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BERICHT/343: Auf dem Weg zur Inklusion - Programmarbeit von World Vision (ZBDW)


Behinderung und internationale Entwicklung 3/2010

Auf dem Weg zur Inklusion:
Menschen mit Behinderung in Richtlinien und Programmarbeit von World Vision

Von Naemi Heimerdinger


Dieser Artikel beschreibt zum einen wie Menschen mit Behinderung in den Richtlinien von World Vision1 basierend auf dem sozialen Modell von Behinderung und eines menschenrechtsbasierten Ansatzes reflektiert werden. Zum anderen zeigt er anhand von Beispielen auf, wie Menschen mit Behinderung durch den Ansatz des Disability Mainstreamings praktisch in die Programmarbeit von World Vision einbezogen werden.


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Menschen mit Behinderung in den Richtlinien von World Vision

Die Arbeit von World Vision zum Thema Behinderung hat lange vor der Einführung der Behindertenrechtskonvention in den 1990er Jahren begonnen. Wie viele Entwicklungsorganisationen hat World Vision zunächst einen Wohltätigkeitsansatz bzw. medizinischen Ansatz für die Arbeit im Bereich Behinderung verfolgt, der auf spezifische Projekte für Menschen mit Behinderung als separate Gruppe ausgerichtet war (Badenoch 2007). Jedoch verfehlten diese Ansätze, die Rechte von Menschen mit Behinderung vollständig anzuerkennen (United Nations 1993/2006). So hat World Vision in den letzten Jahren erkannt, dass Menschen mit Behinderung als aktive Teilnehmer anerkannt und in jede Phase des Entwicklungsprozesses eingebunden werden müssen, wenn es seine Ziele und seinen Auftrag als Organisation sowie die Rechte von Menschen mit Behinderung vollständig erfüllen will.

Dementsprechend hat die Mitgliederversammlung von World Vision International (WVI) im Jahr 2004 eine Resolution verabschiedet, welche der World Vision Partnerschaft empfahl Behinderung als Querschnittsthema in das Projektmanagement und existierende Richtlinien zu integrieren. Dies hat zu der Annahme eines menschenrechtsbasierten Ansatzes und dem sozialen Modell von Behinderung innerhalb World Visions geführt. Das soziale Modell betrachtet Behinderung als die gesellschaftlichen Auswirkungen einer körperlichen bzw. geistigen Schädigung und nicht als Ergebnis von individuellen Beeinträchtigungen. Menschen mit Behinderung erfahren Benachteiligung und Ausgrenzung demnach durch die Gesellschaft, indem sie in ihren Rechten und Möglichkeiten durch mentale, institutionelle und umweltbedingte Barrieren eingeschränkt werden. Das Ziel ist folglich die Beseitigung von Barrieren, welche die gleichberechtigte Partizipation von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft verhindern (Albert 2004).

Die 2009 von World Vision International verabschiedete Partnerschaftsrichtlinie zum Wohlergehen von Kindern (Policy on Children's Well-being) stellt besonders die am meisten benachteiligten Kinder in das Zentrum der Arbeit von World Vision. Unter diesen versteht World Vision Kinder, die besonders unter extremen Entbehrungen, schweren Rechtsverletzungen, Missbrauch und Ausbeutung leiden und bei Katastrophen besonders schutzbedürftig sind. Dabei werden explizit Kinder mit Behinderung zu dieser Gruppe gezählt. Unter Kindeswohl versteht World Vision eine ganzheitliche Entwicklung, die aus positiven Beziehungen, einer gesunden persönlichen Entwicklung sowie aus Kontexten, in denen alle Kinder Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe in der Zivilgesellschaft erfahren können, besteht (WVI 2009). Explizit führt die Richtlinie zum Wohlergehen von Kindern als eines ihrer Prinzipien die Inklusion von Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen an. Darin sind auch die wesentlichen Prinzipien der Arbeit von World Vision zum Thema Behinderung angelegt, die auf einem menschenrechtsbasierten Ansatz und dem sozialen Modell von Behinderung beruhen: "The rights of persons with disabilities may be violated by attitudinal, institutional or environmental barriers that exist in society. We recognise God-given abilities, rather than focusing on individuals' impairments or functional limitations. We work to enable people to be treated with dignity, not pre-judged or portrayed as victims, incompetent, or in need of medical care. Language and images used in communications and in the words, actions and attitudes of World Vision staff uphold the dignity of disabled people. Decisions, principles and goals set for World Vision's programmes and projects apply to adults and children with or without disabilities." (WVI 2009). Außerdem beinhaltet die Richtlinie als weitere Prinzipien Gleichberechtigung, welches auch speziell Kinder mit Behinderung aufgreift, nämlich dass die Rechte und Würde der Kinder gleichberechtigt für alle Mädchen und Jungen aller Religionen, Ethnien, HIV-Status und für jene mit Behinderungen aufrecht erhalten werden: "Children are citizens and their rights and dignity are upheld equally for girls and boys of all religions and ethnicities, HIV status and for those with differing abilities." (WVI 2009). Zu dieser Richtlinie hat World Vision außerdem ein Kompendium von Wirkungsindikatoren erstellt, die auch disability-sensible Indikatoren beinhalten.

