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RAUMFAHRT/745: Apollo 11 auf dem Mond (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 7/09 - Juli 2009
Zeitschrift für Astronomie

Apollo 11 auf dem Mond

Von Harro Zimmer


»Ein kleiner Schritt für einen Menschen - ein Riesensprung für die Menschheit« - dieser Satz des Astronauten Neil Armstrong schrieb vor 40 Jahren Weltgeschichte. Zum ersten Mal betraten Menschen einen fremden Himmelskörper und kehrten sicher zurück.

Als Zeitzeuge, Chronist und auch etwas am Rande Mitwirkender der hinter uns liegenden fünf Jahrzehnte Raumfahrt lasse ich gerne die Ereignisse noch einmal Revue passieren, bevor sie in Büchern oder Vorträgen ihren Niederschlag finden. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand fragt man sich oft selbst nach den persönlichen Höhepunkten des Erlebten: War es der Empfang der ersten Satellitensignale der Sputniks in den Jahren 1957 und 1958 oder der Schritt von der klassischen Sternwarten-Astronomie in das Neuland der Weltraumforschung mit Satelliten und Raumsonden?

Was bleibt in der Erinnerung länger haften: die Landung von Apollo 11 im Jahr 1969 auf dem Mond oder das erste Bild vom Marsboden, das ich als NASA-Mitarbeiter im Jahr 1976 beim Viking-Programm mit als einer der Ersten sehen konnte? Der Einstieg in die Wissenschaftspublizistik bei Rundfunk und Fernsehen ermöglichte es mir dann, fast rund um den Erdball in Sachen »Weltraum« unterwegs zu sein. So bleiben mir auch die Tage und Stunden im Jet Propulsion Laboratory in Pasadena bei den Passagen von Voyager 2 1986 an Uranus und Neptun 1989 in Erinnerung: Planeten und ihre Monde, die wir erstmals aus der Nähe und im Detail zu sehen bekamen.

Nicht minder beeindruckend waren Erlebnisse in der Shuttle-Ära: so der Jungfernflug mit der Columbia am 12. April 1981 und die Ersttaten eines guten Dutzend weiterer Missionen. Aber auch bis heute ein Trauma: Zeuge der Challenger-Explosion im Jahr 1986 gewesen zu sein.

Unerreicht in der Rückschau aber bleibt das Apollo-Programm als die technisch bedeutendste Leistung des 20. Jahrhunderts haften. Die zeitweise spürbare Neigung, dessen wissenschaftlichen Erfolg klein zu reden, ist im Laufe der Jahrzehnte einer objektiveren Betrachtung gewichen. Holen wir mit dem Flug von Apollo 11 den Höhepunkt des Programms wieder in die Gegenwart zurück.


Projekt Apollo - Erste Annäherungen

In den 1960er Jahren war die Trackingstation der Berliner Wilhelm-Foerster-Sternwarte unter meiner Leitung in Kooperation mit amerikanischen Institutionen vorrangig mit der Verfolgung erdnaher Satelliten befasst. Wir beobachteten mit funktechnischen Mitteln Satelliten und ihre Übertragungen und konnten damit ihre Umlaufbahnen sehr exakt bestimmen.

Im Jahr 1966 begannen wir im Hinblick auf die zukünftigen Apollo-Missionen die technische Aufrüstung zum Empfang der Signale im so genannten S-Band bei 2,2 Gigahertz. Es war uns klar, dass wir mit unserer bescheidenen Antenne, einem Zwei-Meter-Spiegel, nicht das Geschehen am Erdtrabanten direkt verfolgen könnten. Zumindest bestand für uns aber die Chance, einen Teil des Mondflugs funktechnisch zu beobachten.

Die gigantischen technischen Dimensionen von Apollo begegneten mir dann im Jahr 1966 sehr hautnah erstmals »vor Ort«. Als NASA-Stipendiat an der Universität Miami konnte ich im Juli während der Mission Gemini 10 das VAB (Vertical Assembly Building), das riesige Montagegebäude am Cape Kennedy, so hieß es damals, samt der Trägerrakete Saturn V und ihrer mobilen Startplattform aus der Nähe und im Detail kennenlernen.

Dann kam der 27. Januar 1967: Bei einem Bodentest des für den 21. Februar geplanten ersten bemannten Flugs von Apollo-Saturn 204 brach in der Kapsel ein Feuer aus, das die drei Astronauten nicht überlebten. Im Nachhinein macht es immer noch staunen, dass nur 20 Monate später das bemannte Apollo-Programm wieder anlaufen konnte.

Am 12. Februar 1969, meinem Geburtstag, bekamen wir in der Wilhelm-Foerster-Sternwarte prominenten Besuch: Frank Borman, der Kommandant von Apollo 8, der ersten bemannten Mondorbitalmission im Dezember 1968 (siehe SuW 12/2008, S. 26 - 34). Beim Gespräch mit dem Astronauten wurde rasch klar, dass die bemannte Landung nicht nur um eine Größenordnung schwieriger sein würde als die Mondumrundung, sondern auch einige unerwartete Überraschungen erwarten ließ. Als ein Beispiel für seine eigene Mission erwähnte er die erstaunliche Tatsache, dass die Besatzung während des gesamten Hinflugs den Mond nicht zu Gesicht bekam, was zu erheblichen Irritationen führte.

Nur knapp einen Monat vor Frank Bormans Visite waren die Besatzungen für die ersten Apollo-Mondflüge zusammengestellt worden. So auch für die Mission Nr. 11: Neil Armstrong, Edwin »Buzz« Aldrin und Michael Collins. Als Ersatzmannschaft nominierte die NASA Jim Lovell und Bill Anders - beide bereits mit Apollo 8 zum Mond geflogen - sowie Fred Haise. Dazu kam ein Supportteam mit den Astronauten Ron Evans, Ken Mattingly und Jack Swigert. Allerdings unterschieden sich die Trainingsvorbereitungen der beiden Besatzungen deutlich. Die erste Crew wurde intensiv - bis zu 14 Stunden täglich - in Simulatoren für die Landung gedrillt, während die zweite Mannschaft im Routinetraining verblieb.

