Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → PHYSIK

ASTRO/266: Durchbruch in der Astroteilchenphysik (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 27.11.2014

Durchbruch in der Astroteilchenphysik



Die Astrophysiker Thomas Bretz und Daniela Dorner haben einer neuartigen Kameratechnologie zum Durchbruch verholfen. Sie ermöglicht erstmals eine lückenlose Beobachtung von Quellen kosmischer Gammastrahlung auch bei hellem Mondlicht. Diese Leistung wird jetzt mit einem Preis gewürdigt.

Große Freude in der Würzburger Astrophysik: Die Wissenschaftlerin Daniela Dorner (35) wird ausgezeichnet, und zwar gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Bretz (40), der einige Jahre seiner Forscherkarriere an der Uni Würzburg verbracht hat. Die beiden teilen sich den mit 7.500 Euro dotierten Gustav-Hertz-Preis 2015. Das gab die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) am 27. November bekannt. Überreicht werden die Preise im März 2015 in Berlin.

Die zwei Preisträger hätten der Astroteilchenphysik durch ihre Beiträge zur Verbesserung von Tscherenkow-Teleskopen "einen originellen und zukunftsweisenden Impuls" gegeben, wie es in der Laudatio der DPG heißt. Dieser Erfolg gelang Bretz und Dorner im Rahmen des deutsch-schweizerischen Projekts FACT (First Geiger-Mode Avalanche Photodiode Cherenkov Telescope), an dem auch Wissenschaftler der TU Dortmund, der ETH Zürich und der Universität Genf beteiligt sind.


Worin die Herausforderung lag

Tscherenkow-Teleskope für die Beobachtung kosmischer Gammastrahlung beruhten bislang auf dem Nachweis einzelner Photonen mit so genannten Photomultiplier-Röhren. Diese Photosensoren benötigen Hochspannung im Kilovoltbereich und lassen sich bei Teleskopen unter freiem Himmel daher nur mit großem Aufwand betreiben. Außerdem sind sie bei hellem Mondlicht überlastet und müssen dann abgeschaltet werden. So kommt es regelmäßig zu Datenlücken.

Eine kontinuierliche Beobachtung ist aber gerade bei veränderlichen astronomischen Quellen wichtig. Besonders aktive Galaxienkerne zeigen extreme Helligkeitsschwankungen, die für das Verständnis physikalischer Prozesse in der Nähe Schwarzer Löcher wichtig sind. Um hier einen Fortschritt zu erzielen, waren hoch empfindliche Photosensoren nötig, die wenig Strom und keine Hochspannungsversorgung brauchen, gleichzeitig aber eine Nanosekunden-Zeitauflösung besitzen.


Ungewöhnliche Idee umgesetzt

Angesichts dieser Herausforderung half eine Idee des kürzlich verstorbenen Physikers Eckart Lorenz vom Max-Planck-Institut für Physik in München weiter: Man könne versuchen, eine Kamera mit Halbleiter-Photosensoren auf Siliziumbasis für ein Tscherenkow-Teleskop zu entwickeln. Dieser Vorschlag erschien zunächst ungeeignet und viele Experten rieten davon ab.

Dennoch entschlossen sich Thomas Bretz und Daniela Dorner mit der FACT-Kollaboration, den Schritt zu wagen: Sie entwickelten eine entsprechende Kamera, die an der ETH Zürich gebaut wurde, und installierten sie in einem Teleskop auf der Kanareninsel La Palma, im Observatorium auf dem Berg Roque de los Muchachos, 2200 Meter über dem Meeresspiegel.


Was den Preisträgern gelang

Dieser FACT-Kamera macht ein Zuviel an Mondlicht nichts aus. Bretz gelang es, die Kamera so zu optimieren, dass sie unter anderem in Sachen Datenqualität deutlich besser ist als die bislang eingesetzte Technik. Den weitaus höheren Datenstrom aus dieser Kamera konnte dann Dorner mit Datenbanken "zähmen". Durch ein ausgeklügeltes Rückkopplungsystem erreichten die beiden zudem eine gleichbleibend hohe Konsistenz der Daten.

