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RAUMFAHRT/722: GOCE erfolgreich im Weltall ausgesetzt (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 17.03.2009

GOCE erfolgreich im Weltall ausgesetzt

Europäischer Satellit erforscht Erd-Schwerefeld mit höchster Präzision


Um 15.21 Uhr Mitteleuropäischer Zeit ist am 17. März 2009 der neue Umweltsatellit GOCE (Gravity field and steady-state-Ocean Circulation Explorer) vom russischen Weltraumbahnhof Plesetsk erfolgreich in den Erdorbit gestartet. Die Trägerrakete vom Typ Rockot brachte den Satelliten in eine annähernd polare Umlaufbahn mit einer Neigung von 96,5 Grad in 260 Kilometer Höhe. Von hier aus wird GOCE 20 Monate lang das Schwerefeld der Erde in bislang nicht erreichter Präzision vermessen. Die erwarteten Ergebnisse werden insbesondere für die Ozeanographie, Geophysik und Erforschung des Meeresspiegels wichtig sein.

Mit GOCE unterstützt die europäische Raumfahrt zudem EU-Maßnahmen in den Bereichen Klima und Umwelt. Deutschland trägt 22 Prozent zur Finanzierung des Erdbeobachtungsrahmenprogramms (EOEP) der Europäische Weltraumorganisation ESA bei, in dem auch die 300 Millionen Euro umfassende GOCE-Mission realisiert wird. GOCE ist der erste einer Reihe von hoch spezialisierten Satelliten, mit denen die ESA gesicherte Daten über die in der Atmosphäre, in den Ozeanen und auf dem Festland ablaufenden Vorgänge liefern und somit neue Erkenntnisse globaler Umweltveränderungen ermöglichen wird.

GOCE geht ins Detail

Gerold Reichle, im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) verantwortlich für das Raumfahrt-Management, betont die strategische Bedeutung der Mission: "Vor dem Hintergrund unübersehbarer Klimaänderungen und deren gravierender Bedeutung für unseren Lebensraum unterstreicht GOCE das große Engagement der deutschen und europäischen Raumfahrt für eine nachhaltige Klimaforschung. Die Raumfahrt hat nicht nur wesentlich zur Aufdeckung des Globalen Wandels beigetragen, sie liefert auch die wichtigsten Instrumente, um seine Auswirkungen zu erkunden. Dies hilft Politik und Gesellschaft, die notwendigen Beschlüsse zum Schutz unserer Lebensgrundlagen zu treffen."

GOCE wird den Umweltforschern ein globales, homogenes und detailgenaues Bild vom Schwerefeld der Erde ermöglichen und dabei erstmals die Oberflächenzirkulation der Weltmeere ableiten. Meeresspiegeländerungen in Australien und Südamerika werden dadurch vergleichbar mit solchen in der Nordsee und im Mittelmeer. Hierbei erhoffen sich die Ozeanografen beispielsweise eine Antwort auf die Frage, ob für den Wärmetransport innerhalb des globalen Strömungssystems die Wirkung vieler, kleiner Wirbel die gleiche ist wie die weniger, großer Wirbel. Ebenfalls wird es mit den GOCE-Daten gelingen, aus GPS-Messungen direkt zentimetergenaue Meereshöhen zu erhalten.

Für die Geophysik bedeutet die GOCE-Gradiometrie ein Blick ins Erdinnere. Hier können wesentliche Beiträge zum Verständnis der kontinentalen und ozeanischen Erdkruste erwartet werden. Weitere Anwendungsbereiche sind die Bestimmung der Topografie des Meeresbodens und der Dicke des Eises auf den Polarmeeren sowie die Rekonstruktion der Dichte der großen Eisschilde.