Anfang Februar 1969 legte die NASA den Flugplan für die kommenden zwölf Monate vor, der fünf Missionen vorsah, darunter vier Exkursionen zum Erdtrabanten. Entscheidend für den Fortgang des Programms, das im Hinblick auf mögliche sowjetische Aktivitäten unter Zeitdruck stand, war die Erprobung der Mondlandefähre, ursprünglich LEM - Lunar Excursion Module - genannt. Excursion, so die NASA später, klang zu sehr nach »Ausflug«, so dass die Nomenklatur nun in Lunar Module mit der Abkürzung LM geändert wurde. Mit der Mission Apollo 9 wurden im März 1969 Abstiegs- und Rückkehrstufe im Erdorbit erfolgreich getestet. Alle technischen Voraussetzungen für die bemannte Landung waren damit erfüllt.


Vorbereitungen für ein globales Medienereignis

Es war klar, dass die erste Mondlandung weltweit auf enormes Interesse stoßen würde. In einer Zeit, in der Internet und SMS noch in ferner Zukunft lagen und auch interkontinentale Selbstwähltelefonate noch nicht zum Standard gehörten, war die globale Übertragung der Mission in Echtzeit eine logistische Herausforderung. Der größte Teil der Kommunikation zwischen Europa und Amerika - Telefonate und Fernschreiben - wurde damals noch schmalbandig via Überseekabel abgewickelt. Seit Kurzem standen auch zwei Kommunikationssatelliten vom Typ Intelsat 3 über dem Atlantik und Pazifik zur Verfügung, die jeweils vier TV-Kanäle oder 1500 Telefonverbindungen bedienen konnten.

Mit Ausnahme des ehemaligen Ostblocks und Chinas, die das Ereignis bestenfalls als knappe Nachricht verbreiten würden, wollten die weltweiten Medien natürlich auch vor Ort dabei sein, das heißt zunächst am Cape und dann in der Missionskontrolle in Houston im US-Bundesstaat Texas. In den heimischen Redaktionen und Studios sollte die Koordination erfolgen, verbunden mit der Präsentation von Hintergrundinformationen und Expertengesprächen.

Der Hörfunk, das klassische Radio, schien mit den geplanten TV-Events, zumindest in Europa, kaum konkurrieren zu können. Beim Sender RIAS Berlin (Rundfunk Im Amerikanischen Sektor), einer amerikanischen Einrichtung, die ihren Hörerstamm hauptsächlich in Berlin und der damaligen DDR hatte, war man anderer Meinung: Bereits seit dem Jahr 1957 wurde hier dem Thema Raumfahrt viel Sendezeit eingeräumt. Der verantwortliche Redakteur, Hans Gerhard Meyer (1912 - 1983), hatte im Laufe der Jahre exzellente Kontakte zu Wernher von Braun und anderen von dessen Kollegen aus Peenemünde sowie zu weiteren führenden Raumfahrtexperten in den USA aufgebaut. Mehrfach hatte sich RIAS Berlin in aktuellen Raumfahrtfragen auch an mich gewandt.

Am 22. Mai 1969, an meinem Polterabend, erreichte mich die Bitte, die entscheidende Phase der Apollo-10-Mission zum Mond gemeinsam mit zwei Kulturredakteuren fachlich zu kommentieren. Der Köder: Eine Standleitung zur NASA nach Houston. Bei diesem Unternehmen mit den drei erfahrenen Astronauten Tom Stafford, John Young und Eugene Cernan an Bord sollte der Ablauf der Mondlandung weitestgehend realistisch erprobt werden, wobei eine Annäherung der Fähre an die Mondoberfläche bis auf etwa 14 Kilometer Höhe geplant war. Das gelang problemlos. Zu diesem Zeitpunkt wurde dann - nach Plan - die Landestufe des LM abgetrennt und das Triebwerk für den Aufstieg zum Mutterschiff gezündet. Für eine Landung wäre übrigens dieses Modell des LM nicht geeignet gewesen, da es für den Aufstieg von der Mondoberfläche zu schwer war.

Bis weit nach Mitternacht hingen wir gebannt am O-Ton aus dem Kontrollzentrum und wurden plötzlich Zeugen einer dramatischen Situation: Unmittelbar vor der Trennung der beiden Fährenkomponenten kam es zu einer unkontrollierten Rollbewegung, die erst kurz nach Abtrennung der Landestufe gestoppt werden konnte. Nur zwei Sekunden später wäre das LM auf einen Crashkurs zur Mondoberfläche geraten. Vermutlich war die Ursache ein Fehler des LM-Piloten Eugene Cernan, der dieses Ereignis auch drastisch kommentierte, was ihm später nicht nur einen Rüffel der NASA einbrachte, sondern auch den Spott der Kollegen: Bei ihrer Rückkehr - am Cape stand bereits die Rakete für Apollo 11 auf der Rampe 39A - empfing die Mannschaft ein Transparent mit der Aufschrift »Die Mission Apollo 10 - Nur für ein erwachsenes Publikum!«.


Grünes Licht für Apollo 11

Am 12. Juni 1969 fand in der NASA-Zentrale in Washington eine Sitzung unter der Leitung des Apollo-Programmdirektors General Sam Phillips statt, an der etwa ein Dutzend Entscheidungsträger teilnahmen. Nur eine Frage stand auf der Tagesordnung: Waren die Besatzung und die Technik von Apollo 11 bereit für einen Starttermin am 16. Juli? Phillips: »Ich stimme sofort einem Aufschub zu, wenn irgendetwas noch nicht klar ist oder wir die Männer zu sehr unter Druck setzen. Wenn letzteres der Fall ist, verschieben wir auf August.«

Hinsichtlich der Astronauten war die Einschätzung von Charles »Chuck« Berry, dem verantwortlichen Arzt sowie von Deke Slayton, der die Mannschaftsplanung leitete, besonders wichtig. Berry äußerte Bedenken. Die Strapazen des Trainings hätten der Crew zugesetzt, man sollte ihr mehr Zeit lassen. Slayton hatte hingegen keine Einwände für den Starttermin, schlug aber vor, das Training für die noch verbleibende Zeit etwas zu reduzieren. Anderthalb Stunden später war die Entscheidung einstimmig gefallen: Wir starten am 16. Juli!

Auch die Vorbereitungen der Medien liefen nun auf Hochtouren an: In Deutschland entschieden sich ARD und ZDF für eigene Programme mit entsprechend aufgemachten Studios. Für die ARD war der Westdeutsche Rundfunk unter Günter Siefarth (1929 - 2002) federführend. In Houston stand der Raumfahrtjournalist Werner Büdeler (1928 - 2004) bereit. Im ZDF war Heinrich Schiemann (1916 - 2002), vor seiner Medienkarriere Luftfahrtingenieur, die Schlüsselfigur. Friedrich Müller war der Mann in Texas.

