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FORSCHUNG/216: Klimasignale im südlichen Ozean (idw)


Leibniz-Institut für Meereswissenschaften - 23.11.2008

Klimasignale im südlichen Ozean


Die Westwinde im südlichen Ozean nehmen infolge der globalen Erderwärmung zu. Doch wie reagiert die weltweit stärkste Meeresströmung, der antarktische Zirkumpolarstrom darauf? Kieler Meeresforscher konnten jetzt aus einer Flotte von frei im tiefen Ozean schwebenden Messrobotern überraschende Erkenntnisse gewinnen. Die Messungen bestätigen zwar die von Klimamodellen vorhergesagte Erwärmung und Salzgehaltsabnahme des Südpolarmeers bis in Wassertiefen von über 1000 m. Der Zirkumpolarstrom veränderte sich jedoch nicht: offenbar wird der verstärkte Windantrieb durch kleinräumige Wirbel kompensiert, ein Prozess, den Klimamodelle bisher nicht angemessen berücksichtigen.

Der antarktische Zirkumpolarstrom ist die Meeresströmung im Weltozean mit dem größten Wassertransport. Die starken Westwinde zwischen 40 und 60 Grad südlicher Breite treiben etwa 140 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde um den antarktischen Kontinent (dies entspricht nahezu dem fünffachen Transport des Golfstroms). Gleichzeitig finden entlang dieses Strömungsbandes tief reichende Vertikalbewegungen statt, welche einen erhebliche Teil des von uns Menschen in die Atmosphäre eingebrachten Kohlendioxids in die Tiefsee verfrachten und dadurch die globale Erwärmung dämpfen. Bisherige Untersuchungen zur Reaktion dieser Schlüsselregion auf die sich verändernden atmosphärischen Bedingungen litten wegen der enormen Anforderungen für Schiffs-Einsätze unter den extremen, unwirtlichen Bedingungen des Südpolarmeeres an einem erheblichen Mangel an Messungen.

"In unserer Studie haben wir die in den letzten Jahren durch das internationale "Argo"-Programm gewonnenen Daten verwendet", erklärt Prof. Claus Böning vom IFM-GEOMAR in Kiel. Argo besteht aus einem über alle Weltmeere verteilten Netz von Messrobotern, die frei im Ozean schweben und durch regelmäßiges Auf- und Abtauchen autonom Temperatur- und Salzgehaltsmessungen bis in Tiefen von 2000 Metern vornehmen. Die Messwerte werden per Satellit an Landstationen übermittelt. "Insgesamt konnten wir für unsere Studie 52.000 Vertikalprofile von über 600 Argo-Driftern im Südpolarmeer nutzen und mit historischen Schiffsmessungen vergleichen", erläutert Diplom-Ozeanographin Astrid Dispert, die für diese Analyse zusätzlich umfangreiche Archive des australischen Meeresforschungszentrums in Hobart, Tasmanien mit einbezog.

Die verbesserte Datenbasis ermöglicht eine Bestandsaufnahme der Veränderungen im Zirkumpolarstrom über die letzten vier Jahrzehnte. Zwar ist im Südpolarmeer entsprechend der Klimamodellvorhersagen ein Anstieg der Wassertemperaturen bei gleichzeitigem Rückgang des Salzgehaltes zu erkennen. Die Daten zeigen jedoch im Gegensatz zu den Klimamodellen keine signifikante Veränderung der Wassertransporte. "Dieser Befund und unsere theoretischen Arbeiten deuten darauf hin, dass die Rolle der kleinräumigen ozeanischen Wirbel in den Modellen bislang nicht richtig erfasst ist" erklärt Prof. Böning und folgert, dass "für zukünftige Klimaprognosen Simulationen mit verbesserten, hochauflösenden Ozeanmodellen erforderlich sind".

"Neben den Simulationen benötigen wir natürlich auch weitere Messungen", ergänzt Prof. Martin Visbeck vom IFM-GEOMAR. "Mit dem internationalen Argo-Programm ist es uns gelungen, kontinuierlich Daten von weltweit mehr als 3000 Tiefendriftern zur Verfügung zu haben. Das ist ein Quantensprung in der Ozeanbeobachtung, der uns zusammen mit hochauflösenden Modellen neue Erkenntnisse über langfristige Veränderungen im Ozean ermöglichen wird". Wenn sich das Ergebnis der Kieler Studie erhärtet, wäre dies in einer Hinsicht eine gute Nachricht: Bislang stellte das Südpolarmeer eine große ozeanische Senke für anthropogenes Kohlendioxid dar und dämpfte damit maßgeblich den Anstieg der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre. Die Ergebnisse von Klimamodellen ließen befürchten, dass infolge von Zirkulationsänderungen durch die sich verstärkenden Westwinde die Ozeansenke abnimmt. Jetzt sind höher auflösende Modellstudien gefragt: Sie sollen klären, ob die kleinräumigen Prozesse, die in den bisherigen Simulationen nur unzureichend berücksichtigt werden konnten, für die überraschende Resistenz des Zirkulationsstroms verantwortlich sind.

Die Studie entstand in Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern des IFM-GEOMAR und dem australischen Zentrum für Klimaforschung in Hobart, Tasmanien.

Originalarbeit:
Böning, C.W., A. Dispert, M. Visbeck, S. Rintoul and F.U. Schwarzkopf, 2008: The response of the Antarctic Circumpolar Current to recent climate change. Nature Geoscience, doi: 10.1038/ngeo362, advanced online publication.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel, Dr. Andreas Villwock,
23.11.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2008