Europa an der Spitze erdwissenschaftlicher Satellitenprogramme

Weiterhin äußert sich Gerold Reichle zur Hightech an Bord des jüngsten ESA-Satelliten: "GOCE ist ein Beweis für die Ingenieurskunst made in Europe. Im europäischen Verbund haben wir innovative Hochtechnologien entwickelt, die zum Weltstandard gehören." Der Satellit wird das Schwerefeld der Erde mit einer räumlichen Auflösung von 100 Kilometern vermessen und Schwereanomalien mit einer Genauigkeit von einem Millionstel der Erdschwerkraft erfassen. Das Geoid, so wird das physikalische Modell der Erdfigur genannt, wird mit einer Genauigkeit von ein bis zwei Zentimetern ermittelt werden. Mit diesem Ziel stellt GOCE das Maximum des gegenwärtig technisch Machbaren dar.

Die Schwerkraftsignale werden umso stärker, je geringer der Abstand eines Satelliten von der Erde ist. GOCEs Umlaufbahn ist mit einer Höhe von etwa 260 Kilometern daher die niedrigste Bahn, auf der ein wissenschaftlicher Satellit je flog. Die Reibungskräfte der Restatmosphäre, die in dieser Flughöhe zu einem schnellen Abtauchen des Satelliten führen würden, kompensiert ein Ionentriebwerk, das so genannte Drag-free-System. Über die Lageregelung wird die gewünschte Orientierung der Instrumente bezüglich der Erde erreicht.

An Bord von GOCE wird ein GPS-Empfänger eingesetzt, der die Position des Satelliten kontinuierlich zentimetergenau bestimmt. Auf diese Weise werden vor allem die großskaligen Strukturen im Erd-Schwerefeld erfasst. Darüber hinaus ist erstmalig auf einem Satelliten auch ein Gravitationsgradiometer installiert, das auf dem Prinzip der differenziellen Beschleunigungsmessung beruht. Bestückt mit drei Paaren dieser Beschleunigungsmesser repräsentiert dieses Instrument den neuesten Stand der Technik.

41 europäische Unternehmen arbeiten bei der Realisierung des Satelliten zusammen. Die Führung hat die italienische Thales Alenia Space. In Deutschland ist EADS Astrium (Friedrichshafen) der Hauptauftragnehmer für die Satellitenplattform. In Deutschland wurden auch die magnetfeldbasierten Lageregelungselemente für die präzise Ausrichtung des Satelliten (Zarm Technik GmbH) und die Solarzellen (RWE Space Solar Heilbronn) gefertigt. Das Gradiometer wurde bei Thales Alenia Space in Frankreich gebaut, die Beschleunigungssensoren von der französischen Firma Onera.

Start und Missionsablauf

Ebenso wie Entwicklung und Bau des Satelliten sind Start und Mission ein europäisches Gemeinschaftsunternehmen: Eurockot, die Betreibergesellschaft der Tägerrakete Rockot, ist ein deutsch-russisches Joint-Venture zwischen EADS Astrium (51 Prozent) und dem Khrunichev Space Center. Die Rakete wurde von Plesetsk, 800 Kilometer nördlich von Moskau, abgeschossen, Start und Abkopplung von der Trägerrakete wie auch der weitere Flug wurden vom European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt überwacht.

Im nordschwedischen Kiruna werden die Rohdaten in der Command and Data Acquisition Facility (CDAF) empfangen und gesammelt. Außerdem behalten Forscher von hier aus die Verfassung des Satelliten im Auge. Die Lage der Bodenstation Kiruna ist für eine polnahe Umlaufbahn optimal gelegen. Aufbereitet und archiviert werden die Daten im italienischen ESA-Standort ESRIN und dezentral in der GOCE High-Level Processing Facility (HPF). Das GOCE-Projektbüro wird durch das DLR-Raumfahrt-Management finanziert. Das von dem Initiator des GOCE-Projektes, Professor Reinhard Rummel, geleitete Büro an der Technischen Universität München soll die etwa 20 Nutzergruppen in Deutschland koordinieren, über die Mission informieren und so mit dazu beitragen, einen möglichst großen wissenschaftlichen Gewinn in Deutschland zu generieren.

Vollständiger Artikel mit Bildmaterial:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-5105/8598_read-16441/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 17.03.2009
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2009