RIAS Berlin entschied sich, die beiden Kollegen aus der Kulturredaktion nach Houston zu schicken, während Hans Gerhard Meyer und ich, ausgestattet mit dem O-Ton der NASA sowie mit umfangreichen Unterlagen, darunter eine 254 Seiten dicke Presseinformation der Raumfahrtbehörde, die Vertretungen im Studio sein sollten. Unser Vorteil gegenüber ARD und ZDF: Wir konnten praktisch zu jedem Zeitpunkt der Mission ins Programm gehen und auch über interessante Flugabschnitte, die nicht durch TV-Übertragungen abgedeckt waren, live berichten.

Alles war für den 16. Juli gerüstet. Was aber, wenn das Wetter oder ein überraschend auftretendes technisches Problem den Start verhinderte? Das Startfenster für die Mondmissionen wurde durch drei Faktoren bestimmt: Treibstoff, Kommunikation und Beleuchtungsverhältnisse an der Landestelle. Diese waren am Mondmorgen bei niedrigen Sonnenständen zwischen 5 und 14 Grad optimal. Ausgeprägte Schattenwürfe der Formationen wären dann eine wichtige Orientierungshilfe, und auf der Oberfläche würden moderate Temperaturen herrschen. Allein diese Bedingung ergab für eine bestimmte Landestelle nur ein Startfenster pro Monat, an einem einzelnen Tag. Eine Startverschiebung um 24 Stunden wäre nur unter Anflug einer weiter westlich gelegenen Landegegend möglich.

Die Zündung der S-IVB, der dritten Raketenstufe der Saturn V, die den Raumschiffkomplex in Richtung Mond befördern sollte, geschah auf einer niedrigen Erdumlaufbahn. Die Himmelsmechanik erforderte, dass das Triebwerk über der Rückseite des Mondes gezündet werden musste, um in eine für die Landung geeignete Umlaufbahn um den Erdtrabanten einzutreten. Zweimal am Tag bot sich die Gelegenheit: über dem Atlantik und dem Pazifik.

Die NASA entschied sich für den letzteren, da dies einen Start bei Tageslicht erlaubte und eine optimale Beobachtung dieses kritischen Manövers durch die Bodenstationen ermöglichte. Damals verfügte die NASA - seit den bemannten Flügen der Programme Mercury und Gemini - über ein weltumspannendes Netz von Bodenstationen, die entlang 28 Grad nördlicher und südlicher Breite installiert waren. Für die Mondmissionen wurde es auf 17 Bodenstationen, vier Schiffe sowie sechs Spezialflugzeuge erweitert.

Zündete man über Hawaii, so ließ sich Apollo über dem östlichen Pazifik und den USA verfolgen. Man hatte also Zeit genug, bei einer eventuellen Fehlfunktion der dritten Stufe entsprechende Maßnahmen zu treffen. Bedingt durch die Erdrotation lag Hawaii natürlich nur einmal täglich in der richtigen Position, was das Startfenster weiter einengte. Die S-IVB konnte wegen ihrer kryogenen Treibstoffe, flüssiger Wasserstoff und Sauerstoff, nicht allzu lange im Erdorbit fliegen. Nach maximal zwei Umläufen mussten die Tanks durch die Zündung weitestgehend entleert werden oder das Raumschiff zur Erde zurückkehren. Alles in allem resultierte aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren für den 16. Juli ein Startfenster in Richtung Mare Tranquillitatis, das sich um 14:32 Uhr MEZ öffnete und um 18:54 Uhr wieder schloss. Eine Verschiebung innerhalb dieses Fensters ließ sich durch eine Veränderung des Startwinkels der Rakete kompensieren. Anderenfalls hätte die Möglichkeit bestanden, am 18. oder 21. Juli 1969 Ziele weiter westlich anzufliegen. Diese Ersatzlandeplätze lagen im südwestlichen Teil des Sinus Medii beziehungsweise im Südosten des Oceanus Procellarum.


Die Sowjetunion sorgt für Aufregung

Am 13. Juli kam aus der UdSSR die Nachricht vom Start der Mondsonde Luna 15, verpackt in den gleichen belanglosen Text wie bei den vorangegangenen Unternehmen, der nichts über die Sonde selbst und ihre konkrete Aufgabenstellung verriet. Auffällig war allerdings der erstmalige Einsatz der Proton-Trägerrakete im Luna-Programm und die hohe Startmasse von 5,6 Tonnen. Es verwundert nicht, dass im Zeitalter des Kalten Kriegs die Gerüchteküche brodelte: Luna 15 solle Apollo 11 »stören« oder - harmloser - die Landung aus nächster Nähe beobachten. Über persönliche Kontakte erhielt die NASA aus Moskau die Zusicherung, dass die Mission der Sonde das amerikanische Unternehmen in keiner Weise tangieren werde. Über das konkrete Ziel schwieg man jedoch.

Heute wissen wir, dass Luna 15 Teil eines größer angelegten Versuchs war, den zu erwartenden Erfolg der USA etwas zu relativieren: Eine wichtige Rolle kam dabei dem Raketengiganten N-1 zu, der mit einem unbemannten Raumschiff vom Typ Zond sowie einem Funktionsmodell einer Landefähre starten sollte (siehe auch SuW 8/2008, S. 42 - 50 sowie SuW 10/2007, S. 26 - 58).

Die Aufgabe von Zond bestand darin, aus dem Mondorbit Multispektralaufnahmen von potenziellen Landegebieten zu gewinnen. Danach sollte Luna 15 starten, weich landen und automatisch eine kleine Bodenprobe vom Erdtrabanten zurückführen.

Am 3. Juli 1969 war es für die N-1 so weit: Doch bereits zehn Sekunden nach dem Abheben schalteten in nur 200 Meter Höhe alle Triebwerke ab. Die vollbetankte Rakete fiel auf die Rampe zurück und explodierte. Der Sachschaden am Startkomplex war so groß, dass man rund zwei Jahre für die Wiederherstellung benötigte. Alle Hoffnungen richteten sich nun auf Luna 15. Bis sich ihr Schicksal entschied, sorgte sie noch für erhebliche Nervosität bei der NASA.


