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RAUMFAHRT/1012: Lebenserhaltungssystem "Eu:CROPIS" - Gewächshäuser starten ins All (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 15.11.2018

Lebenserhaltungssystem Eu:CROPIS: Gewächshäuser starten ins All


Aktualisierung: Der Starttermin am 19. November 2018 wurde von SpaceX aufgrund weiterer Inspektionsarbeiten an der Trägerrakete verschoben. Ein neuer Starttermin steht noch nicht fest. Das DLR informiert, sobald neue Informationen vorliegen. Aktuelle Infos finden Sie auf dem SpaceX-Twitterkanal.

Am 19. November 2018 19:48 Uhr MEZ startet die Eu:CROPIS-Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien ins All. Eine Falcon 9 des amerikanischen Raumfahrtunternehmens SpaceX bringt mit einem Satelliten zwei biologische Lebenserhaltungssysteme mit Gewächshäusern, Biofilter, Zwergtomatensamen, einzelligen Algen und synthetischem Urin in eine erdnahe Umlaufbahn in 600 Kilometer Höhe. Die Samen sollen im Weltall keimen, durch die erfolgreiche Umwandlung des Urins in eine Düngemittellösung werden die Tomaten wiederum wachsen. Die Mission soll zeigen, wie biologische Lebenserhaltungssysteme als Nahrungsversorgung auf Langzeitmissionen eingesetzt werden können. Der etwa ein Kubikmeter große und 230 Kilogramm schwere Eu:CROPIS-Satellit mit der biologischen Payload wurde vom DLR und der Friedrich-Alexander Universität Nürnberg-Erlangen entwickelt und gebaut. "Mit der Eu:CROPIS-Mission liefert das DLR einen wesentlichen Beitrag für zukünftige Langzeitmissionen. Sie zeigt ob und wie ein geschlossenes biologisches Lebenserhaltungssystem fern von der Erde funktionieren und Nahrungsmittel produzierten kann. Mit der Mission hat das DLR ein weiteres Mal seine Systemkompetenz bei der Konzeption und beim Bau von Satelliten unter Beweis gestellt", beschreibt Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand für Raumfahrtforschung und -technologie die Mission. Der Satellit wird 35 Minuten nach dem Start in seiner Umlaufbahn von der Falcon 9-Trägerra kete getrennt. Einen ersten Funkkontakt erwartet das DLR-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen (GSOC), das den Satelliten steuert, zirka anderthalb Stunden nach dem Start.

Geschlossenes Lebenserhaltungssystem

Eu:CROPIS steht für "Euglena and Combined Regenerative Organic-Food Production in Space". "Mit dieser Mission soll gezeigt werden, dass Urin auch unter Mond- und Mars-Schwerkraftbedingungen in Nährstoffe umgewandelt werden kann", sagt Dr. Jens Hauslage vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. Im Inneren des Satelliten befinden sich zwei Gewächshäuser in jeweils geschlossenen Lebenserhaltungssystemen. Kern dieser Systeme sind ein Biofilter und Grünalgen (Euglena gracilis). Der Biofilter besteht aus einer 400 Milliliter großen Kammer, gefüllt mit Lavasteinen. Auf und in den porösen Steinen sind Bakterien angesiedelt, die den darüber rieselnden Urin im Wasserkreislauf in Nitrat umwandeln.

"Die so gewonnene Nährstofflösung dient zur Aufzucht der Tomaten. Diese sind sozusagen der Indikator, dass unser Experiment im All erfolgreich verläuft", beschreibt Hauslage. Eine weitere wichtige Rolle übernehmen die einzelligen Augentierchen Euglena gracilis oder auch Grünalgen genannt, die in zirka 500 Milliliter "grüner Lösung" mit ins All fliegen. Zum einen können sie Sauerstoff produzieren. Eine Eigenschaft, die vor allem am Anfang des Experiments, wenn die Tomaten erst keinem und noch keinen Sauerstoff über die Photosynthese produzieren, zum Tragen kommt. Zum anderen können die Augentierchen das System entgiften und vor zu hohen Ammoniakkonzentrationen schützen, die auftreten können, wenn der Biofilter nicht richtig funktioniert. "Wir nutzen die Eigenschaften von Organismengemeinschaften, um Abfälle in Stoffe auf rein biologische Weise umzuwandeln, die wir für das Wachstum von Nutzpflanzen, in diesem Fall Tomaten, brauchen. Damit schaffen wir wichtige Voraussetzungen für die Versorgung von Astronauten auf zukünftigen Langzeitmissionen", erläutert Hauslage. Er und Dr. Michael Lebert (FAU in Erlangen) sind die wissenschaftlichen Initiatoren und Leiter der EU:CROPIS-Mission.

