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FRAGEN/001: Läßt sich das Klima mit technologischen Mitteln gezielt beeinflussen? (UniSpiegel - Heidelberg)


UniSpiegel Universität Heidelberg - 1/2010, Februar 2010

Herr Prof. Goeschl, wir haben da eine Frage ...

Lässt sich das Klima mit technologischen Mitteln gezielt beeinflussen?


Wieso, weshalb, warum? Ohne Fragen keine Wissenschaft. Die Redaktion des unispiegel nimmt diesen Grundsatz ernst und bittet Heidelberger Wissenschaftler um Antworten.


Selbstverständlich. Durch ungebremste Emissionen von Treibhausgasen beeinflussen wir ja bereits jetzt das Klima. Diese Beeinflussung ist jedoch ungewollt und in ihrer Richtung unerwünscht. Wollte man das globale Klimasystem zielgerichtet in die andere Richtung verändern, stehen in der Tat Technologien zum sogenannten "Climate Engineering" zur Verfügung. Eine Möglichkeit besteht darin, der Atmosphäre Treibhausgase zu entziehen: Aufwendige Filteranlagen oder ambitionierte Aufforstungsprogramme können das im Prinzip erreichen. Diese Technologien sind ihrer Wirkung nach relativ berechenbar, allerdings auch sehr kostspielig und langsam in der Wirkung. Eine andere Option besteht in der Manipulation des Strahlungshaushalts der Erde, damit trotz höherer Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre die Temperatur nicht unannehmbar ansteigt. Eine hellere Erde wäre - einfach gesprochen - kühler. Nun lässt sich unser Planet nicht einfach weiß anstreichen, aber mit verschiedenen Mitteln "aufhellen". So ist es zum Beispiel denkbar, Wolken weißer zu machen oder - die populärste Idee - Aerosole, also kleinste Partikel, hoch über der Erde zu platzieren, um die Reflektivität zu erhöhen. Dass eine Abkühlung auf diese Art im Prinzip funktioniert, wissen wir von Vulkanausbrüchen wie dem Mount Pinatubo 1991. Das Attraktive an diesen Ideen ist, dass sie - sofern machbar - schnell wirken. Zu bedenken ist allerdings, dass diese Technologien weder das Grundproblem der erhöhten Treibhausgaskonzentration lösen können noch in ihren Risiken und Nebenwirkungen umfassend verstanden sind.

Fast noch wichtiger aber als die Frage der Machbarkeit ist jene der Wünschbarkeit. Diese Frage steht im Mittelpunkt eines interdisziplinären Forschungsprojekts mit dem Titel "The Global Governance of Climate Engineering", das Ende 2009 am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg gestartet wurde. Dass ich als Wirtschaftswissenschaftler daran teilnehme, dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits wollen wir die Frage beantworten, wie viel die Gesellschaft in solche technologische Optionen investieren sollte; die technologischen und klimatologischen Unsicherheiten stellen uns da vor reizvolle methodische Herausforderungen. Andererseits verändert die Machbarkeit dieser Optionen die strategischen Anreize für Länder, bei internationalen Abkommen wie etwa Kyoto zur Reduzierung von Treibhausgasen wirklich mitzumachen. Diese Veränderungen und ihre Auswirkungen wollen wir möglichst frühzeitig verstehen.

Ähnlich faszinierende Frage beschäftigen auch die anderen Wissenschaftler, die gemeinsam mit uns an diesem Thema arbeiten. Neben Ökonomen sind das Umweltphysiker, Geographen, Psychologen, Politologen, Völkerrechtler und Philosophen. Sie bilden in diesem Projekt ein interdisziplinäres Team mit zwei gemeinsamen Zielen: Erstens wollen wir die Herausforderungen des Climate Engineering an die Gesellschaft zunächst in ihrer Gesamtheit, aber auch in ihren Nuancen verstehen; zweitens wollen wir über die Institutionen nachdenken, mit deren Hilfe diese Aufgabe bewältigt werden kann. Das macht Climate Engineering zu einer komplexen Herausforderung und zu einem Brennpunkt interdisziplinärer Forschung.


Prof. Timo Goeschl, Ph.D., Jahrgang 1970, ist seit 2005 Inhaber des Lehrstuhls für Umweltökonomik am Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften und leitet dort das Forschungszentrum für Umweltökonomik.

Nach der Promotion in Cambridge und einem Postdoc-Aufenthalt am University College London lehrte der gebürtige Österreicher vor seinem Wechsel nach Heidelberg an der University of Cambridge und der University of Wisconsin-Madison. Als ehemaliger Fellow des Marsilius-Kollegs ist Timo Goeschl einer der Koordinatoren des Projekts "The Global Governance of Climate Engineering", das für eine Laufzeit von drei Jahren eingerichtet wurde.


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Quelle:
UniSpiegel - Universität Heidelberg 1/2010
42. Jahrgang, Februar 2010, Seite
Herausgeber:
Der Rektor der Ruprecht-Karls-Universität
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2010