Mittwoch, 16. Juli 1969: Die Reise beginnt

Nicht nur rund 3500 akkreditierte Journalisten aller Medien, darunter mehr als 800 ausländische Korrespondenten aus 54 Staaten, tummelten sich am Cape Kennedy und in Houston. Rund eine Million Schaulustige harrten in der näheren Umgebung des Startgeländes bis in Entfernungen von 50 Kilometer aus. Nahezu alle Zufahrtstraßen waren hoffnungslos verstopft.

Am Dienstagabend, um 22:00 Uhr MEZ, hatte der finale Countdown begonnen und verlief völlig problemlos. Stunden vor dem Start war in der NASA-Kommunikation immer wieder vom Astronauten Fred Haise die Rede. Er war zwar Mitglied der Ersatzcrew, doch welche Rolle Haise jetzt spielte, wurde uns erst nach einiger Recherche klar: Er saß gewissermaßen als Prüfingenieur schon längere Zeit in der Apollo-Kapsel, checkte gründlich alle Systeme durch und machte das Raumschiff startklar.

Auch nach dem Einstieg der Besatzung war Haise in der Kapsel in voller Aktion: Waren die Gurte richtig angelegt und geschlossen? War alles lose Gerät - wie Werkzeugkästen oder transportable Belüfter - entfernt worden? 30 Minuten Zeit hatte man für diese letzten Überprüfungen eingeplant. Dann verließ Haise die Kapsel und schloss die Luke.

Pünktlich um 15:32 Uhr MEZ hob die Saturn V von der Rampe 39A ab. Die perfekte TV-Übertragung erlaubte eine Kommentierung vom heimischen Studio aus. Lange konnten die Zuschauer am Cape und an den Bildschirmen den Aufstieg der Rakete verfolgen. Aber schon an diesem Tag wurde deutlich, was sich später zum Problem entwickeln sollte: Überlastete Leitungen verhinderten zunehmend den Kontakt mit den Korrespondenten vor Ort. Immerhin waren ja zunächst acht TVTermine eingeplant, so dass in Kombination mit dem NASA-Ton aus Houston eine umfassende Berichterstattung möglich erschien.

2 Minuten 41 Sekunden nach dem Start der Rakete war Brennschluss der mächtigen ersten Stufe. Knapp sechseinhalb Minuten später war die zweite Stufe ausgebrannt. Nun wurde die dritte Stufe zum ersten Mal für 147 Sekunden gezündet. Danach war die geplante Umlaufbahn mit hoher Genauigkeit erreicht. Anderthalb Erdumläufe blieb nun der Besatzung Zeit, alle Systeme zu prüfen.

2 Stunden 44 Minuten nach dem Start: Apollo 11 befand sich auf dem aufsteigenden Ast der Bahn über dem Südpazifik, als die dritte Stufe für 347 Sekunden zündete und so den Kurs in Richtung des Erdtrabanten einschlug. Es war eine so genannte »freie Rückkehr«-Bahn, mit einer größten Annäherung von 110 Kilometern an den Erdtrabanten. Im Falle des Versagens des Hauptmotors des Mutterschiffs hätte die Raumkapsel mit Hilfe der Lageregelungstriebwerke sicher zur Erde zurückkehren können.


Auf dem Weg zum Mond

Die nächsten spannenden Ereignisse konnte nur der Radiohörer verfolgen: Das Abkoppeln des Mutterschiffs (Command Service Module, CSM) von der dritten Stufe und sein Wendemanöver zum Andocken an die Landefähre, die ja noch in der Stufe steckte. Zwölf Riegel mussten einrasten, um eine sichere Verbindung zwischen den beiden Komponenten herzustellen. Erst dann konnte die Kombination LM/CSM von der S-IVB mittels Sprungfedern gelöst und auf sichere Distanz zur Stufe manövriert werden. Die dritte Stufe flog anschließend am Mond vorbei und schlug eine Umlaufbahn um die Sonne ein.

Am Abend des 18. Juli gab es eine ausgedehnte TV-Übertragung in Farbe und ausgezeichneter Qualität, die das Innere des Mutterschiff und der Landefähre zeigte sowie den Umstieg von Armstrong und Aldrin zur ersten Inspektion der Fähre. Inzwischen hatte die Crew vom Einschwenken der Sonde Luna 15 in die Mondumlaufbahn erfahren.

Nur gelegentlich klang an, mit welchen - wenn auch nicht dramatischen - Widrigkeiten die Besatzung zu kämpfen hatte. So gestaltete sich das Rasieren zu einer zeitraubenden und umständlichen Prozedur. Ärgerlicher war schon der Zustand der Bordapotheke: Offensichtlich war dort alles unter normalem Luftdruck verpackt worden und nun im reduzierten Kabinendruck aufgequollen, so dass sich der Inhalt gar nicht oder nur mit Gewalt entnehmen ließ.

Nach 73 Stunden auf Mondkurs war der Erdtrabant erreicht. Nun kam in einer Höhe von 160 Kilometern über der Oberfläche die erste entscheidende Bewährungsprobe für das Haupttriebwerk des Mutterschiffs: Es brannte für 357 Sekunden, und Apollo trat dadurch in eine elliptische Umlaufbahn um den Mond ein. Zweieinhalb Stunden später sahen wir atemberaubende Bilder der Oberfläche, darunter auch die potenzielle Landeregion. Eine weitere Zündung senkte Apollo 11 auf eine nahezu kreisförmige Bahn in rund 110 Kilometer Höhe ab.

Langsam wurde es Ernst: Zweimal überprüften Armstrong und Aldrin alle Systeme der Landefähre und machten sie betriebsbereit. Rund 100 Stunden nach dem Start war es dann Zeit für die Trennung. Zwei Raumschiffe waren nun im Mondorbit: Das Mutterschiff Columbia mit Michael Collins an Bord und die Landefähre Eagle.

Für unsere Live-Berichterstattung passierte das, was wir befürchtet hatten: Viele der Leitungen von Houston nach Europa waren total überlastet und brachen zum Teil für Stunden zusammen: Unsere Korrespondenten waren unerreichbar, so dass wir den Höhepunkt der Mission mit Hilfe der Standleitung zu NASA Mission Control Houston und den TV-Bildern von Berlin aus kommentieren mussten.


War die Landung tatsächlich in akuter Gefahr?

102 Stunden 33 Minuten nach dem Start: Der gesteuerte Abstieg der Landefähre beginnt. Rund fünf Minuten später signalisiert der Computer in der Fähre »Alarm 1202«. Weder Armstrong noch Aldrin haben die leiseste Ahnung, was er bedeutet. Das Stichwort »Alarm« schreckt nicht nur Kommentatoren auf. Es schien ernste Gefahr im Verzug zu sein.

