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KULTUR/142: "Behinderung spielt in der Kunst keine Rolle" (Uni Dortmund)


UNIZET Nr. 424, 02-11, Universität Dortmund

»Behinderung spielt in der Kunst keine Rolle«
DOMO:Musik setzt auf Kulturarbeit

Von Alexandra Gehrhardt


Die integrative Bildung von Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung wird heute als Thema immer wichtiger - sei es an Schulen oder auch in der Freizeit. »Danach kommt für viele aber doch die Werkstatt«, weiß Lis Marie Diehl, Mitarbeiterin am Lehrgebiet Musikerziehung und Musiktherapie in Rehabilitation und Pädagogik bei Behinderung. Dass es Frauen und Männer gibt, die begabte Bildhauer, Malerinnen oder Virtuosen am Schlagzeug sind und ihr Talent auch beruflich nutzen könnten, kommt dort oft zu kurz. Das will das Dortmunder Modell:Musik ändern. »Wir wollen den Grundstein dafür legen, dass jemand professionell und hauptberuflich künstlerisch tätig sein kann«, erklärt die Rehabilitationspädagogin Diehl, die gemeinsam mit der Musikschullehrerin Claudia Schmidt das Projekt betreut. Seit einem Jahr läuft es unter der Leitung von Prof. Irmgard Merkt an der Fakultät Rehabilitationswissenschaften.

Ganz neu ist die Idee nicht: Das Netzwerk barner 16, eine Betriebsstätte der alsterarbeit gGmbH in Hamburg, bietet Künstlern sozialversicherte Arbeitsplätze als Musiker, Produzenten, im Atelier und der eigenen Druckerei. Das Atelier Goldstein in Frankfurt am Main bietet herausragenden Künstlerinnen und Künstlern Raum zum Arbeiten und Ausstellen. Aber es sind eben nur eine Handvoll Einrichtungen, bei denen die Talentförderung über den Freizeitbereich hinausgeht und Menschen mit Behinderung die Chance erhalten, mit ihrer Kunst einen Teil ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, bedauert Diehl. Während ihres Studiums hat sie beim Künstlernetzwerk Eucrea gearbeitet, war im Veranstaltungsmanagement tätig und hat viele Kontakte geknüpft, die hilfreich sind, um das DoMo Musik aufzubauen. Und sie hat gelernt: »Vielen Leuten, die dort tätig sind, ist es wichtig, dass ihre Kunst unabhängig von Behinderung wahrgenommen wird. In der Kunst spielt Behinderung keine Rolle.«

Vor einem Jahr begann das Projekt an der TU Dortmund: Zunächst besuchten die Mitarbeiterinnen die drei Dortmunder Werkstätten Über den Teichen, Gottessegen und die Arbeiterwohlfahrt und suchten dort Beschäftigte, die musikalisch talentiert sind und Lust haben, Musik zu machen. In etwa 800 Interviews zu musikalischen Interessen, Vorerfahrungen und Wünschen wurde ein großer Bedarf an Angeboten aktiven Musizierens deutlich. In Kursen elementarer Musikvermittlung machten sich die Teilnehmer mit Instrumenten vertraut, lernten unterschiedliche Stile kennen, in den Werkstätten gab es Gitarren- und Percussion-Workshops. Neben einem inklusiven Bandangebot haben sich mittlerweile rund 80 Menschen mit und ohne Behinderung mit Reha-Studierenden außerdem zu einem Chor zusammengetan und gestalten unter dem Namen Stimmig ein gemeinsames Programm.

Nach einem Jahr geht diese Phase nun im März zu Ende und wird durch gezielte Talentförderung ergänzt, in denen musikalisch besonders Begabte intensiv an ihren Fähigkeiten weiterarbeiten. Die finale Phase von April 2012 bis März 2013 dient der Verstetigung und (Semi-) Professionalisierung der musikalischen Arbeit: Zum einen wird es dann spezielle Ausbildungsphasen geben, in denen sich die Beteiligten kreativ weiterentwickeln können. Zum anderen sollen die Musikproduktionen mehr und mehr zu einem selbstverständlichen Teil des Kulturlebens werden.

»Langfristig wollen wir das Modell in Dortmund institutionalisieren und die Breitenförderung in Kooperation mit 'regulären' Bildungseinrichtungen soweit verselbstständigen, dass sie auch ohne das Modell funktioniert. Ich bin beeindruckt von den vielen interessanten Menschen, die wir bisher kennen gelernt haben«, freut sich Lis Marie Diehl, »und bin gespannt auf das, was passiert.«


Das Dortmunder Modell: Musik will künstlerische - speziell musikalische - Arbeitsplätze, die in Deutschland nur vereinzelt vorhanden sind, in Dortmund realisieren. Dazu kooperiert die Fakultät Rehabilitationswissenschaften mit den Werkstätten der Arbeiterwohlfahrt Dortmund, wo ein Parallelprojekt im Bereich der bildenden Künste initiiert wurde. DOMO:Musik ist Teil des Gesamtprojekts Dortmunder Modell - Kulturarbeit und Menschen mit Behinderung und wird vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW bzw. der Stiftung Wohlfahrtspflege gefördert.


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Quelle:
Unizet Nr. 424, 02-11, Seite 4
Herausgeber: Technische Universität Dortmund, 44221 Dortmund
(Referat Hochschulkommunikation)
Chefredakteurin: Angelika Willers
Tel.: (0231) 7 55-54 49
e-Mail: angelika.willers@tu-dortmund.de
Internet: http://www.tu-dortmund.de/unizet
ISSN: 1439-1198

UNIZET erscheint neun Mal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2011