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BERICHT/056: Starting Independent Researcher Grant für Prof. Dr. Wendland (idw)


Universität Augsburg - 28.04.2008

Starting Independent Researcher Grant des ERC für Prof. Dr. Katrin Wendland

Projekt der Augsburger Mathematikerin zur Erforschung der Geometrie topologischer Quantenfeldtheorien gewinnt gegen eine gesamteuropäische Konkurrenz von über 9000 Anträgen.


Mit 750.000 Euro, die ihr die erfolgreiche Bewerbung um einen Starting Independent Researcher Grant des European Research Council (ERC) eingebracht haben, kann die Inhaberin des Augsburger Lehrstuhls für Analysis und Geometrie, Prof. Dr. Katrin Wendland, fünf Jahre lang ihr Forschungsprojekt "The geometry of topological quantum field theories" intensiv vorantreiben. "Ich freue mich auf die optimalen Bedingungen, unter denen wir dadurch werden arbeiten können, nicht minder aber auch darüber, dass es mir mit diesem Projekt-Antrag gelungen ist, mich gegen eine enorme Konkurrenz zu behaupten, wie es sie in dieser Form kaum je gegeben hat."


Nur 3 Prozent der über 9000 Anträge kamen zum Zug

Was die Augsburger Mathematikerin hier andeutet, lässt sich in Zahlen so formulieren: Um den vom Europäischen Forschungsrat 2007 erstmals ausgeschriebenen und mit bis zu 2 Mio. Euro dotierten Starting Independent Researcher Grant hatten sich europaweit insgesamt 9167 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fachgebieten "Social Sciences and Humanities", "Mathematics", "Physical Sciences", "Information and Communication", "Engineering", "Universe and Earth Sciences" sowie Life Sciences" mit Projektanträgen beworben. Von diesen wurden in einem einjährigen Verfahren ca. 300, also nur 3 Prozent, als Gewinner ausgewählt. An deutsche Bewerberinnen und Bewerber gingen insgesamt 33 Grants, nur vier davon an Bewerbungen aus dem Bereich Mathematik/theoretische Physik. Europaweit kam dieser Bereich mit 23 Grants zum Zuge.


Wissenschaftliche Qualität als alleiniger Maßstab

Mit der Ausschreibung des Starting Independent Researcher Grant konnten sich Grundlagenforscherinnen und -forscher aus ganz Europa erstmals direkt um finanzielle Unterstützung bei der EU bewerben, wobei - auch dies ein Novum - für die Auswahl allein die wissenschaftliche Qualität maßgeblich war, während regionalpolitische oder wirtschaftliche Kriterien außen vor blieben. "Die internationale Jury, die mich geprüft hat, bestand aus ca. 20 der bekanntesten lebenden Mathematiker", erinnert sich Wendland.


Exzellente Projekte der Grundlagenforschung

Starting Investigator Research Grants sollen herausragenden promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Beginn ihrer Karriere die Möglichkeit eröffnen, eine eigene Forschergruppe auf- bzw. auszubauen und ein exzellentes Projekt in der Grundlagenforschung durchzuführen, um sich so als unabhängige Forscher zu etablieren. Dass Katrin Wendland - seit August 2006 bereits an der Universität Augsburg als Lehrstuhlinhaberin etabliert - für diese Form der EU-"Forschungsnachwuchsförderung" überhaupt in Frage kam, liegt in den Kriterien der Antragsberechtigung begründet: Die Antragsteller müssen mindestens zwei, dürfen höchstens jedoch neun Jahre Forschungserfahrung nach der Promotion aufweisen.