Die Vorgänge in den Gewächshäusern werden von Kameras aufgezeichnet und an das GSOC sowie das MUSC (Nutzerzentrum für Weltraumexperimente) übertragen. LED-Licht sorgt für einen Tag-Nacht-Rhythmus, ein Drucktank für einen atmosphärischen Druck von einem Bar, was dem Luftdruck auf der Erde entspricht. Mit an Bord des Eu:CROPIS-Satelliten sind auch die beiden Strahlungsmessgeräte RAMIS (Radiation Measurement in Space) des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin. Sie messen während der Mission im Inneren sowie an der Außenseite die Strahlungsbelastung. Zudem schickt das DLR den am Institut für Raumfahrtsystem entwickelten Bordcomputer SCORE (Scalable On-Board Computing Experiment) mit und testet das Prinzip des skalierbaren Boardrechners COBC (Compact On-Board Computer) erstmals im All. Der Rechner wird die von den Bord-Kameras aufgenommenen Bilder verarbeiten. Die NASA steuert außerdem mit Power Cell ein Experiment zur Produktion von nützlichen biologischen Stoffen im Weltall durch Bakterien bei.

Gravitationsbedingungen wie auf dem Mond oder Mars

Der Satellit rotiert während der Mission um seine Längsachse. So entsteht - je nach Umdrehungszahl - eine entsprechende Gravitation. Im ersten Teil der Experimentphase werden mit 20 Umdrehungen pro Minuten zirka 23 Wochen lang Gravitationsbedingungen wie auf dem Mond geschaffen (0,16-fache Erdgravitation). In dieser Phase wird das erste Gewächshaus in Betrieb genommen. In der zweiten Wissenschaftsphase dreht sich der Satellit mit 32 Umdrehungen pro Minute, wodurch Marsschwerkraft erzeugt wird (0,38-fache Erdgravitation). Dabei finden die Experimente im zweiten Lebenserhaltungssystem statt.

Systemkompetenz beim Bau von Satelliten

Der Satellit wurde federführend am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen gebaut. Das DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik in Braunschweig entwickelte die Rahmenstruktur und den Drucktank. Die Energieversorgung läuft über vier Solarpaneele von jeweils einem Quadratmeter. Die DLR-Wissenschaftler haben schon im Vorfeld der Mission Standardkomponenten für Satelliten entwickelt. So können sie Satelliten je nach Nutzlast schnell und flexibel in unterschiedlichen Größen konstruieren und bauen. "Mit der Mission hat das DLR gezeigt, dass es Satelliten effektiv und kosteneffizient entwickeln kann. Dieses komponentenorientierte Design ist ein Alleinstellungsmerkmal unseres Zentrums, womit wir viele unterschiedliche Forschungsmissionen unterstützen können", sagt Hartmut Müller, Projektleiter für den Bau des Satelliten am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme.

Nutzen für die Erde

Frisches Gemüse, das im Weltall auf umgewandelten biologischen Abfallprodukten gedeiht, ist nicht nur Grundvorrausetzung für Langzeitreisen im All, auch auf der Erde können diese Forschungsergebnisse von Nutzen sein. Wenn Urin oder Gülle in für Pflanzen nutzbare Nährstoffe und Frischwasser recycelt werden kann, lassen sich die Lebensbedingungen in Ballungsgebieten oder in extremen trinkwasserarmen Lebensräumen verbessern und Böden und Grundwasser entlasten, ein weiterer Forschungsschwerpunkt des DLR.


Die Pressemitteilung mit Bild finden Sie unter:
https://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10081/151_read-30789/

Letzte Aktualisierung am 22. November 2018

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Quelle:
Pressemitteilung vom 15.11.2018
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2018

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