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GEBIRGE/003: Aufstieg und Fall der Anden (idw)


MARUM_Forschungszentrum Ozeanränder, Universität Bremen - 12.02.2007

Aufstieg und Fall der Anden

Bremer Meereswissenschaftler interpretieren Geschichte des Gebirges mit Daten aus dem Meer


In der aktuellen Ausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins GEOLOGY beschäftigen sich Bremer und Potsdamer Wissenschaftler mit der geologischen Geschichte der Anden. Sie weisen nach, dass Meeresablagerungen sehr gut geeignet sind, um die Umweltgeschichte der südamerikanischen Kordilleren über Zehntausende von Jahren zurück zu verfolgen. Zudem belegen die Sedimente, dass insbesondere in den südlichen Anden die Niederschlagsmengen zwischen Warm- und Kaltzeiten erheblich schwankten - was wiederum die Erosionsgeschwindigkeit des Gebirges beeinflusst.

Die Anden sind eine der imposantesten Gebirgsketten weltweit. Gut 7.500 Kilometer erstrecken sie sich entlang der südamerikanischen Pazifikküste. Aufgefaltet wird das Gebirge durch den Zusammenstoß zweier Erdplatten. Seit etwa 150 Millionen Jahren schiebt sich die pazifische Nazca-Platte unter die kontinentale südamerikanische Platte. Seewärts ist diese Knautschzone durch einen bis zu acht Kilometer tiefen untermeerischen Graben geprägt. Aus diesem Tiefseegraben steigen die Anden steil in Höhen von fast sieben Kilometern auf.

Wie jedes Gebirge unterliegen auch die Anden einer schleichenden Erosion. Regen und Schmelzwasser dringen in feine Haarrisse ein, gefrieren, dehnen sich dabei aus und sprengen so den Fels. Da sich dieser Prozess - wie die Gebirgsbildung selbst - über Jahrmillionen hinzieht, ist es nicht leicht, die Erosionsraten zu bestimmen.

"Wir wollten herausfinden, inwieweit sich die Erosionsgeschwindigkeit zwischen Warm- und Kaltzeiten unterscheidet", erklärt Prof. Dierk Hebbeln vom Bremer MARUM. "Deshalb haben wir auf zwei Expeditionen mit dem Forschungsschiff SONNE vor der chilenischen Küste Meeresablagerungen beprobt", sagt Meeresgeologe Hebbeln. Anhand der aus bis zu 4.000 Metern Wassertiefe gewonnenen Sedimentkerne wurde in den heimischen Labors bestimmt, wie viel Material vor der chilenischen Küste pro Tausend Jahre abgelagert wird, also um wie viele Zentimeter der Meeresboden in diesem Zeitraum anwächst. "Diese so genannten Sedimentationsraten mussten wir natürlich noch um den Anteil jener Ablagerungen bereinigen, die aus dem Meer selbst stammen. Schließlich interessierte uns nur der aus den Anden ins Meer gespülte Erosionsschutt", erklärt Expeditionsleiter Prof. Hebbeln.


Die Untersuchungen ergaben,

1. Betrachtet man den Zeitraum seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, ergibt sich, dass die Erosion an Land bzw. die Ablagerungsraten im Meer entscheidend von den Niederschlagsmengen bestimmt werden. So wurde während der letzten 24.000 Jahre im feuchten Süden Chiles durchschnittlich zehnmal mehr Erosionsmaterial abgelagert als weiter nördlich vor der extrem trockenen Atacama-Wüste.

2. Vergleicht man das Erosionsgeschehen zwischen der letzten Eiszeit und der jetzigen Warmzeit, zeigt sich, dass die Ablagerungsraten während der Kaltzeit bis zu dreimal höher waren als in der jetzigen Warmzeit. "Das hängt mit einer klimabedingten Verschiebung der Niederschlagsgebiete zusammen", stellt Prof. Hebbeln fest. "Heute bescheren die Westwinde nur dem Süden Chiles erhebliche Niederschläge. Während der letzten Eiszeit dagegen dehnte sich der antarktische Eispanzer aus. In der Folge verschoben sich Klimazonen mitsamt der Regen bringenden Westwindzone um etwa 550 Kilometer gen Norden Richtung Mittelchile."

3. Die Meeresablagerungen spiegeln auch regionale Klimaphänomene wider: Sie belegen, dass die Sedimentationsmuster im südlichen Chile nicht nur durch erhöhte Niederschläge sondern zusätzlich durch den patagonischen Eisschild beeinflusst wurde, der diese Region vor rund 20.000 Jahren bedeckte.

"Wir zeigen mit unserer Arbeit, dass die Meeresablagerungen die geologischen Prozesse an Land sehr gut widerspiegeln", bilanziert Prof. Hebbeln: "Weltweit lagern in geowissenschaftlichen Instituten viele Sedimentkerne, die vor gebirgigen Küsten gewonnen wurden. Aus denen ließen sich vermutlich auch die Erosionsgeschichte anderer Gebirge nachzeichnen - ohne dass gleich eine neue Schiffsexpedition organisiert werden müsste."

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Prof. Dierk Hebbeln
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
MARUM_Forschungszentrum Ozeanränder, Universität Bremen,
Albert Gerdes, 12.02.2007
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2007