Erst vor acht Jahren in Bonn promoviert

Bei Katrin Wendland liegt die Promotion erst acht Jahre zurück. Nach dem Abschluss des Mathematik-Diplomstudiums im Jahr 1996 an der Universität Bonn promovierte sie dort vier Jahre später in Physik. Als Post Doc forschte sie dann zwei Jahre am Department of Physics and Astronomy at UNC Chapel Hill, wechselte anschließend ans Mathematics Institute der University of Warwick, wo sie 2005 zum Senior Lecturer promovierte. Unterbrochen von einem halbjährigen Forschungsaufenthalt an der University of Pennsylvania at Philadelphia und einer einjährigen Gastprofessur am Department of Mathematics der UNC Chapel Hill arbeitete Wendland bis 2006 in Warwick, um dann den Ruf auf den Augsburger Lehrstuhl für Analysis und Geometrie anzunehmen.

Vor einem Jahr organisierte Wendland an der Universität Augsburg die Konferenz "From tQFT to tt* and integrability" - eine Vorbereitungstagung für ein Teilprojekt des einjährigen "2007-08 Warwick EPSRC Symposium on Algebraic Geometry". Dieses einjährige Symposium zählt zu den weltweit renommiertesten und ambitioniertesten Treffpunkten der internationalen Mathematik-Community. Wendland ist auch an seiner Gestaltung und Organisation maßgeblich beteiligt (siehe http://idw-online.de/pages/de/news208798), inhaltlich bestehen enge Verbindungen zu dem ambitionierten Forschungsprojekt, mit dem die Augsburger Mathematikerin nun mit ihrer Bewerbung um einen Starting Independent Researcher Grant des ERC erfolgreich war.


Die Geometrie topologischer Quantenfeldtheorien

Ziel dieses Projekts "The geometry of topological quantum field theories" ist es, die Geometrie zu erforschen, die topologischen Quantenfeldtheorien zugrunde liegt. Seit mehr als zwanzig Jahren widmen sich Mathematik und Theoretische Physik intensiv der Erforschung topologischer Quantenfeldtheorien. Bei diesen tQFTen handelt es sich um stark vereinfachte Versionen von Stringtheorien. Sie geben durch Reduktion nur einige der Daten vollständiger Stringtheorien korrekt wieder, die die explizite Ausführung zahlreicher Rechnungen ermöglichen. Zu diesen Daten zählen geometrische Invarianten, also wesensbestimmende Strukturen geometrischer Objekte, die bei Verzerrungen und Dehnungen erhalten bleiben und für deren Berechnung es keine andere Möglichkeit gibt.

In ihrem ursprünglichen Zugang zu topologischen Quantenfeldtheorien verwendet die Physik eine Reihe von Methoden, die mathematisch noch nicht verstanden sind. Die Rolle der Mathematik konzentriert sich bislang weitgehend darauf, Vorhersagen aus der Physik mit Methoden zu bestätigen, die nur wenig mit den ursprünglichen Ideen der tQFTen zu tun haben. Diese Verwischung der gemeinsamen Wurzeln der unterschiedlichen Techniken, die in der Physik einerseits und in der Mathematik andererseits verwendet werden, hat u. a. zur Folge, dass neue genuin mathematische Einsichten bislang nur schwer eingebracht und angewandt werden können.


Feldtheorien durch Quantisierung allgemein zurückgewinnen

Katrin Wendlands Projekt hat den Anspruch, die Feldtheorien durch Quantisierung möglichst allgemein und rein zurückzugewinnen und ihre Eigenschaften zu untersuchen. Sie geht dabei aus von einem erst jüngst gewonnenen mathematischen Verständnis der Geometrie topologischer Feldtheorien. "Unser Ziel", erklärt die Mathematikerin, "ist es, ein vollständiges Bild der topologischen Quantenfeldtheorien von Grund auf neu zu entwerfen, um die gemeinsamen Wurzeln der entsprechenden Techniken von Mathematik und mathematischer Physik aufzudecken, sie zu nutzen und sie mit neuen Methoden aus der Theorie integrabler Systeme, der Singularitätentheorie, der Kategorientheorie und der Theorie automorpher Formen zu verknüpfen. Die Anwendungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben werden, dürften weit über die Quantenfeldtheorie hinausreichen und auch Bereiche wie Quantenkohomologie, Enumerative Geometrie und Konforme Feldtheorien einschließen."

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution58


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 28.04.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2008