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MELDUNG/824: Hamburger Preis für Theoretische Physik geht an Quantenforscher (idw)


Joachim Herz Stiftung - 29.04.2019

Hamburger Preis für Theoretische Physik geht an Quantenforscher


Der Hamburger Preis für Theoretische Physik wird in diesem Jahr an den Österreicher Matthias Troyer verliehen. Troyer ist Professor an der ETH Zürich und zugleich in der Quanten-Forschung des Softwareherstellers Microsoft tätig. Den Preis erhält er für seine Beiträge zur Entwicklung der sogenannten Quanten Monte Carlo-Algorithmen. Mit ihnen lässt sich auf Grundlage von Zufallszahlen vorhersagen, wie sich kleinste Teilchen in quantenmechanischen Vielteilchensystemen wie Atomen oder Molekülen gegenseitig beeinflussen.

Troyer leistet damit wesentliche Beiträge in der Grundlagenforschung und zur Weiterentwicklung von Quantencomputern oder auch supraleitenden Materialien. Er ist einer der wenigen international führenden Spitzenforscher auf diesem Gebiet. Die Joachim Herz Stiftung verleiht den Preis gemeinsam mit dem Wolfgang-Pauli-Centre (WPC) der Universität Hamburg und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY sowie dem Exzellenzcluster "CUI: Advanced Imaging of Matter" der Universität Hamburg.

Der Hamburger Preis für Theoretische Physik ist mit insgesamt 137.036 Euro - eine Anspielung auf die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante - ausgestattet. Er ist damit einer der höchstdotierten deutschen Wissenschaftspreise für Physik. Troyer ist der zehnte Träger des Physikpreises, der anlässlich eines Symposiums am 13. November 2019 im Hamburger Planetarium verliehen werden wird.

"Mit Professor Troyer zeichnen wir einen Wissenschaftler aus, dessen Arbeit verschiedene Gebiete der Physik und Computerwissenschaft verbindet. Durch seine aktuelle Forschung im Bereich der Quantencomputer ist er mit Universitäten und Unternehmen in den USA und weltweit vernetzt. Und er hat eine Open Source Plattform gegründet, um sein Wissen zu teilen. Auch diesen Beitrag zu gemeinsamer Forschungsarbeit wollen wir mit der Preisvergabe an Professor Troyer würdigen", sagte Dr. Nina Lemmens, Mitglied des Vorstands der Joachim Herz Stiftung.

IMPULSE FÜR SPITZENFORSCHUNG IN HAMBURG

Mit dem Preis ist nicht nur ein Preisgeld verbunden, sondern auch Forschungsaufenthalte in Hamburg, bei denen Troyer Vorträge halten und intensiv mit Doktoranden, Postdocs und Kollegen arbeiten wird. "Es freut uns sehr, dass die Themen des Preisträgers erneut ein so spannendes und aktuelles Forschungsgebiet abdecken, das auch am Wolfgang-Pauli-Centre und generell in Hamburg immer stärker in den Fokus rückt. Dadurch werden Professor Troyers Aufenthalte in Hamburg weit über die Arbeitsgruppen im Bereich der Theoretischen Physik ausstrahlen. Beispielsweise haben auch unsere Kollegen am neuen XFEL großes Interesse daran, mit ihm zusammenzuarbeiten", sagte Professor Volker Schomerus, Juryvorsitzender für die Preisvergabe, leitender Wissenschaftler am DESY und Sprecher des Wolfgang-Pauli-Centre. Das 2013 gegründete Institut bündelt die Forschungsaktivitäten in der theoretischen Physik, darunter auch die Arbeiten der beiden aktuellen Exzellenz-Cluster "Advanced Imaging of Matter" und "Quantum Universe", die Bestandteil der Hamburger Exzellenzinitiative sind. Damit fällt im Jahr des 100jährigen Jubiläums der Universität Hamburg und ihrer Bewerbung als Exzellenz-Universität ein besonderes Schlaglicht auf die Theoretische Physik in der Hansestadt.

"Ich fühle mich sehr geehrt, dass die Jury meine Arbeit für die Auszeichnung durch den Hamburger Preis für Theoretische Physik ausgewählt hat. Auf den persönlichen Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen am DESY und an der Universität Hamburg, in der Physik, aber auch angrenzenden Instituten wie der Informatik, freue ich mich sehr", so Troyer.

ÜBER MATTHIAS TROYER

Troyer hat Physik an der Universität Linz und der ETH Zürich studiert und wurde dort 1994 promoviert. Als Post-Doktorand war er als Fellow der Japan Society for the Promotion of Science an der Universität Tokio und ab 1998 Dozent an der ETH Zürich. Seit 2005 ist er ordentlicher Professor für Computational Physics am Institut für Theoretische Physik der ETH Zürich. Zudem ist er seit 2017 Principal Researcher bei Microsoft Quantum Research in den USA. Troyer ist seit 2010 Fellow der American Physical Society und seit 2014 Trustee des Aspen Center for Physics. 2016 wurde er mit dem Aneesur-Rahman-Preis ausgezeichnet.

ÜBER DIE ARBEIT VON MATTHIAS TROYER: QUANTENCOMPUTER ZUR SIMULATION VON QUANTENSYSTEMEN

Mit Computersimulationen kann das Verhalten verschiedenster Systeme untersucht werden: zum Beispiel wie sich physikalische Systeme verhalten, Krankheiten ausbreiten oder Verkehrsflüsse im öffentlichen Nahverkehr erfolgen. Von Monte Carlo-Simulationen spricht man, wenn eine solche Simulation auf Zufallszahlen beruht.

Computersimulationen werden auch verwendet, um Systeme zu untersuchen, die von den Eigenschaften kleinster Teilchen, den Quantenteilchen abhängen. Um diese sogenannten Quanten-Vielteilchensysteme zu verstehen, muss das besondere Verhalten der einzelnen Quanten berücksichtigt werden. Denn Quanten haben besondere Eigenschaften: Sie können sich an verschiedenen Orten gleichzeitig befinden und hängen dabei vom Zustand aller anderen Quanten ab. Um den Zustand von Quanten-Vielteilchensysteme zu bestimmen, müssen Physiker auf äußerst leistungsfähige Computer zurückgreifen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Physik und Informatik.

Troyer arbeitet an dieser Schnittstelle zwischen Computerwissenschaften und Theoretischer Physik. Er entwickelte neue Computeralgorithmen, mit denen er das Verhalten vieler stark wechselwirkender Quantensysteme verstehen konnte. Er hat unter anderem an Quantenmagneten, superfluiden Kristallen, atomaren Gasen und exotischen Materialien wie Graphen geforscht. Die Untersuchung von Quanten-Vielteilchensystemen führte ihn zur Arbeit mit Quantencomputern, von denen sich die Forschung eine deutlich höhere Rechenleistung als bei herkömmlichen Computern verspricht.

Statt mit den bisher üblichen Bits arbeitet ein Quantencomputer mit Quantenbits, kurz Qubits, die zu Rechenkapazitäten führen, die im Ergebnis am ehesten mit denen massiv paralleler Computer verglichen werden können. Seit Jahren versuchen sowohl Unternehmen als auch Wissenschaftler immer bessere Quantencomputer zu bauen. Mit Quantencomputern sollen auf der einen Seite zum Beispiel Verkehrsaufkommen schneller berechnet und optimiert oder bildgebende Verfahren in der Medizin verbessert werden. Auf der anderen Seite sollen sie auch die Grundlagenforschung im Bereich der kleinsten Teilchen voranbringen.



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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Joachim Herz Stiftung, 29.04.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2019

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