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FORSCHUNG/190: Einfluß des Klimas auf die Evolution des Menschen (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 10-12/07

Knochenjob bei sengender Sonne
Martin Trauth erforscht den Einfluss des Klimas auf die Evolution des Menschen

Von Bettina Micka


In einer gottverlassenen Gegend in Kenia, zwischen den Fronten verfeindeter Volksstämme, suchten im vergangenen Sommer Privatdozent Dr. Martin Trauth vom Institutfür Geowissenschaften und seine Kollegen nach den klimatischen Einflussfaktoren für die entscheidenden Schritte auf dem Weg zum Menschen. Die Mühen und Gefahren der zweiwöchigen Expedition haben sich für die Wissenschafller gelohnt. Sie fanden weitere Indizien dafür, dass entgegen der lange Zeit vorherrschenden Theorie nicht Trockenheit, sondern feuchtes, aber wechselhaftes Klima die Menschheitsentwicklung begünstigt hat.


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Suguta Valley in Kenia - das ist kein Ort für Touristen. Das Tal ist eine der heißesten Gegenden auf der Erde und so unzugänglich, dass die Wissenschaftler es nur mit dem Hubschrauber erreichen konnten. Dabei ist die Gegend keineswegs unbewohnt. Das macht sie jedoch nicht einladender - im Gegenteil: "Immer wieder tragen hier verfeindete Volksstämme, die sich gegenseitig das Vieh stehlen, ihre Konflikte sogar mit automatischen Waffen aus", berichtet Martin Trauth. Doch er und seine Kollegen hatten Glück. Die streitlustigen Bewohner hielten den dunkelblauen Hubschrauber für einen Polizeihubschrauber und zogen sich zurück, wo immer er auftauchte. Das Camp des zehnköpfigen Forscherteams aus sechs Ländern lag rund 40 Kilometer vom Suguta Valley entfernt. Hier sorgten eine Crew von zwanzig einheimischen Helfern für das Wohlergehen und die Sicherheit der Forscher und trugen mit Gesangseinlagen zur guten Stimmung bei.

Afrika, und hier insbesondere der ostafrikanische Grabenbruch, gilt schon seit langem als Wiege der Menschheit. Entscheidende evolutionäre Umbrüche auf dem Weg zum Menschen versuchen Wissenschaftler unter anderem mithilfe klimatischer Veränderungen zu erklären. Der erste Vertreter der Gattung Mensch, Homo rudolfensis, betrat vor zirka 2,6 Millionen Jahren die Bühne des Lebens. Dieser Urmenschentyp fertigte als erster Faustkeile an. Vor 1,8 Millionen Jahren entstand Homo erectus. Seine Werkzeuge waren qualitativ schon deutlich besser und vielfältiger. Er nutzte das Feuer und wanderte als erster aus Afrika aus. Bislang gingen Geowissenschaftler und Paläoanthropologen davon aus, dass diese und andere entscheidende Veränderungen durch eine zunehmende Trockenheit im Lebensraum unserer Vorfahren begünstigt wurden.

Untersuchungen von Trauth und anderen Forscherteams an Sedimenten entlang des Grabenbruchs haben in den letzten Jahren diese Hypothese ins Schwanken gebracht, denn sie lieferten Hinweise auf zahlreiche ausgedehnte Seen in den relevanten Zeiträumen. So fanden die Wissenschaftler im Suguta Valley Hinweise auf einen 280 Meter tiefen Süßwassersee von der dreifachen Größe des Bodensees, während dort heute ein nur kleiner und bis fünf Meter tiefer Salzwassersee existiert. Das Klima muss zur Entstehungszeit dieses Sees also deutlich feuchter gewesen sein als heute. Allerdings gibt es auch Indizien, dass die Stärke des Monsunregens in Zyklen von zirka 20.000 Jahren immer wieder stark schwankte.

Martin Trauth und sein Kollege Prof. Dr. Mark Maslin vom University College London entwickelten aus den Befunden die "Große-Seen-Hypothese", die sie vor zwei Jahren in der Fachzeitschrift Science erstmals der Öffentlichkeit vorstellten. "Unsere Vorfahren lebten in einer Umgebung mit großen Seen, deren Ausdehnung aber über relativ kurze Zeiträume stark schwankte", erläutert Trauth. Wenn das Klima variabel ist, setzen sich Generalisten durch, also diejenigen, die sich nicht an ganz spezifische Umweltbedingungen angepasst haben, und deshalb mit Veränderungen besser umgehen können. Bisher klafft allerdings noch eine 200 Kilometer lange Lücke in der Beweiskette: das Suguta Valley. Diese Lücke zu schließen, ist das Ziel des von der DFG im Rahmen des Graduiertenkollegs "Interaction between Tectonics, Climate and Biosphere in the African-Asian Monsoonal Region" und eines weiteren DFG geförderten Projekts im Norden Kenias.

In monatelangen Vorarbeiten wählten die Geologen die Untersuchungsgebiete anhand von Satellitenbildern sowie bis in das 19. Jahrhundert zurückreichenden Expeditionsberichten aus. Vor Ort ging es dann jeden Morgen um halb sieben mit dem Hubschrauber ins Suguta Valley. Die zwei Teams mit unterschiedlichen Aufgaben wurden von Martin Trauth beziehungsweise seinem Kollegen Prof. Manfred Strecker geführt. Punktgenau wurden sie an ihren jeweiligen Einsatzorten im Gelände abgesetzt. Dort erstellten die Forscher geologische Karten der etwa 90 mal 30 Kilometer großen Region, vermaßen Strandlinien früherer Seen mittels des sehr genauen Differential-GPS und kartierten kilometerlange tektonische Bruchstrukturen, die das alte Seebecken begrenzen.

Schon etwa gegen zehn Uhr wurde es unerträglich heiß und das Arbeiten zur Tortour. "Von einigen Kollegen wurde ich während der Vorbereitungen der Expedition dafür belächelt, dass ich groge Regenschirme mitnahm", erinnert sich der Geologe. "Sehr schnell zeigte sich aber, dass sie bei der Arbeit im Gelände als Sonnenschutz unentbehrlich waren."

Während der zweiwöchigen Expedition nahmen die Wissenschaftler hunderte von Sedimentproben, die Millionen Jahre alten Ablagerungen von ehemaligen Seen im Suguta Valley. Darin finden sich fossile Kieselalgen, die dem Experten viel über das Ökosystem, in dem sie lebten, "erzählen" können, denn die verschiedenen Arten kommen unter unterschiedlichen Umweltbedingungen vor. Manche benötigen beispielsweise mehr Licht als andere. Das können die Forscher aus Vergleichen mit heutigen See-Ökosystemen ableiten. Ist beispielsweise der Wasserspiegel zu hoch, sterben deshalb einige Arten der am Seeboden lebenden Kleinstlebewesen. In einer Sedimentschicht, in der diese Arten nicht vorkommen, muss daher der Wasserstand hoch und das Klima feuchter gewesen sein. "Unsere Untersuchungsbefunde aus dem Suguta Valley passen zu den neueren Untersuchungen an anderen Stellen im ostafrikanischen Grabenbruch und bestätigen unsere Große-Seen-Hypothese", resümiert Martin Trauth. Die Ergebnisse der Expedition will er demnächst in dem Fachmagazin journal of Human Evolution veröffentlichen.


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 10-12/07,
Oktober-Dezember 2007, Seite 38-39
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2007