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MEDIZIN/179: Mara-Arzt hat vergessene Patientengruppe im Blick (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - November 2010

"Die Fachlichkeit haben wir in Bethel!"
Mara-Arzt hat vergessene Patientengruppe im Blick

Von Silja Harrsen


Es ist ihm eine Herzensangelegenheit. Wenn Dr. Christian Brandt über Menschen mit Epilepsie spricht, die zusätzlich eine geistige Behinderung und schwere Verhaltensauffälligkeiten haben, redet er mit eindringlicher Stimme. "Für diese Patientengruppe gibt es in Deutschland fast keine Behandlungsangebote", stellt der leitende Arzt der Klinik Mara im Epilepsie-Zentrum Bethel fest. Das müsse sich ändern.


Vor Kurzem traf sich eine Gruppe von Epilepsie-Experten in der Klinik Mara. Im kleinen Rahmen diskutierten Neurologen der Klinik und auswärtige, einweisende Partner über die Angebote für Menschen mit Epilepsie in Bethel. "In der Runde wurde deutlich, dass Patienten mit Dreifachmorbidität, also mit Epilepsie, geistiger Behinderung und mit schweren psychischen Auffälligkeiten durch alle Maschen des Hilfenetzes fallen", hält Dr. Brandt fest.

Das Epilepsie-Zentrum Bethel ist führend in der Behandlung von Menschen mit Epilepsie - europaweit. Die meisten Mitarbeitenden haben langjährige Erfahrung und hohe Kompetenzen auch im Bereich der Mehrfacherkrankungen. "Das ist ja ein Kernthema mit Tradition in Bethel. Verhaltensauffälligkeiten haben viele unserer Patienten", stellt Dr. Brandt klar. Wenn es sich jedoch um sehr schwere psychische Auffälligkeiten handele, habe auch die Klinik Mara ihre Grenzen. "Wir können die Betroffenen nicht bei uns aufnehmen, wenn sie zum Beispiel fremd- oder selbstverletzend sind", so der Neurologe. Dafür müsse die Klinik Extra-Räume und mehr Personal bereitstellen.


Leidvolle Situation

Die Lebenssituation der betroffenen Patientengruppe - schätzungsweise sind es mehrere tausend Menschen in Deutschland - ist meist schlecht. Epilepsiekliniken lehnen ihre stationäre Aufnahme ab, weil sie schwere psychische Störungen haben, und psychiatrische Abteilungen lehnen sie ab, weil sie Epilepsie haben. "Sie haben jeden Tag Anfälle, trotz Einnahme von Antiepileptika. Der behandelnde Arzt gibt ihnen notgedrungen ein zweites Medikament. Hören die Anfälle immer noch nicht auf, kommt ein drittes Medikament dazu", so Dr. Brandt. Sie schluckten viele Tabletten, hätten immer noch Anfälle und litten unter den erheblichen Nebenwirkungen der Medikamente.

Den niedergelassenen Neurologen bleibt aber gar nichts anderes übrig, als so zu handeln. Denn einige Antiepileptika können nicht oder nur sehr schwer ambulant abgesetzt werden, weil es bei einer Medikamentenumstellung zu Entzugserscheinungen und zu Entzugsanfällen kommt. Doch die Fachkliniken haben keine Plätze für die multimorbiden Patienten. "Ein risikofreier ambulanter Entzug würde zwei bis drei Jahre dauern. Im Krankenhaus ist nach vier Wochen das alte Medikament nicht mehr im Blut nachzuweisen", erläutert der Facharzt.

Um die Situation multimorbider Epilepsie-Patienten zu verbessern, müssten in der Behandlung dringend neue Wege gegangen werden, fordert die Expertengruppe. Zwei Alternativen wurden erarbeitet. So ist denkbar, dass Epileptologen aus Bethel als Konsiliarärzte bei der ambulanten Medikamentenumstellung vor Ort mitwirken. Oder aber die Klinik Mara wird so aufgestellt, dass während des stationären Aufenthalts die Epilepsie und auch die schweren psychischen Störungen zeitgleich behandelt werden können. "Die Fachlichkeit dafür haben wir hier in Bethel", unterstreicht Dr. Brandt.


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Quelle:
DER RING, November 2010, S. 15
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2010