Missionskontrolleur Steve Bales, verantwortlich für die Steuerungssysteme der Mondfähre, beruhigte: »1202« signalisiere zwar eine Überlastung des Rechners, er führe aber seine Arbeit dennoch aus. Erst wenn es zu einer Daueranzeige werde, gäbe es ein Problem. 1000 Meter über der Mondoberfläche gab es erneut Programmalarm, diesmal 1201, der ebenfalls ignoriert wurde. Die am Boden empfangenen Telemetriedaten zeigten, dass der Computer korrekt arbeitete. Ursache für die Alarme war der fortwährende Zustrom von Daten des Rendezvousradars, das hier nicht in Betrieb sein sollte.

Ein anderes Problem beeinflusste den ohnehin komplizierten Landeanflug noch mehr, das jedoch erst nach der Auswertung der technischen Daten ersichtlich wurde: Mit der Abnahme des Flüssigkeitsspiegels in den Tanks während des gesteuerten Abstiegs begannen die Treibstoffe darin herumzuschwappen und veränderten unregelmäßig die Raumlage der Fähre. Entsprechend begannen die Korrekturtriebwerke wild zu arbeiten, aber den raschen Bewegungen konnte der Computer nicht schnell genug folgen.

Mit großer Spannung verfolgten wir den weiteren Abstieg und die Suche nach einem neuen Landeplatz, da sich das zuerst anvisierte Terrain am West-Krater als zu rau herausstellte. In einer Höhe von nur noch 30 Metern hörten wir Aldrin: »Five per cent. Quantity light«. Wer die umfangreichen NASA-Unterlagen gründlich studiert hatte, wusste, dass nun ein kritischer Punkt erreicht war. Ein rotes Warnlicht leuchtete im Cockpit der Fähre auf, wenn der Treibstoffvorrat auf 5,6 Prozent abgesunken war. 114 Sekunden Flugzeit standen dann noch bis zu einer Landung oder dem Auslösen des Rückstarts zur Verfügung.

Im Kontrollzentrum startete man einen 94-Sekunden-Countdown. War er abgelaufen, so verblieben Armstrong noch 20 Sekunden zu entscheiden, ob er sicher aufsetzen konnte oder rückstarten musste. Als die Fähre bereits in zehn Meter Höhe über dem Mondboden schwebte, betrug die verbleibende Zeit bis zum Abbruch der Landung nur noch 30 Sekunden.

Charlie Duke, damals der Kommunikationsoffizier (Capcom) für die Gespräche zwischen Bodenstation und Raumschiff und später bei Apollo 16 der Pilot der Landefähre, erzählte mir, dass man wohl kollektiv im Kontrollraum den Atem angehalten habe und nicht genau wusste, ob man in diesen kritischen Sekunden Armstrongs eiserne Nerven bewundern oder fürchten sollte.

In etwa 1,8 Meter Höhe über Grund signalisierte einer der drei Sensoren, die an den Landebeinen befestigt waren, Bodenkontakt. Es war der 20. Juli 1969, 21 Uhr 17 Minuten 39 Sekunden MEZ, als die Landefähre von Apollo 11 auf der Mondoberfläche aufsetzte. Anderthalb Sekunden später waren alle Triebwerke abgeschaltet. Verblüfft waren nicht nur wir, sondern auch Charlie Duke im Kontrollzentrum, als Armstrong kühl meldete: »Houston, Tranquillity Base here. The Eagle has landed«. An diese Stationsbezeichnung mussten wir uns alle erst gewöhnen.

In der Nachbetrachtung der Landung war und ist bis heute zu hören, dass sie auch in einem Abbruch in letzter Sekunde oder gar in einem harten und damit katastrophalen Aufsetzen hätte enden können, weil nur noch für sieben Sekunden Treibstoff vorhanden gewesen sei. Aber auch hier hatte das Schwappen der Treibstoffe in den Tanks der Technik einen Streich gespielt und das Warnlicht zu früh ausgelöst. Tatsächlich stand noch für 45 Sekunden Treibstoff zur Verfügung. Erst ab Apollo 14 war übrigens das »Schwapp-Problem« behoben worden.


Die Astronauten auf dem Mond

Nach der Landung war erstmals etwas Ruhe angesagt, Zeit auch für die Kommentatoren, das Ereignis zu würdigen oder auch etwas ausführlicher an Michael Collins zu erinnern, der im Mutterschiff Columbia den Mond umrundete. Ihm fiel in den nächsten Stunden die Aufgabe zu, die Landestelle der Fähre aus dem Orbit zu lokalisieren, jedoch ohne Erfolg.

Auch das Geologenteam mit Eugene Shoemaker kam zunächst nicht weiter. Beschreibungen aus dem Orbit und von der Oberfläche sowie Bilder der Lunar-Orbiter-Sonden führten schließlich zu den offiziellen Landekoordinaten von 0,67408 Grad nördlicher Breite, 23,47297 Grad östlicher Länge, knapp sieben Kilometer westlich des Zentrums der vorgesehenen Landeellipse.

Geplant hatte die NASA den Ausstieg von Armstrong und Aldrin knapp zehn Stunden nach der Landung. Nun blieb also Zeit für eine Atempause auch für die Berichterstatter - aus Houston war jedoch zu erfahren, dass der genaue Zeitpunkt von den beiden Astronauten abhängen würde. Wenn sie nach der Überprüfung aller Bordsysteme die Vorbereitungen für den Ausstieg getroffen hatten und auf eine Ruhepause verzichteten, war der große Moment wesentlich früher zu erwarten.

Um 3:29 Uhr MEZ, wir schrieben in Mitteleuropa bereits den 21. Juli, öffnete sich die Luke. Zwölf Minuten später zeigte die fest montierte TV-Kamera an der Fähre schemenhaft den vorsichtigen Ausstieg Armstrongs. Exakt um 3 Uhr 56 Minuten 15 Sekunden MEZ berührte sein Fuß den Mondboden und dann folgte der nun schon historisch gewordene Satz »That's one small step for (a) man, one giant leap for mankind« (»Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit«). Allerdings gab es mitten im Satz eine Funkstörung, so dass unter den Kommentatoren zunächst das große Rätselraten begann, was Armstrong eigentlich genau gesagt hatte. 19 Minuten später stieg Aldrin die Leiter herab.