Neben dieser Richtlinie hat World Vision International außerdem ein Positionspapier zu Definition, Modellen und Mainstreaming von Behinderung und Richtlinien zum Sprachgebrauch des Themas Behinderung sowie für den Personalbereich (Policy on Diversity Management) verabschiedet. Außerdem wurde im Jahr 2005 bei World Vision International die Position eines Disability Advisors sowie eine partnerschaftsweite Arbeitsgruppe zum Thema Behinderung eingerichtet. Ferner wurde im Jahr 2009 eine Community of Practice für Disability Mainstreaming mit Vertretern aus der weltweiten Partnerschaft gegründet, die den Austausch von guten Praktiken innerhalb der World Vision Partnerschaft zum Ziel hat.

Die Aufnahme des Themas Behinderung in die Richtlinien wurde einerseits durch die sich verändernden internationalen Rahmenbedingungen begünstigt, wie die Verabschiedung der Behindertenrechtskonvention oder der Beschäftigung der Weltbank mit diesem Thema sowie durch die Mittelzuwendung für die Arbeit zu Behinderung von bilateralen Gebern, wie beispielsweise der staatlichen Entwicklungsagentur Department of International Development (DFID) des Vereinigten Königreichs. Andererseits haben sich innerhalb World Vision interessierte Mitarbeiter an der Basis zu einem Netzwerk (Disability Awareness Network) zusammengeschlossen, die dann einige Führungspersönlichkeiten von World Vision, wie zum Beispiel den damaligen Geschäftsführer von World Vision United Kingdom, Charles Badenoch, überzeugt haben, dieses Thema in der Partnerschaft weiter voran zu bringen. Dies hat schließlich zu der Resolution der Mitgliederversammlung von World Vision International im Jahr 2004, der Erarbeitung und Verabschiedung der Richtlinien sowie der Einrichtung der Beraterstelle bei World Vision International geführt.

Die Richtlinien sind für alle World Vision Entitäten in 96 Ländern weltweit gültig. Für die Praxis bedeutet dies eine schrittweise Umsetzung auf dem Weg des partnerschaftlichen Aushandelns. Dabei sind einige Büros wie World Vision Vereinigtes Königreich, Australien, Vietnam, u.a. schon relativ weit und haben sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen für die Arbeit zum Thema Behinderung bereitgestellt, während andere Büros noch am Anfang stehen. Dies zeigt sich auch an einer Untersuchung aus dem Jahr 2005, nach der im Patenschaftsprogramm Kinder mit Behinderung mit ca. 0,5% unterrepräsentiert sind oder im Personalbereich, wo bislang lediglich 0,3% der World Vision Mitarbeiter eine Behinderung haben. Dabei könnten mehr Mitarbeiter mit einer Behinderung auch wesentlich zur besseren Anerkennung von Menschen mit Behinderung beitragen. Eine große Herausforderung bei der Umsetzung ist das zum Teil noch fehlende Verständnis des menschenrechtsbasierten, inklusiven Ansatzes. Oft wird Behinderung noch weiterhin nach einem Wohltätigkeits- bzw. medizinischen Ansatz bearbeitet. Insgesamt wird also die systematische Umsetzung der Richtlinien noch einige Zeit in Anspruch nehmen.


