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FORSCHUNG/1132: Einstein und das Elektron (verbundjournal)


verbundjournal - 100/Januar 2015
Forschungsverbund Berlin e.V.

Einstein und das Elektron - Photoeffekt, Relativitätstheorie und ultrakurze Lichtimpulse

Von Claus-Peter Schulz, Jochen Mikosch, Julia Bränzel, Christian Koschitzki, Matthias Schnürer und Thomas Elsaesser


Im Jahr 1905 hat Albert Einstein mehrere Arbeiten epochaler Bedeutung publiziert, welche die Entwicklung der modernen Physik stark beeinflusst haben und die Grundlage zahlreicher Anwendungen in der modernen Forschung mit Licht bilden.


Die später mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Abhandlung "Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt" enthält die erste korrekte Beschreibung des Photoeffekts. Eine zweite Publikation aus diesem Jahr enthält die Grundlagen der speziellen Relativitätstheorie, als Beispiel einer relativistischen Bewegung wird das Elektron in einem elektrischen Feld diskutiert. Wichtige Forschungsarbeiten des MBI sind in diesen Bereichen angesiedelt.


Ultrakurze Lichtimpulse und Photoelektronen

Einsteins Deutung des Photoeffekts beruht auf den folgenden experimentellen Befunden: Bestrahlt man eine Metalloberfläche mit einfarbigem Ultraviolettlicht, werden Elektronen vom Metall in den freien Raum angeregt. Alle ausgelösten Elektronen besitzen die gleiche Bewegungsenergie, welche nur von der Farbe des Lichts und der Art des Metalls abhängt. Nach Einstein entspricht die kinetische Energie der Elektronen genau der Quantenenergie der Photonen, die durch ihre Wellenlänge (Farbe) bestimmt ist, abzüglich der Austrittsarbeit der Metalloberfläche. Eine höhere Lichtintensität führt demnach nicht zu einer höheren Elektronenenergie, sondern nur zum Entstehen von mehr Photoelektronen gleicher Energie.

Einstein wusste noch nicht, dass bei sehr hohen Lichtintensitäten auch mehrere Photonen gleichzeitig absorbiert werden können. Diese im Jahre 1930 erstmals von Maria Goeppert-Mayer beschriebene Mehrphotonenabsorption ist ein erster Grundstein der nichtlinearen Spektroskopie. Wird die Metalloberfläche mit einem sehr intensiven Lichtimpuls bestrahlt, weist die Energieverteilung der Photoelektronen diskrete Maxima bei Vielfachen der Photonenergie auf. Im Gegensatz zum Einstein'schen Photoeffekt hängen jetzt die genauen Energien von der Intensität des Lichtimpulses ab, da das Lichtfeld die Elektronen zusätzlich beschleunigt, d.h. ein sog. ponderomotives Potential erzeugt.

Bei noch höheren Intensitäten um 1014 W/cm2, die sich mit Lasern des MBI erzeugen lassen, ist die Stärke des Lichtfelds vergleichbar zum elektrischen Feld im Atom. Das elektrische Potential eines Atoms oder Moleküls wird in einem derartigen Lichtfeld so stark verzerrt, dass gebundene Elektronen durch die verbleibende Energiebarriere ins Vakuum tunneln können, ein genuin quantenmechanischer Effekt. Ein freigesetztes Elektron wird dann im Lichtfeld extrem stark beschleunigt und kann - bei geeigneter Phase des Lichtfelds - zu dem Atom oder Molekül zurückkehren, aus dem es stammt. Dort kann es mit ihm rekombinieren, wobei seine gesamte Energie in ein Photon umgewandelt wird. Da die Periode des treibenden Laserfeldes nur wenige Femtosekunden (= 1015 s) beträgt und der Rekombinationszeitpunkt für alle freigesetzten Elektronen etwa gleich ist, kann man mit diesem Prozess Lichtimpulse von nur etwa hundert Attosekunden (= 1016 s) Dauer erzeugen. Attosekundenimpulse sind eine wichtige Sonde für die schnellen Elektronenbewegungen in Molekülen. Würde es gelingen, Elektronenbewegungen im Zeitbereich von einigen hundert Attosekunden bis wenigen Femtosekunden zu manipulieren, könnte man molekulare Prozesse mit unerreichter Präzision steuern. In den letzten Jahren haben theoretische Arbeiten Attosekundendynamik in Molekülen in Computersimulationen untersucht. Ein erster experimenteller Schritt besteht in der Sichtbarmachung ultraschneller Elektronenbewegungen, was erstmals in den Attosekundenlaboratorien des MBI gelang. Dabei polarisiert ein Infrarotlaser Moleküle und induziert in ihnen ein mit dem Laserfeld oszillierendes Dipolmoment. Ein phasenstarrer Attosekundenimpulszug fragt diese ultraschnelle Dynamik durch Photoionisation der Moleküle, d.h. den Photoeffekt, ab. Je nach Phase zwischen dem Attosekundenimpulszug und dem synchronen Infrarotlaser variiert dabei die Ionisationswahrscheinlichkeit auf der Attosekundenzeitskala.

