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BILDUNG/309: Schulbegleitung behinderter Kinder - Was ist zu beachten? (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1 - März 2011

Schulbegleitung behinderter Kinder: Was ist zu beachten?

Von Ricarda Langer


Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die seit 2009 auch in Deutschland gilt, ermöglicht Kindern mit Behinderung gleichberechtigt mit Kindern ohne Behinderung eine Regelschule zu besuchen. Um ihr Recht wahrzunehmen, sind Kinder mit Behinderung bei der Teilnahme am Schulunterricht und der Betreuung in Tagesstätten häufig auf zusätzliche Hilfe angewiesen, z. B. um sich in der Schule fortzubewegen, von anderen Gesagtes zu verstehen oder sich selbst auszudrücken. Diese Hilfe übernehmen zumeist sogenannte Schulbegleiter (oftmals auch als Integrationshelfer oder Schulassistenten bezeichnet). Die Arbeit der Schulbegleiter ist unverzichtbarer Bestandteil der Verwirklichung von inklusiver Bildung behinderter Kinder. Die Nachfrage an Schulbegleitung wird daher weiter ansteigen.

In der Praxis herrschen jedoch zuweilen Unklarheiten darüber, wer die Schulbegleitung auswählt und welche Aufgaben sie hat: Dürfen die Eltern den Schulbegleiter ihres Kindes selbst auswählen? Ist der Schulbegleiter Weisungen der Lehrkräfte unterworfen? Und muss der Schulbegleiter zum samstäglichen Sommerfest der Schule mitkommen?


Beschäftigungsvarianten der Schulbegleitung

Die Beschäftigung eines Schulbegleiters ist in vielen Varianten denkbar: Die Integrationskraft ist Angestellte des Schulträgers oder eines Dienstes der Behindertenhilfe (zum Beispiel Lebenshilfe), sie arbeitet selbstständig auf Honorarbasis, oder sie wird von den Eltern beschäftigt. Dies bedeutet, dass die Eltern Arbeitgeber sind. Zu beachten ist, dass in einigen Bundesländern das Wahlrecht der Eltern bezüglich der Beschäftigungsart der Schulbegleitung eingeschränkt ist.


Eingeschränkte Entscheidungsbefugnis der Eltern

Wichtig ist, dass sich für Eltern unabhängig von der konkreten Beschäftigungsform im alltäglichen Umgang mit der Integrationskraft keine großen Unterschiede ergeben sollten. Arbeitet die Schulbegleitung selbstständig, ergeben sich die Rechte und Pflichten aus dem Honorarvertrag. Ist sie dagegen fest angestellt, aus dem Arbeitsvertrag. In beiden Fällen wird die Schulbegleitung regelmäßig Anweisungen der Lehrkräfte zu befolgen haben. Etwas anderes kann sich bei der Arbeitseinteilung ergeben. Hier muss sich die selbstständige Integrationskraft nicht an die Vorgaben der Schule, sondern an die Bedürfnisse des Kindes anpassen.

Treten die Eltern nicht als Arbeitgeber auf, steht ihnen nicht unbedingt ein eigener Entscheidungsspielraum bezüglich der Person und der Arbeitsweise der Integrationskraft zu. Jedoch sollte die Schule bei Förderplanbesprechungen auf die Meinung der Eltern vertrauen. Ob und wie eine Begleitung bei einem Schullandheimaufenthalt oder zum Sommerfest am Wochenende erfolgt, kann von den Eltern bereits bei Gesprächen vor der Einstellung geklärt werden. Besonderheiten können sich ergeben, wenn die Leistung der Schulbegleitung als Persönliches Budget erbracht wird, das heißt der Sozialhilfeträger anstatt einer Anzahl von Stunden eine pauschale Geldleistung für die Schulbegleitung bewilligt. Dann haben die Eltern einen Ermessensspielraum.