Mit einiger Besorgnis verfolgten wir, wie es um die Standfestigkeit der Beiden aussehen würde, denn laut der Presseinformationen der NASA waren in den relativ starren Raumanzügen für den Ausstieg die Bewegungsmöglichkeiten von Armen und Beinen deutlich eingeschränkt. Doch es lief alles besser als erwartet.

Für die Geologen lieferten die Astronauten eine ausführlichere Beschreibung des Mondbodens und der Umgebung. Die Techniker erhielten die beruhigende Mitteilung, dass die Landebeine der Fähre nur wenige Millimeter tief in den Staub eingesunken waren und der Abstand zwischen dem Boden und der Triebwerksdüse gut 30 Zentimeter betrug.

Die Studios in Berlin, Köln und Mainz wurden natürlich mit unglaublich vielen Zuschauerfragen überhäuft, so zum Beispiel, ob die Astronauten auf der Oberfläche ein Gefühl für die Temperaturen in der Sonne und im Schatten haben. Erst nach der Rückkehr von Apollo 11 konnte ich detaillierte Fragen dieser Art an Armstrong stellen:

»Ich weiß gar nicht, wie die Außentemperaturen waren. Ich hörte von Schätzungen zwischen 0 und 100 Grad Celsius. Im Inneren des Anzugs hatte ich kein Temperaturempfinden. Und zu keinem Zeitpunkt habe ich beim Anfassen von Gegenständen etwas von einem Wärmedurchgang durch die isolierenden Handschuhe bemerkt, weder an der Fähre selbst noch an Objekten im Schatten, im Sonnenlicht oder an den Werkzeugen, der Flaggenstange, der TV-Kamera oder an den Steinen, die ich in der Hand hielt.«


Der Mond »riecht«

Viele der merkwürdigen Erfahrungen, die Armstrong und Aldrin auf dem Erdtrabanten machten, wurden erst bei den Besprechungen nach der Landung bekannt. So auch über einen merkwürdigen Geruch nach dem Wiedereinstieg in die Landefähre:

Armstrong: »Es herrschte ein ganz bestimmter Geruch in der Fähre. Es schien mir nach feuchter Asche wie in einem Kamin zu riechen. Behaupten konnten wir nicht, dass es von dem Mondmaterial herrührte, das wir mit in die Kabine gebracht hatten, aber wir mussten vermuten, dass es doch der Fall war. Es gab natürlich noch die Möglichkeit, dass sich die Kabelisolierungen in der Fähre im Vakuum verändert hätten und für die Gerüche verantwortlich waren. Aber das schien die weniger wahrscheinliche Möglichkeit zu sein.«

Aldrin: »Geruch ist etwas sehr Subjektives, aber für mich hatte das Mondmaterial einen ganz ausgeprägten Geruch: stechend wie Schießpulver oder leer geschossene Patronen. Wir haben ja eine ganze Menge Mondstaub in die Fähre eingebracht, mit unseren Anzügen, mit unseren Stiefeln oder mit dem Transportgerät . Wir bemerkten den Geruch sofort.«

Alle anderen Mondastronauten bestätigten diesen Eindruck. Vermutlich entstand er, als der Mondstaub mit der feuchten Atmosphäre und dem Sauerstoff in der Landefähre reagierte. In den NASA-Laboratorien ließ sich dieser Effekt mit den Gesteinsproben jedoch nicht verifizieren.


Das Geschehen auf dem Mond und die TV-Übertragung

Zwei Stunden und 34 Minuten verbrachten Armstrong und Aldrin außenbords, wobei sie sich maximal 60 Meter von der Fähre entfernten. Es war schwierig, anhand der unscharfen und kontrastarmen Fernsehbilder die wesentlichen Stationen ihrer Aktivitäten, vom Hissen der Flagge über das Aufstellen der Messstation (Seismometer und Laser-Retroreflektor), das Einsammeln von 21,5 Kilogramm Gesteinsproben bis hin zum Telefonat mit Präsident Nixon adäquat zu beschreiben. Dennoch blieben Berichterstatter und Zuschauer gebannt an den Bildschirmen hängen. Sahen wir aber wirklich die optimale Qualität, oder gab es wesentlich bessere Bilder?

Tatsächlich gab es bessere TV-Bilder. Sehen wir uns zunächst die Kamera und die Übertragungswege etwas genauer an: Von Anfang war es bei der NASA klar, dass eine TV-Kamera für den Einsatz auf dem Erdtrabanten nur eine kleine Bandbreite besitzen durfte, denn ihre Bilder waren nur ein Teil des Datenstroms, der Sprache, Telemetrie und biomedizinische Informationen via Landefähre zur Erde übermitteln sollte. 500 Kilohertz Bandbreite, weniger als ein Zehntel der kommerziellen TV-Standards, standen zur Verfügung.

Nach fünf Jahren Entwicklungszeit präsentierte die Firma Westinghouse eine leichte und robuste Schwarzweiß-Kamera. Sie besaß eine Auflösung von 320 Zeilen und lieferte zehn Bilder pro Sekunde. Zum Vergleich: Der amerikanische TV-Standard beträgt 525 Zeilen und 30 Bilder pro Sekunde. Dieses »slow scan«-Fernsehen vom Mond wurde in den Empfangsstationen in Goldstone (USA), Honeysuckle Creek und Sydney (Australien) mit einer speziellen Technik auf »normales« Fernsehen konvertiert, mit deutlichen Verlusten an Auflösung, Kontrast und Helligkeit. Zusätzlich gelangte Rauschen aus der Technik in die Bilder.

Doch das war längst nicht alles: Der größte Anteil der Übertragung vom Mond kam über Australien. Von Sydney aus wurden die Signale zum Satelliten Intelsat 3 über dem Pazifik geschickt, in der kalifornischen Satellitenstation Jamesburg empfangen und per Leitung analog nach Houston übermittelt. Insgesamt betrug also der Übertragungsweg von den australischen Bodenstationen Bodenstationen bis nach Houston rund 80 000 Kilometer, was nicht unwesentlich zur weiteren Qualitätsminderung beitrug.

