Goethe-Universität Frankfurt am Main - 07.04.2016
Wann wird ein Neutronenstern zum Schwarzen Loch?
Frankfurter Astrophysiker haben eine einfache Formel für die maximale Masse von Neutronensternen gefunden und damit eine über Jahrzehnte offene Frage beantwortet.
FRANKFURT. Neutronensterne, die Überreste verglühter Sterne, gehören zu den kompaktesten Objekten im Universum. Ihr starkes Gravitationsfeld zieht unweigerlich immer mehr Masse an. Doch diesem Prozess sind Grenzen gesetzt. Ist eine kritische Masse erreicht, kollabiert der Neutronenstern zu einem Schwarzen Loch. Wie groß die Masse maximal werden darf, war eine seit Jahrzehnten offene Frage. Astrophysiker der Goethe-Universität haben jetzt eine einfache Formel dafür gefunden.
Um den Kollaps hinauszuzögern, können Neutronensterne zu rotieren
beginnen. So kann die Fliehkraft noch eine Weile die zunehmende
Gravitationskraft kompensieren. Dabei muss sich der Stern umso schneller
drehen, je mehr Masse er anhäuft, bis er schließlich auseinander bricht.
Somit ist die absolute Obergrenze für die Masse eines Neutronensterns
durch die maximale Masse bei schnellst-möglicher Rotation gegeben.
Diese Masse aus Grundprinzipien zu berechnen, ist nicht möglich, weil die Zustandsgleichung, die Auskunft über Temperatur- und Druckverhältnisse der Elemente im Stern gibt, unbekannt ist. Doch Astrophysiker der Goethe-Universität haben für dieses Problem eine elegante Lösung gefunden. Wie sie in den renommierten Monthly Notices of the Royal Astronomical Society berichten, kann man die maximale Masse eines schnell rotierenden Neutronensterns aus der maximalen Masse der entsprechenden nicht-rotierenden Konfiguration ableiten.
"Es ist erstaunlich, dass ein komplexes System wie ein rotierender Neutronenstern durch eine so einfache Relation beschrieben werden kann", erklärt Luciano Rezzolla, Professor für Theoretische Astrophysik an der Goethe-Universität. "Wir wissen jetzt, dass der Neutronenstern durch schnellst-mögliche Rotation höchstens 20 Prozent seiner maximalen nicht-rotierenden Masse zulegen kann", erläutert er.
Die Wissenschaftler haben Zehntausende Modelle für Neutronensterne berechnet. Ausschlaggebend für ihre Entdeckung war, dass sie die Daten unter dem richtigen Blickwinkel betrachteten: Sie fanden eine Normierung, dank der sich die Neutronensterne unabhängig von ihrer Zustandsgleichung auf universelle Weise beschreiben lassen.
"Das Ergebnis lag direkt vor unserer Nase, aber wir mussten erst die richtige Perspektive wählen, um es zu sehen", sagt Cosima Breu, Masterstudenitn an Institut für Theoretische Physik. Sie hat die Analyse im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit ausgeführt.
Das universelle Verhalten für die maximale Masse ist Teil einer größeren Klasse universeller Beziehungen, die kürzlich für Neutronensterne entdeckt wurden. In diesem Kontext haben Cosima Breu und Luciano Rezzolla auch eine vereinfachte Form gefunden, das Trägheitsmoment eines rotierenden Neutronensterns in Abhängigkeit von seiner Kompaktheit auszudrücken. Sobald es gelingt, Trägheitsmomente experimentell an binären Pulsaren zu messen, wird es mithilfe dieser neuen Methode möglich sein, deren Radius mit einer Genauigkeit von 10 Prozent oder weniger zu bestimmen. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensternen, die entlang einer Achse hochenergetische elektromagnetische Strahlung (Gammastrahlung) aussenden. Auf diese Weise können sie mit Weltraumteleskopen geortet werden.
Das einfache, aber grundlegende Ergebnis eröffnet die Möglichkeit, künftig mehr universelle Beziehungen in rotierenden Sternen aufzuspüren. "Wir hoffen, noch mehr ähnlich aufregende Ergebnisse zu finden, wenn wir das weitgehend unerforschte Gebiet der differentiell rotierenden Neutronensterne erkunden. Bei diesen Sternen rotiert die Masse im Zentrum schneller als die Oberfläche", schließt Rezzolla.
Publikation:
Cosima Breu, Luciano Rezzolla:
Maximum mass, moment of inertia and compactness of relativistic,
in: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
http://mnras.oxfordjournals.org/content/early/2016/03/14/mnras.stw575
Interview mit Cosima Breu und Luciano Rezzolla auf Goethe-Uni online:
http://tinygu.de/Neutronensterne
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 07.04.2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2016
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