstellen ist dabei die Südspitze Afrikas,
wo der Agulhasstrom aus dem Indischen Ozean auf den Atlantischen Ozean
trifft. Ozeanographen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung
Kiel konnten jetzt zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus den USA und
Großbritannien erstmals das Verhalten dieses Stromsystems seit 1870
rekonstruieren. "Solche Langzeitstudien sind wichtig, um von Menschen
verursachte Änderungen der Meeresströmungen von natürlichen Schwankungen
unterscheiden zu können", sagt Prof. Dr. Arne Biastoch vom GEOMAR. Er ist
Erstautor der Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift
Nature Communications erscheint.
Der Agulhasstrom ist eine der weltweit stärksten Meeresströmungen. Er transportiert bis zu 70 Millionen Kubikmeter warmes, salzhaltiges Wasser pro Sekunde entlang der südafrikanischen Küste im Indischen Ozean nach Süden. "Das ist eine gewaltige Menge. Zum Vergleich: Alle Flüsse der Erde zusammen transportieren nur eine Million Kubikmeter Wasser pro Sekunde", erklärt Professor Biastoch. Südlich von Afrika knickt die Strömung dann abrupt ab und ändert ihre Richtung wieder in den Indischen Ozean. Ein Teil der Wassermassen wird dabei allerdings vom Hauptstrom getrennt, bildet riesige Wirbel und driftet westwärts in den Atlantik. "Wir nennen diese Wirbel Agulhasringe oder auch 'Agulhas leakage'. Die Wirbel haben Durchmesser von bis zu 200 Kilometern und reichen bis in über 1000 m Tiefe. Schon in früheren Studien konnten wir zeigen, dass sie eine wichtige Quelle von warmem, salzhaltigem Wasser für den Atlantik sind", erklärt der Ozeanograph.
Da das Agulhasstromsystem ohnehin sehr dynamisch ist und die Wirbel nicht permanent auftreten, ist eine Vermessung vor Ort äußerst schwierig. "Lange Zeitreihen von Messdaten gibt es weder aus dem Agulhasstrom noch von den Agulhasringen", so Dr. Jonathan Durgadoo, Ko-Autor der Studie. Um trotzdem einen Blick in die Geschichte des Agulhasstroms und seiner Ringe werfen zu können, haben die beteiligten Experten jetzt Simulationen des Ozeans und der Atmosphäre aus mehreren Computermodellen mit vorhandenen Messwerten kombiniert. Ozeanograph Durgadoo ergänzt: "Am besten sind die Temperaturen an der Wasseroberfläche dokumentiert. Sie werden schon seit dem 19. Jahrhundert gemessen - zunächst mit gefierten Eimern von Schiffen aus, heutzutage mit Satelliten". Für die Computersimulationen griff das Team auf hochauflösende Modelle zurück. "Der Rechenaufwand dieser modernen Modelle ist so hoch, dass sogar die derzeit leistungsstärksten Supercomputer, darunter Rechner in Kiel und Stuttgart, mehrere Monate beschäftigt waren", sagt Dr. Durgadoo.
Alle Modelle zeigten ein ähnliches Verhältnis zwischen den Oberflächentemperaturen und der Menge des warmen Wassers, das mit den Agulhasringen in den Atlantik gelangt. Die lange Rekonstruktion zeigte ferner, dass der Wassermassentransport in den Atlantik auch von den Windsystemen über dem südlichen Ozean beeinflusst wird. "Aus anderen Studien wissen wir bereits, dass sich diese Systeme im Verlauf des Klimawandels ändern könnten. Das hätte dann Einfluss auf die Versorgung des Atlantiks mit warmem, salzhaltigem Wasser, und letztendlich auch auf das Golfstromsystem", betont Arne Biastoch. Zukünftige Studien müssen zeigen, welchen Einfluss diese Schwankungen auf die Stärke des globalen Förderbands haben können. "Das ist eine Rechenaufgabe, die wir wieder nur mit Hilfe von Supercomputern lösen können", sagt Professor Biastoch.
Originalarbeit:
Biastoch, A., J. V. Durgadoo, A. K. Morrison, E van Sebille, W. Weijer,
S. M. Griffies (2015):
Atlantic Multi-decadal Oscillation covaries with Agulhas leakage.
Nature Communications,
https://dx.doi.org/10.1038/ncomms10082
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel,
Dr. Andreas Villwock, 10.12.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2015
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