Das alles ist nicht nur pure Theorie: Seit einigen Jahren sind Bilder bekannt, die zum Beispiel in Honeysuckle Creek vor der Konversion vom Monitor abfotografiert wurden. Sie sind wesentlich detail- und kontrastreicher als das, was wir auf den Bildschirmen zu sehen bekamen. Mit diesen Aufnahmen stießen die australischen Tracking-Veteranen eine Kampagne an, die der NASA bis heute noch zu schaffen macht: Mit den Originalbändern mit den Videosignalen vor der Konversion sollte es möglich sein, die Aktivitäten von Armstrong und Aldrin im Mare Tranquillitatis in neuer Qualität zu zeigen. Doch bis heute ließen sich die Bänder nicht auffinden. Sie wurden zwar korrekt archiviert, aber wo sie letztlich gelandet sind, kann zurzeit niemand beantworten.


Auf dem Weg zur Erde

Am 21. Juli 1969 um 18:54 Uhr MEZ war es dann wieder so weit: Nach einer extrem unbequemen und kalten Ruhepause und nach rund 22 Stunden auf dem Mond hob das Aufstiegsteil der Landefähre aus dem Mare Tranquillitatis ab, um in einen Rendezvousorbit mit dem Mutterschiff Columbia einzuschwenken. Kurz zuvor war übrigens die russische Sonde Luna 15 beim Landeanflug hart aufgeschlagen und dabei zerschellt.

Im Orbit kam jetzt schwierige Arbeit auch auf Michael Collins zu. Er bekannte später, dass ihn in den zurückliegenden Tagen und Wochen Alpträume geplagt hätten, allein zur Erde zurückkehren zu müssen. Vor dem Andocken, dreieinhalb Stunden später, kam es zu einer Reihe von Manövern und auch zu einem Zwischenfall. Während der Driftphase zum Mutterschiff fing das Aufstiegsteil unerwartet an zu taumeln, doch Armstrong bekam die kritische Situation rasch in den Griff. Beide Astronauten waren verblüfft, wie exzellent sich der »Rest« der Fähre beherrschen ließ. Die Kopplung ging nicht ganz problemlos vonstatten. Nach rund 28 Stunden Trennung war die Crew jedoch schließlich wieder vereint. Die Astronauten verluden die Gesteinsproben und trennten danach das Aufstiegsteil ab, das in einem mittleren Mondorbit verblieb.

Noch einmal hielt man nicht nur bei der NASA den Atem an: Am 22. Juli um 5:56 Uhr MEZ zündete auf der Mondrückseite für 152 Sekunden das große Triebwerk des Mutterschiffs. Exakt zur berechneten Zeit tauchte dann die Columbia am Mondrand auf und war somit auf Erdkurs. Auf die Frage von Capcom Charlie Duke, wie es denn gelaufen sei, antwortete Collins: »Es ist Zeit, die Türen zum Mond-Empfangslabor zu öffnen!« Das bedeutete im Klartext, dass die Mannschaft von jetzt an bis zum 10. August 1969 unter Quarantäne stand. Eine Tatsache, die großes Interesse bei den Medien fand und Anlass zu abenteuerlichen Spekulationen über mögliche gefährliche Mondbakterien gab.

Zweimal noch fanden auf dem Rückflug aus dem Mutterschiff TV-Übertragungen in Farbe statt: Bilder von Mond und Erde, vom Inneren des Mutterschiffs und schließlich eine Dankbotschaft der Crew an alle am Unternehmen Beteiligten. Der letzte Höhepunkt der Mission, auch in der weltweiten Berichterstattung, war die Landung.

Ganz neu war das Procedere des feurigen Eintritts der Apollo-Kapsel in die Atmosphäre mit rund elf Kilometer pro Sekunde und die Landung auf dem Wasser für die Öffentlichkeit nicht. Apollo 8 und 10 hatten diese Technik bereits erfolgreich praktiziert. Wegen schlechter Wetterbedingungen wurde der Aufsetzpunkt noch um 395 Kilometer verlegt. Am 24. Juli 1969 um 17 Uhr 50 Minuten und 35 Sekunden ging Apollo 11 im Pazifischen Ozean drei Kilometer vom anvisierten Ziel nieder.

Viel bekamen wir von den Astronauten zunächst nicht zu sehen. Auch Präsident Richard Nixon nicht, der sie auf dem Bergungsschiff, der U.S.S. Hornet, erwartete. Selbst ihm war nur der Blick durch die Scheibe des mobilen Quarantänelabors vergönnt. Das große Abenteuer, das mindestens eine halbe Milliarde Menschen an den Bildschirmen und Radios miterlebt hatten, war zu Ende. Für die folgenden Missionen zum Erdtrabanten hatten zwar sowohl die NASA als auch die Medien gelernt. Doch spätestens nach Apollo 13 waren die Mondexkursionen meist nur ein Thema für die Nachrichten. Nur RIAS Berlin hielt seine umfassende Berichterstattung vom Start bis zur Landung bei allen folgenden Apollo-Missionen voll aufrecht. Doch das ist eine andere Geschichte.

Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute.de/artikel/996030


Harro Zimmer, Jahrgang 1935, studierte an der TU Berlin Chemie und 1966 als NASA-Stipendiat Weltraumwissenschaften an der Universität Miami. Von 1973 - 1986 war er erster Vorsitzender der Wilhelm-Foerster-Sternwarte Berlin. Bis 1995 arbeitete er als leitender Redakteur bei RIAS Berlin und dann bei der Deutschen Welle TV. Heute ist er als Space Consultant und Publizist aktiv.


ZUSATZINFORMATIONEN:

Zusatzinformation 1:
Meilensteine des Apollo-Programms bis zur Mondlandung

Mitte 1958: Noch vor der Gründung der US-Weltraumbehörde
NASA beginnt das US-Verteidigungsministerium mit der Entwicklung der Saturn-I-Trägerrakete.

25. Mai 1961: In einer Rede vor dem US-Kongress erhebt Präsident John F. Kennedy die bemannte Mondlandung noch vor dem Ende des Jahrzehnts zum nationalen Ziel der USA.

27. Oktober 1961: Erster Teststart einer Saturn-I-Trägerrakete, erfolgreich

1962 - 1965: weitere neun Testflüge von Saturn-I-Trägerraketen in verschiedenen Entwicklungszuständen. Bis heute unerreicht: Im gesamten Saturn-Raketenprogramm gab es keinen Fehlstart!

26. Februar 1966: Erster Test einer Apollo-Kommandokapsel auf einem suborbitalen Flug.

5. Juli 1966: Erster Test des Apollo-Kommandomoduls in der Erdumlaufbahn

27. Januar 1967: Tragödie von Apollo 1: Während eines simulierten Countdowns fängt die Raumkapsel Feuer, die Astronauten Virgil Grissom, Edward White und Roger Chaffee sterben qualvoll. Alle weiteren bemannten Flüge verzögern sich um 20 Monate.

