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MEDIZIN/178: 10 Jahre Berliner Behandlungszentrum - Spezialversorgung mit Erfolgsbilanz (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Oktober 2010

10 Jahre Berliner Behandlungszentrum
Spezialversorgung mit Erfolgsbilanz

Von Gunnar Kreutner


An einem "Gastroäsophagealen Reflux", kurz Sodbrennen, zu leiden, ist unangenehm oder sogar äußerst schmerzhaft. Häufig kann die Entzündung oder Reizung in der Speiseröhre aber gut und zügig behandelt werden. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung, die sich nicht äußern können, lösen einfachste somatische Erkrankungen aber oft ernsthafte psychische Störungen aus, oder sie sind die Ursache für auffälliges Verhalten.


Menschen mit einer geistigen Behinderung leiden häufiger als die Normalbevölkerung an psychischen und somatischen Erkrankungen - oft unerkannt und medizinisch nicht behandelt. Die Symptome sind in vielen Fällen unspezifisch und mehrdeutig. Werden sie nicht erkannt und behandelt, verstärken sie selbstverletzendes oder aggressives Verhalten. Gerade für die Behandlung von geistig behinderten Menschen, die sich nicht ausreichend sprachlich äußern können, sind daher eine besondere Kompetenz und Erfahrung wichtig.

Seit zehn Jahren bietet das "Berliner Behandlungszentrum für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung" (BHZ) eine besondere psychiatrische Versorgung für diese Menschen an. Das BHZ gehört zum Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) in Berlin-Lichtenberg. Vom Berliner Senat hat das Krankenhaus den Vollversorgungsauftrag für die psychiatrische Behandlung der Betroffenen im Land Berlin erhalten.


Beispiel Sodbrennen

Für Prof. Dr. Albert Diefenbacher, Chefarzt der KEH-Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, ist das Sodbrennen ein gutes Beispiel, um zu veranschaulichen, warum geistig behinderte Menschen mit psychischer Erkrankung eine Spezialversorgung benötigen. Bei der Feier zum BHZ-Jubiläum Anfang September beschrieb er im Festsaal folgendes Szenario: "Wenn ein geistig behinderter Mensch immer wieder nachts mit Sodbrennen aufwacht, denkt der Betreuer, dass er Schlafstörungen hat und gibt ihm ein Schlafmittel. Der Bewohner ist irgendwann verzweifelt und stößt sich Faust und Finger in Mund und Kehle als Zeichen, dass etwas nicht stimmt. Der Medikamentenbeutel wird so immer dicker, weil weitere psychische Störungen folgen."


Somatische Ursachen

Auch Rheuma, Magenprobleme, Frakturen, Mittelohrentzündungen oder Zahnschmerzen könnten Verhaltensauffälligkeiten auslösen, weiß BHZ-Leiter Dr. Christoph Schade. "Oft werden sie der geistigen Behinderung zugeordnet. Aggressionen sind aber zum Beispiel keine Kennzeichen einer Behinderung", so der Oberarzt.

Im Behandlungszentrum finden Betroffene ein umfassendes Therapieangebot. Dazu gehören unter anderem heilpädagogische Einzel- und Gruppenarbeit, verhaltenstherapeutische Verfahren, soziales Kompetenztraining, Außenaktivitäten im Tagesförderbereich, Belastungstraining sowie Ergo-, Kunst- und Musiktherapie.

Im vollstationären Bereich verfügt das BHZ über 16 Betten für Menschen mit leichter geistiger Behinderung und 14 Betten für Menschen mit schwererer geistiger Behinderung. 378 Patienten wurden hier im vergangenen Jahr versorgt. Eine teilstationäre Behandlungsmöglichkeit mit mittlerweile 24 Plätzen wurde im Jahr 2003 eröffnet.


Vorreiterfunktion

Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher lobte bei der Festveranstaltung die "wichtige Vorreiterfunktion" des BHZ für andere Krankenhäuser. Den Versorgungsauftrag an das KEH zu geben sei die richtige Entscheidung gewesen. "Die Behandlungssituation für diese Patientengruppe ist de facto besser geworden", sagte die Senatorin vor rund 120 Gästen. Es sei sinnvoll, bestimmte Kompetenzen an einem Standort zu konzentrieren. "Geistig behinderte Menschen mit einer psychischen Erkrankung können nicht die üblichen psychiatrisch-therapeutischen Angebote wahrnehmen."

Katrin Lompscher hob die Bedeutung von Modellen hervor, die über die rein stationäre Behandlung hinausgehen. Sie würdigte damit vor allem die Ambulanz für psychisch kranke Menschen mit einer geistigen Behinderung, die das BHZ im März 2006 eröffnete. Die Spezialambulanz arbeite ausgesprochen erfolgreich, so Prof. Diefenbacher. 380 Patienten wurden im ersten Quartal dieses Jahres behandelt.


Multidisziplinär

Der vorsitzende KEH-Geschäftsführer Dr. Rainer Norden legt viel Wert auf die multidisziplinäre Arbeit im BHZ. Sie ermögliche eine ganzheitliche Diagnostik und Therapie. "Wir haben einen Standard erreicht, der für die Region Berlin-Brandenburg beispielhaft ist und überregional und sogar international wahrgenommen wird."


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Quelle:
DER RING, Oktober 2010, S. 6-7
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2010