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RAUMFAHRT/791: Raumfahrtpolitik - Akademie empfiehlt strategische Ausrichtung (idw)


acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften - 30.11.2010

Raumfahrtpolitik:
Akademie empfiehlt strategische Ausrichtung und straffere Koordination


München/Berlin, 30.11.2010. Anlässlich der heutigen Verabschiedung einer neuen Raumfahrtstrategie durch die Bundesregierung hat acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften ein Positionspapier mit Leitlinien für eine deutsche Raumfahrtpolitik vorgelegt. Darin empfiehlt die Akademie, die nationale Koordination der Raumfahrtaktivitäten und das Raumfahrtmanagement deutlich zu straffen und klare, strategisch gewählte inhaltliche Schwerpunkte zu setzen.

Laut dem ehemaligen Astronauten Ernst Messerschmid lassen sich nur so die Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft optimal nutzen, die sich aus den auf der Raumfahrt basierenden neuen Anwendungen in den Bereichen Telekommunikation, Navigation und Erdbeobachtung ergeben. Der Leiter der Autorengruppe des Positionspapiers warnt davor, dass Deutschland andernfalls seine Innovationsführerschaft in vielen Bereichen der Raumfahrt verlieren könnte. Gleichzeitig mahnt er eine wirkungsvollere Vertretung deutscher Interessen im internationalen Kontext an, um die Rendite der deutschen Raumfahrtinvestitionen zu erhöhen.

Die deutsche wie die europäische Raumfahrt stehen vor Herausforderungen, auf die die deutsche Raumfahrtpolitik reagieren muss. Aufstrebende Staaten wie China, Indien oder Brasilien weiten ihre Raumfahrtaktivitäten signifikant aus, die Rollenverteilung zwischen der EU und der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA muss infolge des Lissabon-Vertrags neu gestaltet werden. Auf nationaler Ebene sind inzwischen viele konkurrierende Ministerien und Organisationen mit Fragen der Raumfahrt befasst. "Vor diesem Hintergrund ist es dringend erforderlich, die nationale Koordination, etwa unter Führung des Bundeskanzleramts, deutlich zu straffen und dabei die Belange von Forschung, Ausbildung und Industrie stärker mit einzubeziehen", sagt das Akademiemitglied Ernst Messerschmid, der gleichzeitig Lehrstuhlinhaber für Astronautik und Raumstationen an der Universität Stuttgart ist. Die Umsetzung der deutschen Raumfahrtstrategie sollte zudem einer einzigen Organisation mit gesamtverantwortlichem Management und technisch-wissenschaftlicher Kompetenz übertragen werden.

Basis der deutschen Raumfahrtaktivitäten sollte nach den Empfehlungen von acatech ein starkes nationales Raumfahrtprogramm sein, das eigenständige Ziele verfolgt und vorbereitende Aktivitäten für europäische und internationale Programme umfasst. Dabei müssen klare inhaltliche Schwerpunkte bei Anwendungen (Telekommunikation, Navigation und Erdbeobachtung), Bildung und Forschung, Infrastrukturprogrammen und Technologien gesetzt werden, wobei auch die militärische Raumfahrt einzubeziehen ist. "Andernfalls droht Deutschland seine Innovationsführerschaft in vielen Bereichen der Raumfahrt zu verlieren und hinter seine Wettbewerber zurückzufallen", sagt Ernst Messerschmid. Gleichzeitig trage eine kohärente nationale Strategie mit klaren inhaltlichen Schwerpunkten, einer effizienteren Koordination und einem wirkungsvolleren europäischen und internationalen Engagement dazu bei, die Rendite der öffentlichen Raumfahrtinvestitionen noch einmal deutlich zu erhöhen.

Mit Blick auf die europäische und internationale Raumfahrtpolitik mahnt Ernst Messerschmid eine bessere Vertretung deutscher Interessen an. "Deutschland sollte in europäischen wie internationalen Raumfahrtorganisationen und -missionen eine Führungsrolle spielen und seine politischen und wirtschaftlichen Interessen als wichtige Raumfahrtnation und größter Beitragszahler innerhalb der EU wirkungsvoller als bisher vertreten." Dazu bedürfe es auch vermehrter und systematischer Anstrengungen zur Ausbildung, Auswahl und Durchsetzung geeigneten deutschen Personals in europäischen wie internationalen Raumfahrtorganisationen."

Im europäischen Kontext ist laut dem acatech Positionspapier eine klare Aufgabenverteilung zwi-schen EU und ESA notwendig. Die ESA müsse eine eigenständige Organisation bleiben, die im Auftrag der Europäischen Union EU-Programme umsetzt. Der europäische Weltraumrat (Space Council) sollte als wesentliches politisches Entscheidungsgremium weiterentwickelt werden. Klärungsbedarf sieht das Positionspapier bei der Bedeutung eines autonomen und garantierten Zugangs zum Weltraum für Deutschland, der Weiterentwicklung von Trägertechnologien sowie bei der Zukunft der Exploration im internationalen Rahmen zur Internationalen Raumstation ISS und später zu ferneren Zielen, welche nicht vorschnell und exklusiv auf eine Exploration durch robotische Systeme verkürzt werden darf.

Weitere Informationen unter:
http://www.acatech.de/raumfahrt

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution858


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften,
Jann Gerrit Ohlendorf, 30.11.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010