Bayerische Akademie der Wissenschaften - 15.02.2017
Die spinnen, die Elektronen!
Grenzfläche zwischen Isolatoren ermöglicht Informationstransport per Spin. Heutige Computertechnologie basiert auf dem Transport elektrischer Ladung in Halbleitern. Doch schon in naher Zukunft wird das Potential dieser Technologie ausgeschöpft sein, da die verwendeten Bauteile nicht weiter miniaturisiert werden können. Doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Statt der Ladung der Elektronen könnte ihre Drehrichtung, ihr Spin, für den Informationstransport genutzt werden. Wie das geht, zeigt nun ein Wissenschaftlerteam aus München und Kyoto.
Diese Grenzschicht erlaubt den Transport von Information über den
Drehimpuls von Elektronen
Bild: © Christoph Hohmann / NIM
Computer und Mobilgeräte stellen Jahr für Jahr einen größeren
Funktionsumfang bereit. Basis für diese Leistungssteigerungen ist eine
immer weitergehende Miniaturisierung. Dieser ist jedoch eine fundamentale
Grenze gesetzt, so dass eine beliebige weitere Steigerung mit
konventioneller Halbleitertechnologie nicht zu erwarten ist. Forschende in
aller Welt arbeiten deshalb an Alternativen. Als besonders
vielversprechend erweist sich die sogenannte Spin-Elektronik. Sie macht
sich zunutze, dass Elektronen neben der Ladung auch einen Drehimpuls
besitzen, den Spin. Diese Eigenschaft möchten die Fachleute nutzen, um die
Informationsdichte und damit den Funktionsumfang zukünftiger Elektronik
weiter zu erhöhen.
Wissenschaftler des Walther-Meißner-Institutes der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (WMI) und der Technischen Universität München (TUM) in Garching konnten jetzt zusammen mit Kollegen von der Kyoto Universität in Japan den Transport von Spin-Information bei Raumtemperatur in einem außergewöhnlichen Materialsystem nachweisen.
In ihren Experimenten wiesen sie die Erzeugung, den Transport und die Detektion von elektronischen Spins in der Grenzfläche zwischen den Materialien Lanthan-Aluminat (LaAlO2) und Strontium-Titanat (SrTiO3) nach. Die Besonderheit dieses Materialsystems: An der Grenzfläche zwischen den beiden nichtleitenden Materialien bildet sich eine extrem dünne, elektrisch leitfähige Schicht aus, ein sogenanntes zweidimensionales Elektronengas. Das deutsch-japanische Team konnte nun zeigen, dass dieses zweidimensionale Elektronengas nicht nur Ladung, sondern auch Spin transportieren kann. "Dazu mussten wir zunächst einige technische Hürden überwinden", sagt Dr. Hans Hübl, stellvertretender Direktor des Walther-Meißner-Instituts. "Die beiden wichtigsten Fragestellungen dabei lauteten: Wie lässt sich der Spin in das zweidimensionale Elektronengas übertragen und wie lässt sich sein Transport nachweisen?"
Das Problem der Spin-Übertragung lösten die Wissenschaftler durch einen magnetischen Kontakt, dessen Elektronen durch Mikrowellenstrahlung zu einer Präzessionsbewegung gezwungen werden, analog zur Taumelbewegung eines Kreisels. Genau wie beim Kreisel hält diese Bewegung nicht ewig an, sondern schwächt sich ab - in diesem Fall durch Abgabe von Drehmoment an das zweidimensionale Elektronengas. Dieses ist nun in der Lage, die Spin-Information zu einem nichtmagnetischen Kontakt zu transportieren, der sich einen Mikrometer neben dem magnetischen Kontakt befindet. Der nichtmagnetische Kontakt detektiert den Spin-Transport indem er die Spins absorbiert und dabei eine elektrische Spannung aufbaut. Durch Messung dieser Spannung konnten die Forscher den Spin-Transport systematisch untersuchen und nachweisen, dass er in derartigen Strukturen über Entfernungen bis zum hundertfachen Abstand heutiger Transistoren möglich ist.
Basierend auf diesen Ergebnissen will das Wissenschaftler-Team nun erforschen, inwieweit sich mit diesem Materialsystem spinelektronische Bauelemente mit neuartigen Funktionalitäten realisieren lassen.
Das Forschungsprojekt wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters "Nanosystems Initiative Munich" (NIM) finanziell gefördert.
Publikation:
Strong evidence for d-electron spin transport at room temperature at a
LaAlO3/SrTiO3 interface.
R. Ohshima, Y. Ando, K. Matsuzaki, T. Susaki, M. Weiler, S. Klingler,
H. Huebl, E. Shikoh, T. Shinjo, S.T.B Goennenwein and M. Shiraishi.
Nature Materials, Advanced Online Publication 13. Februar 2017.
DOI:10.1038/nmat4857
http://www.nature.com/nmat/journal/vaop/ncurrent/full/nmat4857.html
Weitere Informationen unter:
http://www.nature.com/nmat/journal/vaop/ncurrent/full/nmat4857.html
http://www.wmi.badw.de
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http://idw-online.de/de/institution349
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bayerische Akademie der Wissenschaften, Dr. Isabel Leicht, 15.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2017
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