Kündigung des Schulbegleiters

Es kann passieren, dass die Eltern oder die Schule mit der Schulbegleitung nicht zufrieden sind. Dann stellt sich die Frage nach der Kündigung. Relevant wurde dies in einem aktuellen Streitfall vor dem Arbeitsgericht Würzburg zwischen der Schulbegleiterin eines 14-jährigen, geistig und körperlich behinderten Mädchens und dem Betreiber einer Schule.

Der Schulträger stellte die Integrationshelferin 2008 mit einem Honorarvertrag für freie Mitarbeiter ein, der ein Jahr später gekündigt wurde. Dagegen klagte die Schulbegleiterin. Ihre Argumente: Sie sei keine freie Mitarbeiterin, sondern stünde in einem regulären Arbeitsverhältnis, weshalb eine Kündigung sozial gerechtfertigt werden, also insbesondere ein Kündigungsgrund vorliegen müsse.


Entscheidend ist die Eingliederung in die Organisation der Schule

Eine Tätigkeit kann entweder selbstständig oder als Arbeitnehmer erbracht werden, allerdings nie beides gleichzeitig. Ob ein Arbeitsverhältnis besteht oder jemand selbstständig tätig ist, wird im Arbeitsrecht nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber bestimmt. Die Integrationshelferin trug vor, sie sei in vollem Umfang in den organisatorischen Ablauf der Schule eingebunden. Ihre Aktivitäten würden von den Lehrkräften vorgegeben und sie sei deren Weisungen unterworfen. Aus einem Dienstplan ergebe sich ihre Anwesenheitsverpflichtung. Sie sei weder vom Sozialversicherungsträger noch den Eltern, sondern von der Schule angestellt.

Der Schulträger führte dagegen aus, letztlich hätten die Eltern in der Praxis das letzte Wort bezüglich der Person des Schulbegleiters. Die Klägerin arbeite nicht weisungsabhängig, sondern kindabhängig. Förderplanbesprechungen gebe es nur einmal im Schuljahr, eine Integration in die schulische Organisation könne daraus nicht abgeleitet werden.


Schulbegleitung an Weisungen der Lehrkräfte gebunden

Das Gericht sah das anders (Urteil vom 28.07.10 - Az: 1 Ca 2108/09): Die Schulhelferin steht in einem Arbeitsverhältnis mit der Schule.

Die Schulbegleiterin könne ihre Tätigkeit als Betreuerin im Wesentlichen nicht frei gestalten. Die Art und der Inhalt ihrer Arbeit, die Betreuung der Schülerin, seien ebenso durch den Zeitpunkt und den Inhalt der Schulstunden vorgegeben wie die Schule als Arbeitsort. Die Schulbegleiterin übe daher ihre Tätigkeit als angestellte Arbeitnehmerin aus, weshalb sie ohne einen Kündigungsgrund nicht hätte gekündigt werden dürfen.

Wie das Beispiel zeigt, wird die Art der Anstellung der Schulbegleitung vor allem relevant, wenn Unstimmigkeiten auftreten oder die Tätigkeit beendet werden soll. Auch das Vorgehen in diesen beiden Fällen sollte zwischen der verantwortlichen Schule und den Eltern daher bereits im Vorfeld angesprochen werden, schon um die Schulbegleitung ohne Unterbrechung sicherzustellen. Denn nur so können Kinder mit Behinderung ihr Recht auf inklusive Bildung verwirklichen. Lesen Sie bitte auch die Seiten 4 und 5.


Anfang 2011 wurde ein neuer Internetauftritt der Bundesvereinigung Lebenshilfe mit der Seite www.lebenshilfe-inklusiv.de unter dem Motto "Schule - wird gemacht" eigerichtet. Dort befinden sich aktuelle Informationen über die Entwicklung in den Bundesländern, beispielhafte Schulen in Deutschland, Vorträge und weiterführende Materialien sowie Termine von Veranstaltungen.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1/2011, 32. Jg., März 2011, S. 10
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2011