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POLITIK/478: Reform der Eingliederungshilfe muß der UN-Konvention gerecht werden (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1 - März 2010

Reform der Eingliederungshilfe muss der UN-Konvention gerecht werden

Von Klaus Lachwitz


Für Menschen mit Behinderung ist die Eingliederungshilfe sehr wichtig. Viele Unterstützungs-Angebote werden davon bezahlt. Zum Beispiel der Platz im Wohnheim oder der Arbeitsplatz in der Werkstatt. Die Eingliederungshilfe soll aber noch besser werden. Das fordert die Lebenshilfe. Die Eingliederungshilfe soll den gesamten Bedarf eines behinderten Menschen decken. Und zwar dort, wo dieser Mensch leben und arbeiten möchte. Behinderte Menschen und ihre Vertrauens-Personen sollen die Hilfen mit planen dürfen.


Die Bundesvereinigung Lebenshilfe unterstützt den Vorschlag der 86. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK), die Eingliederungshilfe weiterzuentwickeln und den Entwurf eines Reformgesetzes "so rechtzeitig vorzulegen, dass dieses noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann."

Dieser Vorschlag basiert auf Eckpunkten, an deren Erarbeitung nicht nur die Bundesländer beteiligt waren, sondern auch der Bund durch Expertinnen und Experten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Außerdem wurden zahlreiche Behindertenverbände und die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in die Beratungen einbezogen - auch die Lebenshilfe.

Trotz erheblicher Unterschiede in der Beurteilung einzelner Sachfragen bestand weitgehend Übereinstimmung darin, dass die Behindertenrechtskonvention (BRK) der Vereinten Nationen die "Messlatte" für die Reform der Eingliederungshilfe ist.


Selbstbestimmung sichern und individuellen Bedarf decken

Die Reform der Eingliederungshilfe muss sicherstellen, dass das Recht auf Selbstbestimmung, die umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die Deckung des individuellen Bedarfs des behinderten Menschen die Gestaltung der Eingliederungshilfe bestimmen. Es darf keinen Unterschied machen, ob ein behinderter Mensch vollstationär oder ambulant betreut wird. Nach Artikel 19 der BRK hat jeder behinderter Mensch das Recht, seinen Aufenthaltsort selbst auszuwählen. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es deshalb, den Bedarf des behinderten Menschen dort zu decken, wo er lebt und leben möchte.

Dies setzt voraus, dass der behinderte Mensch bei der Feststellung seines Bedarfs, bei der Entwicklung des auf seinen Bedarf zugeschnittenen Hilfeplans und bei der Entscheidung über die Leistung von Anfang an beteiligt wird und Personen seines Vertrauens hinzuziehen darf.


Auf verständliche Beratung angewiesen

Menschen mit geistiger Behinderung sind vor allem darauf angewiesen, dass sie in verständlicher Sprache beraten und begleitet werden. Auch hierfür sollten die Grundelemente bereits im Gesetz beschrieben werden, damit sich die Partizipation behinderter Menschen bundesweit möglichst einheitlich entwickeln kann.

Die BRK geht von der Vorstellung aus, dass alle behinderten Menschen unabhängig von Art und Schweregrad ihrer Behinderung mitten in der Gesellschaft leben, wohnen, arbeiten, ihre Freizeit gestalten und ihren Ruhestand genießen können. Dies lässt sich nur verwirklichen, wenn die Anstrengungen verstärkt werden, z. B. auch Menschen mit geistiger Behinderung die Gelegenheit zu verschaffen, in eigenen Wohnungen mitten in der Gemeinde zu leben und mit entsprechender Förderung und Unterstützung am allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein.


Einrichtungen sollen neue Wege gehen

Dies bedeutet nicht, dass Wohnheime und Werkstätten für behinderte Menschen geschlossen werden müssen. Die meisten dieser Einrichtungen haben sich bewährt und genießen in der Gesellschaft hohe Anerkennung. Sie dürften allerdings nicht die einzige Option sein und bleiben. Sie müssen sich öffnen und neue Wege gehen dürfen, die von dem Gedanken geprägt sind, das Zusammenleben von nicht behinderten und behinderten Menschen zu einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit werden zu lassen.

Hierzu gibt es bereits gute Beispiele. So schaffen Träger von Wohnheimen inmitten von Städten und Gemeinden behindertengerechte Wohnungen, in denen Menschen mit geistiger Behinderung ambulant betreut werden und mit anderen behinderten oder nicht behinderten Menschen ihrer Wahl zusammenleben können.

Werkstattträger setzen sich eigenständig für Übergänge auf den freien Arbeitsmarkt ein, indem sie mit Betrieben kooperieren, Arbeitsassistenz organisieren und Integrations-Firmen aufbauen.

Die Lebenshilfe unterstützt die Forderung der kommunalen Spitzenverbände und der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, dass sich der Bund an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligen möge.

Eine wichtige Forderung der Lebenshilfe bleibt, dass Bewohner von Einrichtungen der Eingliederungshilfe entsprechend ihrer Pflegestufe Pflegegeld erhalten und nicht wie bisher lediglich eine Pauschale von 256 Euro.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1/2010, 31. Jg., März 2010, S. 11
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
Bundesgeschäftsstelle, Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Telefon: 030/20 64 11-0, Fax: 030/20 64 11-204
E-Mail: LHZ-Redaktion@Lebenshilfe.de
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jährlich viermal (März, Juni, September, Dezember).


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2010