Die Software bereiteten sie so vor, dass ein reibungsloser Observatoriumsbetrieb mit der neuen Teleskop-Technik möglich war. Schon nach einer kurzen Einweisung ist es selbst einem Laien möglich, mit dem Teleskop astronomische Gammaquellen zu beobachten, etwa den Krabben-Nebel, ein 1000 Jahre alter Supernova-Überrest im Sternbild Stier, oder den rund 500 Millionen Lichtjahre entfernten aktiven Galaxienkern Markarian 421 im Sternbild Großer Bär.

Wirklichkeit wurde auch, was ursprünglich als Jux der Preisträger gedacht war: Die Beobachtungen mit dem neuen System lassen sich über ein Smartphone-Interface steuern. Denn Bretz und Dorner ist es gelungen, die komplexe Funktionalität der FACT-Technik wie bei einem Schweizer Taschenmesser einzukapseln und zu automatisieren.


Wo die neue Technik eingesetzt wird

Zum Einsatz soll die neue Technik auch beim MAGIC-Teleskopsystem der Europäischen Nordsternwarte auf La Palma kommen. Am Betrieb von MAGIC ist das Team des Würzburger Astronomie-Lehrstuhlinhabers Karl Mannheim maßgeblich beteiligt. "Die neue Kamera gilt inzwischen als bewährte Technologie", sagt der Professor. Sie werde darum auch bei zukünftigen Großgeräten wie dem Cherenkov Telescope Array (CTA) eingesetzt, das voraussichtlich 2020 in Betrieb gehen soll.

Vielleicht kann mit FACT eines Tages auch die Idee verwirklicht werden, die die beiden Preisträger schon vor Jahren umtrieb: Ein Netzwerk von weltweit verteilten Tscherenkow-Teleskopen soll die Datenlücken schließen, die sich durch die Erdrotation ergeben. Wenn in La Palma der Sonnenaufgang naht, würden zunächst Teleskope in Amerika und anschließend in Asien die Beobachtungen fortsetzen, bis die Sonne schließlich wieder in La Palma untergeht.


Werdegang der Preisträger

Thomas Bretz, 1974 in Frankfurt am Main geboren, studierte Physik an der TU München. Im Jahr 2000 ging er an die Universitäts-Sternwarte Göttingen in die Arbeitsgruppe von Karl Mannheim. Mit diesem wechselte er dann zwei Jahre später an die Universität Würzburg. Hier begeisterte er Daniela Dorner, die damals Physik studierte, für die Mitarbeit an Projekten des MAGIC-Teleskopsystems. Nach seiner Promotion wechselte Bretz 2009 an die École Polytechnique nach Lausanne, 2012 ging er an die ETH Zürich. 2014 folgte er schließlich dem Ruf auf eine Juniorprofessur an der RWTH Aachen.

Daniela Dorner, Jahrgang 1979, stammt aus Amberg und studierte Physik in Bayreuth und Würzburg. Sie hat 2008 ihre Doktorarbeit in Würzburg abgeschlossen. Als Postdoc wechselte sie ans ISDC Datenzentrum für Astrophysik in Genf, wo sie in einem Gemeinschaftsprojekt der ETH Zürich und der Universität Genf mitarbeitete. 2012 kehrte sie nach Würzburg zurück. Hier forscht sie in einem Verbundprojekt mit, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. In ihrer Freizeit beschäftigt sie sich mit kreativen Schreibprojekten, Collagen und Badminton.



Weitere Informationen unter:

http://www.dpg-physik.de/presse/pressemit/2014/dpg-pm-2014-24.html
- Alle Preisträger 2015 der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

http://www.astro.uni-wuerzburg.de/
- Zur Homepage des Lehrstuhls für Astronomie der Uni Würzburg

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 27.11.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2014