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BERICHT/314: "Harry Homborn" geht auf Sendung (Bethel)


Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - 03.08.2009

"Harry Homborn" geht auf Sendung


Bielefeld-Bethel. "Hey Mayal, spiel doch noch mal 'Ich + Ich'! Das fand ich echt klasse", ruft eine junge Frau im Vorbeigehen durch die offene Tür der Pforte. Mayal Petersen lacht.

Er freut sich, dass sein Radio-Programm in der Homborner Werkstatt in Breckerfeld so gut ankommt. Ein Mal im Monat geht der behinderte junge Mann als "Harry Homborn" über die Lautsprecheranlage der Pforte auf Sendung.

Bevor Mayal Petersen sein "Werkstatt-Radio" über den Äther schickte, wollte er erst einmal seine Hörerschaft kennen lernen. Ein Fragebogen über die musikalischen Vorlieben lieferte das Ergebnis: "Die meisten hören ziemlich Querbeet: Rock und Pop sind beliebt, aber auch Schlager kommt gut an." Der lebhafte und fröhliche junge Mann spielt in seinen Sendungen nicht nur Lieder ab, sondern moderiert auch. Da er körperlich stark eingeschränkt ist und nicht sprechen kann, schreibt er seine Sätze auf dem Computer, eine künstliche Stimme liest den Text dann vor: "Peter aus der Werkstatt II hat heute Geburtstag. Für ihn spiele ich jetzt DJ Ötzi." Außerdem gibt es eine Wettervorhersage und Veranstaltungshinweise. Wenn Harry Homborn loslegt, werden in den Montageräumen die Lautsprecher aufgedreht. Für die nächsten anderthalb Stunden ist die gute Laune seiner rund 150 Zuhörer sicher.

Seit fünf Jahren arbeitet Mayal Petersen in der Homborner Werkstatt. Fast genauso lange unterstützt ihn Tina Voss, Heilerziehungspflegerin und "so eine Art Freundin". Sie leitet eine Integrativgruppe, in der der 26-Jährige als Postbote arbeitet. Bevor Mayal Petersen nach Homborn kam, machte er ein Praktikum in einer anderen Werkstatt. "Dort wurde er im Bereich für schwer mehrfachbehinderte Menschen eingesetzt - und war total unterfordert", meint Tina Voss. Mayal Petersen ist mit seiner jetzigen Aufgabe sehr zufrieden. Er freut sich, dass er als Postbote viel herumkommt. "Hier kennt ihn jeder. Kein Wunder, er ist ja auch ne echte Quasselstrippe", sagt Tina Voss, und Mayal Petersen grinst schelmisch.

Musik ist die große Leidenschaft des jungen Mannes, der seit einer Hirnhautentzündung durch eine Herpes-Infektion im Kindesalter behindert ist. Auf seiner Festplatte sammelt er aktuelle Chart-Hits, Schlager und viel House. Die elektronische Tanzmusik ist sein persönlicher Favorit. "Aber so was spiel' ich nie, das würden die anderen hier nicht mögen." Zu Hause bereitet Mayal Petersen die Sendungen akribisch vor, stellt die Liste der Titel zusammen und schreibt die Moderationen auf. Als Michael Jackson starb, spielte er mehrere Lieder des Kings of Pop, eine andere Sendung widmete er "allen kranken Kindern in der Welt". Nur ein Stück bleibt immer gleich: "Wolken", gespielt von seinem Vater, gesungen von seiner Schwester, ist Auftakt jeder Freitags-Show.

Unterwegs kann sich Mayal Petersen mit einem "Powertalker" verständlich machen. Über die Tastatur dieses Sprachcomputers gibt er Äußerungen ein, eine elektronische Stimme liest die Nachrichten vor. Die komplexe Steuerung über 128 Tasten geht ihm leicht von der Hand - schließlich bekam er mit sechs Jahren seinen ersten "Talker". Dieses Wissen um technische Möglichkeiten, die ihm so viel mehr Lebensqualität schenken, möchte Mayal Petersen mit anderen teilen. Deshalb macht er jetzt eine Ausbildung als Referent für unterstützte Kommunikation. Sogar an der Dortmunder Uni hat er Studenten demonstriert, wie man trotz körperlicher Einschränkungen Musik machen kann.


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Quelle:
Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel vom 03.08.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2009