Behinderung als Querschnittsthema in der Programmarbeit von World Vision

Um Menschen mit Behinderung in seine Projekte einzubeziehen, arbeitet World Vision mit einem zweigleisigen Ansatz von Disability Mainstreaming, d.h. zum einen werden Menschen mit Behinderung als Akteure bei Planung, Design, Implementierung, Monitoring und Evaluierung von Programmen eingebunden sowie ihre Bedarfe, Erfahrungen und Interessen als integrale Bestandteile in die Programme einbezogen (modifizierte Definition von Gender Mainstreaming in Miller/Albert 2005). Zum anderen beinhaltet der Mainstreaming-Ansatz von World Vision auch zeitlich begrenzte und auf Behinderung ausgerichtete Maßnahmen, um akute Benachteiligungen auszugleichen und spezifische Bedürfnisse zu adressieren, um so eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu erreichen. Diese spezifischen Maßnahmen zu Behinderung können sowohl an Menschen mit als auch ohne Behinderung gerichtet sein. Durch die Beseitigung von mentalen, institutionellen und umweltbedingten Barrieren beabsichtigt World Vision also die Transformation von ungleichen gesellschaftlichen und institutionellen Strukturen in gleiche und gerechte Strukturen für Menschen mit und ohne Behinderungen (WVI 2006). Dazu hat World Vision Behinderung als Querschnittsthema in seinen Ansatz des Projektmanagements Learning through Evaluation with Accountability and Planning (LEAP) verankert. Dort ist als Grundsatz festgelegt, dass Menschen mit Behinderung an allen Phasen der Programmarbeit aktiv teilhaben sowie spezifische Indikatoren für Monitoring und Evaluierung aufgestellt und in die Projektdesigndokumente einbezogen werden sollen (WVI 2007). Dies wird in einigen Ländern bereits systematisch umgesetzt, während andere erst damit beginnen. Einerseits spielt dabei die Prioritätensetzung in den einzelnen World Vision Büros eine Rolle, aber andererseits werden die Programme auch in Fünf-Jahres-Zyklen geplant und deshalb Neuerungen normalerweise erst bei Beginn eines neuen Zyklus aufgenommen.

Darüber hinaus arbeitet World Vision International an Standards für ein inklusives Programmmanagement, die als erster Entwurf im Jahr 2007 herausgegeben worden sind. Zu den Prinzipien zählen beispielsweise die Zusammenarbeit mit Organisationen von Menschen mit Behinderung; Teilhabe von Menschen mit Behinderung als Akteure und Nutznießer der Entwicklungsprozesse ihrer Gemeinden; Barrierefreiheit bei allen Baumaßnahmen; proaktive Visualisierung von Menschen mit Behinderung, d.h. dass World Vision Mitarbeiter möglichst mit Hilfe von Behindertenorganisationen analysieren, wie viele Personen mit Behinderung, wo und unter welchen Bedingungen im Projektgebiet leben und diese dann auch aktiv in die Projektplanung und -umsetzung mit einbeziehen, gegebenenfalls leisten sie also auch Sensibilisierungsarbeit für das Recht von Menschen mit Behinderung auf sozio-ökonomische Teilhabe; Durchführung von Maßnahmen zur Prävention von Behinderungen; Einbeziehung von Kindern mit Behinderung beim Patenschaftsprogramm, u.a. (WVI 2010a).


Das Regionalentwicklungsprogramm Vinh Linh in Vietnam - ein Beispiel zur Einbindung von Menschen mit Behinderungen in Projekte der Entwicklungszusammenarbeit

In der Programmarbeit im Feld werden Menschen mit Behinderung schon seit vielen Jahren berücksichtigt, jedoch gelingt es bisher nur teilweise den Ansatz des Disability Mainstreamings umzusetzen. Ein Beispiel dafür ist das von World Vision Deutschland e.V. geförderte Regionalentwicklungsprogramm Vinh Linh in Vietnam, welches Behinderung explizit in zwei der fünf Sektorprojekten als Querschnittsthema verankert hat.2 Das Programm hat die Armutsreduzierung und Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung im Distrikt Vinh Linh zum Ziel und umfasst elf Gemeinden mit einer direkten Zielgruppe von ca. 37.700 Personen. Im Design ist zudem als ein spezifisches Projektziel für Behinderung die Verbesserung des physischen, sozialen und emotionalen Lebens von Menschen mit Behinderung und deren Partizipation im Gemeindeleben beschrieben, wozu auch disability-sensible Wirkungs- und Ergebnisindikatoren aufgestellt sind. Im Patenschaftprogramm beabsichtigt World Vision Vietnam (WVV), 3% Kinder mit Behinderung zu integrieren.