Die träge Masse eines Teilchens wird umso größer, je mehr sich seine Geschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit nähert - diese zentrale Aussage der speziellen Relativitätstheorie hat weitreichende Konsequenzen für die Teilchenbeschleunigung. Elektronen lassen sich in den starken elektrischen Feldern großer Beschleuniger auf Bewegungsenergien im Bereich von Gigaelektronenvolt bringen, wo sie sich mit 99,99% der Lichtgeschwindigkeit bewegen. Ein völlig anderer Ansatz ist die Teilchenbeschleunigung in einem Plasma, einem Gemisch aus Elektronen und positiv geladenen Atomrümpfen (Ionen). Ein Plasma lässt sich mit einem Laser erzeugen, der in kleinsten Volumina extrem hohe Energiekonzentrationen in Form von gebündeltem Licht liefert und lokal Feldkonfigurationen zur Teilchenbeschleunigung aufbaut. Hierbei werden die relativistischen Effekte der Licht-Materie-Wechselwirkung ausgenutzt.


Relativistische Teilchenbeschleunigung mit Höchstfeldlasern

Vor über 30 Jahren wurde in Computersimulationen gezeigt, dass intensive Laserimpulse, die in einer Plasmasäule propagieren, eine hohe Anzahl von Elektronen auf Bewegungsenergien im Bereich von Gigaelektronenvolt beschleunigen. Diese sog. Kielwellenbeschleunigung beruht auf einem einfachen Prinzip: Ein in Wasser bewegtes Objekt erzeugt im Schlepptau eine Kielwelle, die sich mit ihm bewegt. Den Effekt benutzen Surfer, um entlang einer Welle Fahrt aufzunehmen. Im Plasma werden surfende Elektronen auf einer durch einen Laserimpuls angeregten Ladungswelle auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Nach diesem Prinzip lassen sich mit Femtosekundenimpulsen aus modernen Hochleistungslasern wie etwa am MBI sehr kompakte Beschleuniger bauen, die auf nur wenigen Quadratmetern einer Laser-Plasma-Beschleunigerapparatur ähnliche Teilchenenergien erzeugen können wie im Speicherring von BESSY II mit 240 Meter Umfang.

Die Forschungsarbeiten am MBI konzentrieren sich gegenwärtig auf die Kontrolle und Stabilität des Beschleunigungsprozesses. Die richtige Injektion von Elektronen im Wellenfeld ist essentiell, um eine hohe Reproduzierbarkeit zu erreichen und die Teilchenstrahlen auf Haaresbreite bündeln zu können. Abbildung 4(*) verdeutlicht, wie man die Injektion durch einen technischen Trick beeinflusst, damit die Energie der Elektronen steuert und die Beschleunigungsfeldstärke ausmessen kann. Derartige Grundlagenuntersuchungen sind eine wesentliche Voraussetzung, um eine neue Generation kompakter Teilchenbeschleuniger für vielfältige Anwendungen und einen breiten Nutzerkreis zu entwickeln.

(*) Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung der Printausgabe

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Quelle:
verbundjournal Nr. 100, Januar 2015, Seite 8-9
Herausgeber: Forschungsverbund Berlin e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2015

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