Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → PRESSE

HILFSMITTEL/186: Vorlesehandy im Test (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2008

Hilfsmittel
Vorlesehandy im Test

Carsten Albrecht und Heike Klamroth


Ein Handy, das als Vorlesegerät eingesetzt werden kann? Mit dieser ebenso einfachen wie verlockenden Idee sorgte der "knfb Reader" auf der SightCity 2008 für Furore - wir berichteten.


Durch die Texterkennungssoftware knfb Reader soll das Handy zu einem portablen Vorlesegerät gemacht werden, das blinden Menschen gedruckte Texte an jedem Ort zu jeder Zeit zugänglich macht. Diese Ankündigung ließ INCOBS - Informationspool Computerhilfsmittel Blinde und Sehbehinderte hellhörig werden. Wir haben getestet, wie das Vorlesehandy funktioniert, und ob es herkömmliche Scanner Lesesysteme ersetzen kann.


Das Produkt

Der knfb Reader ist eine Texterkennungssoftware, die ausschließlich auf dem Handy N 82 der Firma Nokia installiert und genutzt werden kann. Der Grund dafür ist die Kamera des Handys, die über einen sogenannten Xenonblitz verfügt. Zur Ausgabe des fotografierten Textes steht die bekannte Sprachausgabe Eloquence TTS zur Verfügung. Es können aber auch andere Sprachausgaben, sofern sie auf dem Handy installiert sind, genutzt werden. Auch einmal erfasste Texte können gespeichert und auf den PC übertragen werden.


Die Bedienung

Eine Frage drängt sich auf: Wie gelingt es dem blinden Anwender, den Text korrekt zu fotografieren? Das Handy sollte in einer Höhe von 25 bis 30 Zentimeter zentriert über dem Schriftstück gehalten werden. Wie wir schnell feststellen mussten, ist das freihändig nicht einfach. Es ist eine ruhige Hand, Geduld und Übung notwendig, um die Kamera exakt zu positionieren. Empfehlenswert ist, die Kamera mit beiden Händen zu halten und dabei die Ellenbogen aufzustützen. Als Hilfe für das Ausrichten des Lesegutes kann zum Beispiel eine Tischkante dienen. Weil es auch dann nicht immer klappt, besteht die Möglichkeit, ein Testbild für die Rückmeldung der Kameraposition zu machen. Angesichts dieser Schwierigkeiten hatten wir schon überlegt, uns ein kleines Stativ zu basteln ...

Die wichtigsten Befehle zur Steuerung des Readers werden über das Cursorkreuz des Handys aktiviert. Wer generell keine Probleme hat, eine Handytastatur zu bedienen, wird auch mit dem Reader wenig Schwierigkeiten haben. Die wichtigsten Befehle werden mit einfachem Tastendruck, also nicht mit Tastenkombinationen, ausgelöst. Nach der Verarbeitung wird der Text auf dem Display des Handys angezeigt und vorgelesen. War die Verarbeitung unkorrekt, wird der fehlerhafte Text angezeigt und angesagt. Es besteht übrigens die Möglichkeit, einen Kopfhörer an das Telefon anzuschließen.


Die Texterfassung

Beim Vergleich mit stationären Scannerlesesystemen kann der knfb Reader noch nicht mithalten. Die Texterfassung mit der Kamera des Handys ist bislang einfach nicht so zuverlässig wie mit dem Scanner. Zu beanstanden ist vor allem, dass Texte im DIN-A4-Format nicht mit einem Bild erfasst wird. Entweder fehlt ein Teil der Zeilenenden oder der Abstand ist so groß, dass sich die Wiedergabefehler häufen. Auch schwache Kontraste wie bei Zeitungspapier sorgten für Schwierigkeiten.

Ist der Text jedoch korrekt erkannt worden, liest die Sprachausgabe diesen auch zuverlässig und deutlich vor. Verschiedenfarbige Vorlagen, Zahlenangaben, Abkürzungen, E-Mail- oder Internetadressen werden exakt wiedergegeben. Auch mit Tabellen oder Infoboxen kommt der knfb Reader gut zurecht. Vorteilhaft an der Kamera anstelle des Scanners ist, dass auch Texte auf dreidimensionalen Gegenständen erfasst werden können, wie etwa bei Verpackungsbeschriftungen.


Fazit

Ein stationäres Vorlesesystem kann der knfb Reader nicht ersetzen. Fest steht aber, dass mit dem knfb Reader ein erster wichtiger Schritt in Richtung mobiler Texterkennung gemacht wurde. Problematisch ist vor allem die korrekte Ausrichtung der Handykamera über dem Schriftgut. Auf Seiten des Anwenders erfordert das Geduld und Übung. Ist dieser Schritt aber getan, werden Texte oder Verpackungsbeschriftungen recht zuverlässig vorgelesen. Für den stolzen Preis von 1.500 bis 1.600 Euro ist der knfb Reader bei folgenden An bietern zu beziehen: Büro für Barrierefreie Bildung, Handy Tech Elektronik GmbH, Marland GmbH und ProTak e.K.

INCOBS - Informationspool
Computerhilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte

INCOBS testet Computerhilfsmittel und gibt Anwendern und Beratern Entscheidungshilfen bei der Produktauswahl.

Hierzu gehören:

- Marktübersichten und Produktbeschreibungen
- Tipps und Checklisten
- ausführliche Testergebnisse
- wichtige Adressen und Ansprechpartner

INCOBS wird von der DIAS GmbH, Hamburg, in Zusammenarbeit mit Experten, Anbietern und Anwendern aufgebaut. (Die DIAS GmbH nimmt für Krankenkassen, Verbraucherschutzverbände und Hersteller Hilfsmitteltests und -prüfungen vor und führt Marktanalysen im Hilfsmittelbereich durch.) Das Projekt wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zunächst bis Mitte 2011 gefördert.

DIAS GmbH
Schulterblatt 36, 20357 Hamburg
Tel. (0 40) 431 8750
info@dias.de
www.dias.de


Die Autoren Carsten Albrecht und Heike Klamroth sind Mitarbeiter des INCOBS-Projektes.


*


Quelle:
Selbsthilfe 4/2008. S. 28-29
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
Herausgeber: BAG Selbsthilfe
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
E Mail: info@bag selbsthilfe.de
Internet: www.bag selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2009