9. November 1967: Erster unbemannter Testflug der Trägerrakete Saturn V unter der Bezeichnung Apollo 4, erfolgreich.

22. Januar 1968: Apollo 5: Erster unbemannter Flugtest der Mondlandefähre in der Erdumlaufbahn, erfolgreich

4. April 1968: Apollo 6: Zweiter unbemannter Testflug der Saturn V mit Prototypen der Mondlandefähre und Kommandokapsel, erfolgreich.

11. - 22. Oktober 1968: Apollo 7: Erster bemannter Flug der Apollo-Raumkapsel, an Bord befanden sich die Astronauten Walter Schirra, Donn Eisele und Walter Cunningham. Alle Missionsziele wurden erreicht.

21. - 27. Dezember 1968: Apollo 8: Erster bemannter Flug zum Mond, aber noch ohne Mondlandefähre. Die Apollo-Kapsel absolvierte zehn Mondumläufe, an Bord waren die Astronauten Frank Borman, James A. Lovell und William Anders.

3. - 13. März 1969: Apollo 9: Flug in die Erdumlaufbahn zur bemannten Erprobung der Mondlandefähre. An der Mission nahmen die Astronauten James McDivitt, David Scott und Russell Schweickart teil.

18. - 26. Mai 1969: Apollo 10: Generalprobe für die bemannte Mondlandung und Test der Landefähre auf der Mondumlaufbahn. Die Mondfähre nähert sich beim Testflug der Mondoberfläche bis auf 15 Kilometer an. An Bord von Apollo 10 befanden sich die Astronauten Tom Stafford, John Young und Eugene Cernan.

16. - 24. Juli 1969: Apollo 11: Erste bemannte Mondlandung am 20. Juli 1969. Neil Armstrong und Edwin Aldrin betreten als erste Menschen einen fremden Himmelskörper. An Bord des Apollo-11-Mutterschiffs Columbia umflog Michael Collins derweil den Erdtrabanten auf einer Umlaufbahn. 21,5 Kilogramm Mondgesteinbegleiteten die Astronauten zurück zur Erde.


Zusatzinformation 2:
Die Qualität der TV-Übertragung vom Mond

Die mit dem Parabolspiegel des Radioobservatoriums Parkes und in Honeysuckle Creek in Australien und in Goldstone im US-Bundesstaat Kalifornien empfangenen Original-TV-Bilder der Aktivitäten von Armstrong und Aldrin wurden zum Teil privat oder zur internen Dokumentation vom Bildschirm abfotografiert und erst rund 35 Jahre nach der Mondlandung veröffentlicht.

Der Qualitätsverlust durch Konversion auf das übliche Fernsehbild wird zum Beispiel bei Armstrongs Montage des Behälters mit den Gerätschaften eindrucksvoll sichtbar. Die konvertierte Version, die in Goldstone aufgenommen wurde, ist links zu sehen. Rechts ist die gleiche Szene ohne Konvertierung dargestellt, sie wurde in Honeysuckle Creek auf 35-Millimeter-Fotofilm abgelichtet.

Der lange Übertragungsweg führte zusätzlich zu Qualitätsminderungen, wie sie die beiden konvertierten Bilder - sie zeigen Aldrin am Solar Wind Experiment - verdeutlichen. Links die Aufnahme aus Parkes via Houston wie sie die Welt sah, rechts das Monitorfoto nach der Konversion, aufgenommen in Honeysuckle Creek.


Zusatzinformation 3:
WIS - Wissenschaft in die Schulen

Zu diesem Beitrag stehen jedem Interessierten auf unserer Internetseite www. wissenschaft-schulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung. Darin wird gezeigt, wie das Thema im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe behandelt werden kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bildunterschrift 1:
Edwin Aldrin hat gerade das Seismometer für die Untersuchung von Mondbeben einsatzbereit gemacht. Im Hintergrund steht die Landefähre Eagle.

Bildunterschrift 2:
Die Astronauten Neil Armstrong, Michael Collins und Edwin »Buzz« Aldrin (von links) posieren in Freizeitkleidung vor ihrer startbereiten Saturn-V-Trägerrakete.

Bildunterschrift 3:
Die Mondlandefähre Eagle fotografierte Michael Collins kurz nach dem Abkoppeln vom Mutterschiff Columbia. Sehr deutlich zeigen sich das Haupttriebwerk und die vier Beine mit den Landetellern.

Bildunterschrift 4:
Angespannt blickt der Capcom und Astronaut Charles Duke während des finalen Landeanflugs von Apollo 11 auf einen Datenmonitor im Missionskontrollzentrum in Houston. Neben ihm sitzt Astronaut James Lovell.

Bildunterschrift 5:
Edwin Aldrin macht sich bereit, die Landefähre Eagle durch die enge Ausstiegsluke zu verlassen.

Bildunterschrift 6:
Diese Szene ist eine der wenigen Aufnahmen, die den Astronauten Neil Armstrong auf dem Mond zeigt. Auf fast allen anderen Bilder ist sein Kollege Edwin Aldrin zu sehen.

Bildunterschrift 7:
Um die Erde zusammen mit der Landefähre Eagle abzulichten, musste sich Astronaut Neil Armstrong weit zurücklehnen, um den sehr hoch am Himmel stehenden Blauen Planeten mit auf das Bild zu bekommen.

Bildunterschrift 8:
Erst Jahrzehnte nach der Mondlandung von Apollo 11 veröffentlichte die NASA dieses Panorama der Landestelle, dessen Einzelbilder Edwin Aldrin mit einer 70-Millimeter-Fotokamera aufnahm. Mit modernen Bildverarbeitungsmethoden entzerrte die NASA die Einzelbilder und konnte sie nahtlos aneinanderfügen (Fortsetzung nächste Doppelseite).

Bildunterschrift 9:
Der Autor dieses Artikels beteiligte sich zusammen mit seinen Kollegen Ruprecht Kurzrock (links) und Horst Eifler (Mitte) im Studio des RIAS Berlin an der Live-Berichterstattung über Apollo 11.


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Quelle:
Sterne und Weltraum 7/09 - Juli 2009, Seite 28 - 39
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528-0, Fax: 06221/528-246
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69126 Heidelberg
Tel.: 06221/912 66 00, Fax: 06221/912 67 51
Internet: www.astronomie-heute.de

Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2009