Um seine Ziele zu erreichen arbeitet World Vision Vietnam in Vinh Linh mit dem Ansatz der gemeindenahen Rehabilitation (Community-based Rehabilitation, CBR). Die lokalen World Vision Mitarbeiter sensibilisieren die Gemeinden über die Bedarfe und Rechte von Menschen mit Behinderung und haben ein Netzwerk von CBR-Freiwilligen aufgebaut. Für diese sowie für staatliches Gesundheitspersonal führte World Vision in Kooperation mit einem College für Gesundheitswesen Trainings of Trainers bzw. Schulungen in gemeindenaher Rehabilitation und Physiotherapie durch. Ferner unterstützt das Regionalentwicklungsprogramm Menschen mit Behinderung bei der beruflichen Bildung. Um die Wirkungen und Ergebnisse in diesem Bereich zu messen, sind im Projektdesign der Wirkungsindikator Prozentsatz der Menschen mit Behinderung, die an Projektaktivitäten teilnehmen sowie die Ergebnisindikatoren Anzahl von Menschen mit Behinderung, die Leistungen der gemeindenahen Rehabilitation in Anspruch nehmen können, Anzahl von Menschen mit Behinderung, die Zugang zu Angeboten in den Bereichen Soziales, Freizeit und berufliche Bildung auf Dorf-, Gemeinde- und Distriktebene haben, einbezogen.

Im Bildungsbereich hat World Vision im Jahr 2008 ein zusätzliches Unterprojekt zu inklusiver Bildung für Kinder mit Behinderung initiiert. World Vision hat Vorschul- und Grundschullehrer über die Grundlagen, Methoden und Praktiken von inklusiver Bildung sowie Erkennung von Beeinträchtigungen geschult. Eltern von Kindern mit Behinderung wurden bei der Gründung von Selbsthilfegruppen unterstützt. Außerdem hat World Vision Schulungen zur Sensibilisierung von lokalen Behörden sowie von Eltern mit und ohne Kinder mit Behinderung durchgeführt. Des Weiteren hat World Vision einige Schulen im Projektgebiet dabei unterstützt, ihre Räumlichkeiten für einen barrierefreien Zugang baulich anzupassen. Indikatoren aus dem Bereich inklusive Bildung lauten Prozentsatz der Lehrer, die über ein Grundwissen zu inklusiver Bildung verfügen sowie Anzahl der Kinder mit Behinderung, die zur Schule gehen. Damit die Partizipation der lokalen Bevölkerung am Entwicklungsprozess sichergestellt ist, haben die lokalen World Vision Mitarbeiter Menschen mit und ohne Behinderung unterstützt, sich in Gemeinde- und Selbsthilfegruppen zu organisieren. Derzeit existieren zehn Selbsthilfegruppen von Menschen mit Behinderung mit ca. 450 Mitgliedern sowie 126 Gemeindegruppen mit ca. 3.700 Mitgliedern, in denen auch Vertreter der Selbsthilfegruppen von Menschen mit Behinderung eingebunden sind. In den letzten beiden Jahren haben diese Gruppen aktiv an der Erstellung der operativen Jahrespläne und bei der Durchführung von Aktivitäten mitgewirkt. Außerdem hat World Vision die Gründung von Kinderclubs initiiert, durch welche die Kinder die Möglichkeit haben, ihre Ideen für die Projektplanung einzubringen. Diese Maßnahmen werden mit folgendem Indikator abgefragt: Prozentsatz der benachteiligten Bevölkerungsgruppen (d.h. Menschen mit Behinderung, Kinder, Frauen, ethnische Minoritäten), die an jährlichen Planungsprozessen teilnehmen.


Nothilfe in Haiti - ein Beispiel zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in Projekten der Humanitären Hilfe

