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RAUMFAHRT/773: Interview zum Raumfahrtkongreß im Juli 2010 in Bremen (highlights - Uni Bremen)


"highlights" - Heft 22 / Mai 2010
Informationsmagazin der Universität Bremen

"Einer der größten Raumfahrtkongresse, die es bis dahin gegeben hat"


Vom 18. bis 25. Juli findet die weltweit größte Konferenz zur Raumfahrtforschung in Bremen statt - die 38. Versammlung des Committee on Space Research (COSPAR). Mehr als 3.000 Wissenschaftler aus 56 Ländern tauschen sich sieben Tage über Raumfahrt, Satellitentechnik, Erdfernerkundung und zahlreiche weitere Gebiete aus. Organisiert wird die Großveranstaltung von einem Institut der Universität - dem Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM). Ein Interview mit ZARM-Direktor Professor Hans J. Rath.

highlights: Herr Rath, welche Bedeutung hat die Zusammenkunft des Committee on Space Research im Juli 2010 für die Raumfahrtbranche?

Prof. Rath: Wir erwarten 3.000 Forscher und mehr als 1.000 Vertreter von Firmen und Raumfahrtagenturen sowie viele Menschen, die das Thema interessiert und fasziniert. Das Committee on Space Research gibt es schon seit 1958. Es wurde in der Zeit des Kalten Krieges gegründet, um die Raumfahrtforschung international voranzutreiben. Der wissenschaftliche Austausch sollte unabhängig von den politischen Differenzen der beiden Blöcke gewahrt bleiben. Die Versammlung findet alle zwei Jahre statt und ist ein fachübergreifendes Forum für Wissenschaftler aller Disziplinen, die mit der Raumfahrtforschung zu tun haben.

highlights: Womit beschäftigt sich der Kongress inhaltlich?

Prof. Rath: Mit so ziemlich allem, was sich auf dem Gebiet der Raumfahrtforschung tut. Innerhalb von jeweils zwei Jahren passieren weltweit so viele Dinge, dass sieben Tage gerade ausreichen, um sich über das Wichtigste auszutauschen. Da geht es um Erdbeobachtung, die Erforschung der oberen Atmosphäre, um das Erde-Mond-System, die Planeten unseres Sonnensystems. Einen großen Raum wird sicher der Klimawandel einnehmen. Aber auch Themen wie Magnetfeld- und Space-Plasma-Forschung oder Astrophysik spielen eine Rolle. Wie viele Universen gibt es? Das ist beispielsweise eine heiß diskutierte Frage. Denn Quantenphysiker sind sich sicher, dass es nicht nur ein Universum gibt - sondern nahezu unendlich viele.

highlights: Wenn man sich die Veranstaltungsorte der vergangenen COSPAR-Meetings ansieht, stehen da Houston, Paris, Peking und Montreal. Wie kommt denn plötzlich das kleine, beschauliche Bremen dazu, Gastgeber dieser Konferenz zu sein?

Prof. Rath: Da gibt es verschiedene Gründe. Zunächst einmal: Bremen hat international ein ausgezeichnetes Ansehen innerhalb der "scientific community" und ist in den vergangenen Jahren in Deutschland zum Raumfahrtstandort Nr. 1 aufstiegen. Wir haben hier heute auf der Forschungsseite das ZARM - das größte 'erdgebundene Weltraumlabor'; dazu das Institut für Umweltphysik (IUP), das Institut für Raumfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und den Bereich Weltraumrobotik des Deutschen Zentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Auf Industrieseite sind hier der erfolgreiche Satellitenbauer OHB System AG und die EADS Astrium, die als europäisches Zentrum für bemannte Raumfahrt gilt, ansässig. Zum anderen verfügt die Fallturm-Betriebsgesellschaft, die ein Teil des ZARM ist, über ein sehr erfahrenes Kongress-Team. Es hat 2003 bereits in Bremen den International Astronautical Congress (IAC) mit über 3.000 Teilnehmern organisiert. Da war bereits zu sehen, dass wir das ausgezeichnet können - und deshalb ist das ZARM jetzt Veranstalter des COSPAR-Meetings. Für Bremen ist das natürlich eine tolle Sache.

highlights: Wie wichtig ist die Raumfahrttechnologie eigentlich für Deutschland? Es gibt ja Kritiker, die jeden Euro für diesen Bereich für rausgeschmissenes Geld halten - in Zeiten knapper öffentlicher Kassen allzumal.

Prof. Rath: Das ist aber vorschnell geurteilt. Die Geschichte der deutschen Raumfahrtaktivitäten belegt, dass sie der wichtigste Technologiemotor waren und sind. Neueste Entwicklungen in der Mikrochip- oder Medizintechnik sind zuerst im Raumfahrtbereich verwirklicht worden. Und wenn man andere Planeten besiedeln will - was in 1.000 oder 2.000 Jahren durchaus der einzige Weg für das Überleben der Menschheit sein könnte, weil unsere Ressourcen endlich sind und sich die Lebensbedingungen auf der Erde stetig verschlechtern - dann darf man jetzt nicht die Hände in den Schoß legen.

highlights: Das klingt ja ein bisschen nach Science Fiction, und die dafür verwendeten Milliarden wollen manche Leute vielleicht lieber woanders sehen ...

Prof. Rath: ... aber wir dürfen bei solchen Dingen nicht in zu kurzen Zeiträumen denken, da gilt wirklich die lange Sicht. Übrigens muss man dann auch fragen, inwiefern die Milliarden für die Abwrackprämie zum technologischen Fortschritt beigetragen haben. Die Antwort lautet: gar nicht. Das ist bei den Mitteln, die für Raumfahrtforschung bereitgestellt werden, genau umgekehrt. Ein Hochtechnologie-Standort wie Deutschland muss sich hier nachhaltig engagieren. Das ist nämlich ein Bereich, in dem wir im globalen Wettbewerb noch punkten können.

highlights: Und das tun Deutschland und Bremen auch mit dem COSPAR-Meeting im Juli?

Prof. Rath: Auf jeden Fall. Wir sind im Bremer Congress-Centrum auf 70.000 Quadratmetern aktiv. Es gibt sieben Tage lang 29 parallele wissenschaftliche Sessions; bislang sind bereits fast 4.500 Vorträge angemeldet worden. Neben dem wissenschaftlichen Programm gibt es auch eine Raumfahrt-Ausstellung mit zahlreichen informativen Ständen sowie öffentliche Veranstaltungen. Diese Zusammenkunft in der Hansestadt wird sicher einer der größten Raumfahrtkongresse, die es bis dahin gegeben hat.


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Quelle:
highlights - Informationsmagazin der Universität Bremen
Heft 22 / Mai 2010, Seite 7
Herausgeber: Rektor der Universität Bremen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2010