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MELDUNG/383: horus aktuell 09/2014 - Schon viel erreicht, noch viel mehr vor (DVBS)


DVBS - horus aktuell 9/2014 vom 06.05.2014

Schon viel erreicht, noch viel mehr vor



Liebe Leserinnen und Leser!

Unter diesem Motto stand gestern eine Demonstration zum europäischen Aktionstag der Menschen mit Behinderung in Berlin. In koalitionärer Eintracht meldeten sich Politiker von Verena Bentele (SPD) bis Uwe Schümmer (CDU) zu Wort. Alle wollen eine Reform der Eingliederungshilfe im Rahmen eines Bundesteilhabegesetzes für behinderte Menschen. Zeit für eine Innenansicht des Themas...

Da kommt Arbeit auf uns zu

Ha: Ein Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen soll noch in dieser Legislaturperiode kommen. Das sagt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke". Die Verbände sollen in die Erarbeitung des Gesetzes miteingebunden werden. Das sagt sie auch. Kernforderungen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe an ein solches Gesetz sind u.a. ein einheitliches, einkommens- und vermögensunabhängiges Bundesteilhabegeld, das die Landesblindengelder weiterentwickelt, und die Herauslösung der Eingliederungshilfe z.B. während des Studiums aus der Sozialhilfe.

Christiane Möller von der rbm war an der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes des "Forums behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ)" beteiligt. Christiane, wird das ein Beteiligungsverfahren wie dereinst beim Bundesgleichstellungsgesetz, als der FbJJ-Entwurf die Arbeitsgrundlage war und ein FbJJ-Aktivist hauptamtlich als Regierungsmitarbeiter an der Norm mitwirken konnte?

CM: Wir haben es hier mit einer viel weitreichenderen Reform zu tun und dementsprechend findet der Beteiligungsprozess auch in einem ganz anderen Verfahren statt. Eine besondere Forderung der Behinderten Menschen ist es, in den Erarbeitungsprozess aktiv eingebunden zu werden. Sehr positiv nehme ich in diesem Zusammenhang die aktuellen Bemühungen seitens des BMAS wahr. Die dort mit der Erarbeitung des Gesetzentwurfs Befassten nutzen verschiedene Wege, um jetzt schon, das heißt im vorbereitenden Stadium der Gesetzeserarbeitung, mit verschiedensten Akteuren aus der Behindertenszene in Kontakt zu kommen und sich über deren Bedürfnisse zu informieren sowie deren Anliegen aufzunehmen. So fand etwa am 23. April eine Experten-AG statt, in der unter anderem zwei Mitglieder des FBJJ teilnehmen konnten - darunter ich selbst - und auch der DBSV wird einen wichtigen Gesprächstermin mit dem BMAS wahrnehmen. Natürlich fruchtet bei all den Überlegungen auch vieles von dem, was wir im FBJJ-Entwurf vorgesehen haben. Der Entwurf ist zumindest ein Impulsgeber für inhaltliche Diskussionen. Allein das ist schon ein Erfolg.

Ha: Können sich die Verbände behinderter Menschen denn eigentlich hinter den FbJJ-Entwurf stellen und woher aus der Verbändeszene kommt der Gegenwind gegen was?

CM: Der FBJJ-Entwurf ist meiner Meinung nach eine sehr gute Grundlage für die anstehende Reformdiskussion, auch wenn er natürlich nicht in Gänze übernommen werden wird. Er findet zu Recht bei zahlreichen Verbänden eine große Zustimmung, weil er versucht, das Recht auf soziale Teilhabe im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Ich darf darauf hinweisen, dass bereits eine Champagne verschiedener Verbände zur Unterstützung des Entwurfs gestartet ist(www.teilhabegesetz.org). Da wir es hier aber mit einer sehr vielfältigen Interessenlage zu tun haben, gibt es naturgemäß auch divergierende Ansichten zum Beispiel hinsichtlich der Einführung eines Teilhabegeldes.

Ha: Die Blinden und Sehbehinderten sind eine vergleichsweise kleine Interessengruppe. Welche Erwartungen haben die großen Sozialverbände, die Bundesländer etc. heute an das Gesetz?

CM: Die Länder und Kommunen versprechen sich vor allem eine finanzielle Entlastung, während sowohl die Sozial- als auch die Behindertenverbände eine spürbare Verbesserung der Situation behinderter Menschen anstreben. Diesen Interessenausgleich hinzubekommen wird ein hartes Stück Arbeit. Ich bin aber zurzeit optimistisch, dass die Bundesregierung die Belange behinderter Menschen ernst nimmt und wir zu Verbesserungen kommen können. Ein wichtiger Baustein ist hier etwa die nun definitiv geplante Herauslösung der heutigen Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe. Das ist für das Selbstverständnis behinderter Menschen ein ganz wichtiger Schritt. Auch über die Frage der Abschaffung der Einkommens- und Vermögensanrechnung wird zumindest ernsthaft diskutiert.

Ha: Geht die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe, Stand heute, mit ihren eigentlich ziemlich kleinen Anliegen bei all diesen großen Interessengruppen und den riesigen Zahlen, die durch die Diskussion geistern, nicht unter?

CM: So klein ist unser Anliegen zahlenmäßig gar nicht. Es wird jetzt darauf ankommen, die besonderen Bedürfnisse blinder, hochgradig sehbehinderter und taubblinder Menschen auch in einem neuen Teilhaberecht angemessen abzubilden. Für uns ist dabei von besonderer Bedeutung, dass wir es im Rahmen der Reformbemühungen schaffen, unsere Blindengeldleistungen, die aktuell durch die Länder gewährt werden, der Höhe nach höchst unterschiedlich ausfallen und dem ständigen Spardruck der Länder unterliegen, zusammenzuführen und in einer bundeseinheitlichen Leistung zu verankern, damit wir endlich vergleichbare Teilhabechancen blinder Menschen in allen Regionen Deutschlands haben. Das kann unter anderen im Rahmen der Schaffung eines Teilhabegeldes erfolgen, wobei sicherzustellen ist, dass die spezifischen Bedarfe blinder, hochgradig sehbehinderter und taubblinder Menschen künftig gesichert werden. Hier wird auf die Blindenselbsthilfe in den nächsten Monaten viel Arbeit zukommen, um die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Lösung für Blinde deutlich zu machen und uns mit unserem spezifischen Anliegen durchzusetzen.



In diesem Sinne bis zum nächsten Mal

Ihr
Michael Herbst
DVBS Öffentlichkeitsarbeit


Der Newsletter "horus aktuell" ist ein gemeinsamer Informationsdienst des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (Blista).

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Redaktion:
Michael Herbst (V.i.S.d.P.), DVBS
Rudi Ullrich, Blista
Christina Muth, DVBS
Wilhelm Gerike, DVBS
Irmgard Behrens, Blista

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Quelle:
Newsletter "horus aktuell" 9/2014 vom 06.05.2014
http://www.dvbs-online.de/nl565.htm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2014