In den ersten sechs Monaten der Nothilfe in Haiti seit dem Erdbeben am 12.01.2010 hat sich World Vision gezielt für die Inklusion von Menschen mit Behinderung in seine Maßnahmen eingesetzt. Dazu arbeitet das World Vision Haiti Earthquake Emergency Response Team (WV HEERT) in Abstimmung mit der United Nations Disability Group und anderen Partnerorganisationen. Im Folgenden sind einige Beispiele beschrieben, wie World Vision Menschen mit Behinderung bislang in seine Maßnahmen einbezogen hat: Für die Planung der Notunterkünfte führte World Vision Gruppendiskussionen mit Menschen mit Behinderung durch, um deren spezifischen Bedürfnisse zu ermitteln. Bei der Entwicklung von Kinderbetreuungs- und Schutzeinrichtungen (Child Friendly Spaces) arbeitet World Vision eng mit Eltern von Kindern mit Behinderung und Gemeindevertretern zusammen, um sicherzustellen, dass diese auf die Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung zugeschnitten sind, entsprechende Aktivitäten angeboten werden und sie Zugang zu den Zelten erhalten. World Vision sensibilisiert für die Teilnahme von Kindern mit Behinderung in diesen Einrichtungen und ermutigt insbesondere die Mütter dazu ihre Kinder mit Behinderung zu schicken. Außerdem berücksichtigt World Vision beim Bau von Latrinen und Wasserstellen einen barrierefreien Zugang für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen. Bei der Nahrungsmittelverteilung arbeitet World Vision eng mit Haushalten zusammen, in denen Personen mit Behinderung leben. So soll zumindest gewährleistet sein, dass andere Mitglieder des Haushalts die Nahrungsmittelrationen für diese bei der Verteilung entgegennehmen können. Ferner hat World Vision ein Projekt zur Verbesserung der Lebensgrundlage von Menschen mit Behinderung entwickelt, durch das die Teilnehmer zur Führung eines Kleinunternehmens, vornehmlich im Bereich Handel, befähigt werden sollen und das mittels des Ansatzes Cash for Training umgesetzt wird. Dazu hat World Vision bislang 100 Menschen mit Behinderung in Port-au-Prince identifiziert und registriert. Zunächst haben diese eine Geldleistung ohne Bedingung sowie ein Nothilfeset erhalten. Dann nehmen sie an von World Vision durchgeführten Schulungen zur Berufsbildung im Bereich Unternehmertum teil und erhalten Hilfestellung bei der Erstellung eines Business Plans. Dabei wird auch eine Projektion der Gewinnspanne gemacht und ermittelt, welche Güter und Materialien für den angestrebten Handel benötigt werden. Nach Teilnahme an allen Schulungen und der Präsentation eines Business Plans erhalten die Teilnehmer einen weiteren Geldbetrag. Mit den Geldleistungen soll es den Menschen mit Behinderung ermöglicht werden, die zunächst notwendigen Investitionen für ein Kleingewerbe vornehmen zu können, um sich so eine tragfähige Existenzgrundlage aufbauen zu können. Darüber hinaus ist ein weiterer Geldtransfer geplant, wenn die Teilnehmer einen Aktivitätenbericht sowie die Rentabilität des Kleinunternehmens nachweisen können (WV HEERT 2010).


Ausblick

Die Verabschiedung der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 hatte einen beträchtlichen Einfluss auf das Verständnis von Behinderung bei World Vision, denn sie hat zu einem Umdenken bei World Vision und Veränderung der Richtlinien beigetragen. Während das Disability Mainstreaming bei World Vision auf Organisationsebene in den letzten Jahren erheblich vorangeschritten ist, müssen auf Programmebene die neuen Richtlinien und der Ansatz des Disability Mainstreamings in Zukunft noch systematisch umgesetzt werden, um eine vollständige Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu erreichen. Der Prozess der Umsetzung wird sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da Veränderungen bei World Vision nicht einfach durchgesetzt sondern partnerschaftlich ausgehandelt werden. Aber die Grundlage dafür ist in den Richtlinien verankert und wird durch den Rahmen der UN Konvention weiter begünstigt. Zusammen mit der bereits begonnenen Umsetzung in der Programmarbeit im Feld ist World Vision auf dem Weg zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in seine Entwicklungsarbeit.


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Anmerkungen

1 orld Vision ist ein christliches Hilfswerk mit den Arbeitsschwerpunkten nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und entwicklungspolitische Anwaltschaftsarbeit. World Vision arbeitet derzeit in 96 Ländern für das Wohlergehen von über 100 Mio. Personen. Als Christen unterschiedlicher Konfessionen helfen die Mitarbeiter von World Vision weltweit Menschen in Not, unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion oder Nationalität. Dabei gibt es 20 sogenannte Unterstützungsbüros, die Spenden über Patenschaften einwerben, Länderbüros, welche die Entwicklungsprojekte umsetzen sowie einige Mischformen (weitere Informationen unter www.wvi.org). World Vision Deutschland e.V. ist ein Teil dieser globalen Partnerschaft und wurde 1979 als eigenständiger Verein gegründet. Im Finanzjahr 2009 hat World Vision Deutschland (WVD) 236 Projekte in 47 Ländern gefördert (WVD 2010). Dabei hat World Vision insbesondere das nachhaltige Wohlergehen von besonders benachteiligten Kindern zum Ziel. Angesichts dessen, dass nach Schätzungen der Weltbank 20% der ärmsten Menschen eine Behinderung haben und laut UNESCO 90% der Kinder mit Behinderung nicht zur Schule gehen (United Nations Enable 2010), kann dieses Ziel ohne die Inklusion von Kindern und Erwachsenen mit Behinderung nicht erreicht werden.

2 Das Programm wurde 1999 initiiert, basiert auf dem Patenschaftsmodell und ist auf einen Zeitraum von voraussichtlich 15 Jahren angelegt, wobei sich die folgenden Ausführungen auf den zweiten Projektzyklus seit 2006 beziehen. Das Programm wird von lokalen Mitarbeitern von World Vision Vietnam durchgeführt.


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Literatur

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Available at www.disabilitykar.net/pdfs/social_model_briefing.pdf
Accessed 26/08/2010

BADENOCH, C. (2007): World Vision's Experience of Social Model Disability Mainstreaming to-Date, World Vision UK.
Available at www.bond.org.uk/data/files/resources/126/WorldVisionDisabilityMainstreaming.pdf
Accessed 26/08/2010

MILLER, C./ALBERT, B. (2005): Mainstreaming disability in development: lessons from gender mainstreaming.
Available www.disabilitykar.net/research/red_main.html
Accessed 26/08/2010

UNITED NATIONS (2006): Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Available www.un.org/disabilities/default.asp?id=259
Accessed 26/08/2010

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Accessed 26/08/2010

WORLD VISION DEUTSCHLAND E.V. (2010): Jahresbericht 2009.
Available at www.worldvision.de/_downloads/allgemein/jb09de_web.pdf
Accessed 26/08/2010

WORLD VISION HAITI EMERGENCY RESPONSE TEAM (2010b): Six Month Report. Programme Overview

WORLD VISION INTERNATIONAL (2010a): Draft Management Standards on Inclusion of Persons with Disabilities

WORLD VISION INTERNATIONAL (2009): Children's Well-Being Policy

WORLD VISION INTERNATIONAL (2008): Guidelines Addressing Disability

WORLD VISION INTERNATIONAL (2007): Learning through Evaluation with Accountability and Planing. World Vision's approach to Design, Monitoring and Evaluation. LEAP Team

WORLD VISION INTERNATIONAL (2006): Disability Definiton, Models and Mainstreaming. Disability Working Group. Position Paper


Abstract: This article describes on the one hand how persons with disability are considered in relation to the principles of World Vision which are based on the social model of disability and human rights based approach. On the other hand it shows examples of how people with disability are included in the program work of World Vision through the principles of disability mainstreaming.

Résumé: Cet article décrit en premier lieu comment les personnes handicapées sont considérées dans les lignes directrices de World Vision, basées sur le modèle social du handicap ainsi que sur une approche basée sur les droits. Il montre en second lieu par des exemples comment le handicap est intégré dans la pratique des programmes de World Vision par l'approche du «disability mainstreaming».

Resumen: Por una parte, este artículo describe como se reflexiona la situación de personas con discapacidad en la directiva de 'World Vision', que está basada en los derechos humanos. Por otra parte se enseña a través de ejemplos, como se integra con el concepto de la 'transversalización de la discapacidad' (disability mainstreaming) las personas discapacitadas en los programas de 'Word Vision'.


Autorin: Naemi Heimerdinger ist Referentin für Entwicklungszusammenarbeit bei World Vision Deutschland e.V. und ist Kontaktperson für das Thema Behinderung. Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Hitomi Honda, Disability Advisor bei WVI, erstellt.
Kontakt: World Vision Deutschland e.V., Am Houiller Platz 4,
61381 Friedrichsdorf, E-Mail: naemi_heimerdinger@wvi.org


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Quelle:
Behinderung und internationale Entwicklung 3/2010, S. 15-19
Schwerpunktthema: Umsetzung von Artikel 11/32 der Behindertenrechtskonvention
in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
Anschrift: Wandastr. 9, 45136 Essen
Tel.: +49 (0)201/17 88 963, Fax: +49 (0)201/17 89 026
E-Mail: gabi.weigt@t-online.de
Internet: www.zbdw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2011