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PROJEKT/602: Hotel in der Eifel hat Europa im Blick (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1 - März 2010

ARBEITSLEBEN
Hotel in der Eifel hat Europa im Blick
Zehn verschiedene Träger aus vier Ländern schaffen Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung

Von Hermann Dahm


Im Hotel "euvea" arbeiten 24 behinderte Beschäftigte einer Werkstatt. Sie mögen besonders den Umgang mit den nicht behinderten Gästen. Viele Gäste kommen sogar aus dem Ausland. Das Hotel liegt dicht an den Grenzen zu Luxemburg, Belgien, Frankreich und den Niederlanden.


In Deutschlands Werkstättenlandschaft ist viel in Bewegung mit einer Reformpolitik, die bestehende Strukturen beständig auf die Probe stellt. Seit nunmehr sieben Jahren befindet sich im kleinen Städtchen Neuerburg in der Eifel das "euvea" ein integratives Freizeit- und Tagungshotel mit europäischen Dimensionen. Betrieben wird es als gemeinnützige GmbH von zehn Organisationen der Behindertenhilfe aus vier europäischen Ländern.

Gesellschafter des euvea sind:

- Westeifel Werke GmbH Gerolstein
- Barmherzige Brüder Trier
- Christliche Krankenkasse Verviers, Belgien
- APEI de Thionville Frankreich
- Lebenshilfe Bitburg
- Lebenshilfe-Kreisvereinigung Daun
- Lebenshilfe-Kreisvereinigung Prüm
- CSSE Yolande A.S.B.L Betzdorf, Luxemburg
- Landesverband Rheinland-Pfalz der Lebenshilfe, Mainz
- Nordeifelwerkstätten GmbH Zülpich

Das Hotel ist Zweckbetrieb einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), die Westeifel Werke bieten insgesamt 24 Arbeitsplätze für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eingesetzt sind die Menschen mit Behinderung in allen Bereichen des Hotels: an der Rezeption, in der Küche und Hauswirtschaft, im Service, in der Haustechnik und beim Reinigungspersonal.


Barrierefreiheit garantiert

Fährt man durch das idyllische Neuerburg, so trifft man nahe am Zentrum in einer parkähnlichen Anlage auf das euvea. Nicht zu übersehen ist die Beschilderung mit dem Logo und den vier Sternen, die nicht nur auf ein Haus in einem gehobenen Hotelstandard hindeuten, sondern in erster Linie auf die vier beteiligten europäischen Länder. Das grenzübergreifende Projekt ist aber bislang ohne finanzielle Unterstützung aus europäischen Fördermitteln - weder im investiven noch im operativen Geschäft.

Im euvea kann Europa erlebt und gelebt werden. Dabei wird die Barrierefreiheit groß geschrieben. Vor allem in Gruppen reisende Menschen mit und ohne Behinderung aus Deutschland und den Nachbarländern Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden sind Gäste im Hotel und erleben ein konsequent barrierefreies Haus.

In 26 komfortablen Zimmern mit 54 Betten findet man alles, was von einem Hotel der gehobenen Klasse erwartet wird. Innen wie außen bietet das Haus abseits der Hektik viele Möglichkeiten der Erholung. Ob im Wellness-Bereich mit Sauna, Whirlpool, Solarium und Fitnessraum, im Freizeit- und Werkraum oder ganz einfach in der naturnahen landschaftlich reizvollen Umgebung - Entspannung ist garantiert.

Auch schwerst- und mehrfach behinderten Menschen bietet das Haus einen angenehmen Aufenthalt. Ihnen stehen beispielsweise ein speziell ausgestattetes Pflegebad oder mehrere rollstuhlgeeignete Zimmer zur Verfügung.


Sauna und Bildung

Urlaub und Freizeit ist der eine, Bildung und Tagung ist der andere Schwerpunkt des euvea. Die Gesellschafter veranstalten nicht kommerzielle Bildungsprogramme, die sich an Personen in Einrichtungen der Behindertenhilfe richten.

Aus der Praxis - für die Praxis, so könnte man die Veranstaltungen umschreiben, die für Fachkräfte und behinderte Menschen selbst angeboten werden. Beispiele sind die sonderpädagogische Zusatzausbildung zur "Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung" oder die zahlreichen Angebote für Werkstatträte.

Und nicht nur das - modern ausgestattete Tagungsräume, davon einer mit Simultan-Übersetzungsanlage, bieten ideale Bedingungen für externe Anbieter zur Durchführung von Klausurtagungen, Weiterbildungsveranstaltungen und Konferenzen anderer Firmen und Institutionen.


Aufstrebende Urlaubsregion

Der Betrieb eines Hotels in einer konjunkturschwachen Zeit der Tourismusbranche, dazu in einer zwar neu entdeckten und aufstrebenden Urlaubsregion, die aber dennoch nicht zu den touristischen Hochburgen Deutschlands zählt, erscheint nicht ganz einfach - ist es auch nicht.

Die Gesellschafter aber sind in ihrer Ausrichtung breit aufgestellt - und dies nicht nur in Bezug auf die internationale Gästestruktur. Schon in der Konzeptionsphase wurde festgelegt, dass im euvea WfbM-Arbeitsplätze eingerichtet werden, da damals in der Region weitere Platzkapazitäten erforderlich waren.

Betrieben wird der Standort Neuerburg von den Westeifel Werken (WEW) Gerolstein, als anerkannte Werkstatt für das Versorgungsgebiet zuständig und zugleich Mehrheitsgesellschafter beim euvea. Eine Zweckbindung, die notariell verankert ist, bietet auf Dauer den behinderten Menschen die Möglichkeit, in der Hotelbranche tätig zu werden.

Im Einzelfall ist das euvea - in puncto Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - Vorstufe oder auch Sprungbrett für eine Integration.

In Ergänzung zu den Werkstätten bietet das Hotel einen Arbeitsplatz, der wesentlich vom "beschützenden" Rahmen und der damit verbundenen Infrastruktur einer WfbM abweicht.


Dienst auch am Wochenende

Wie ist die Resonanz bei den behinderten Beschäftigten? Obgleich die Arbeitsbedingungen insbesondere in diesem Berufszweig auf den ersten Blick nicht gerade "arbeitnehmerfreundlich" erscheinen, macht das euvea überaus positive Erfahrungen.

Alle Beschäftigten hatten ein Wahlrecht, entweder im nächst gelegenen Standort der WEW tätig zu werden oder im euvea, allerdings dann auch am Abend und an Wochenenden.

Die erste Umfrage in der WfbM ergab ein überwältigendes Interesse der Beschäftigten am Hotelarbeitsplatz und noch heute gibt es eine rege Nachfrage.

Gerade die Arbeitsplätze der WEW im Neuerburger Hotel besitzen in der Mitarbeiterschaft einen sehr hohen Stellenwert, was Gesprächen zufolge am häufigen Kontakt zu den "nicht behinderten Gästen" liegt. Hier wird der Wunsch deutlich spürbar, sich in einem möglichst "normalen" Arbeitsumfeld zu bewegen und die daraus erwachsenden persönlichen Herausforderungen anzunehmen.

Der Werkstatt-Arbeitsplatz trägt somit an sich schon zu einem Integrationsprozess bei den Beschäftigten selbst bei und natürlich auch umgekehrt bei den Gästen, vor allem dann, wenn sie dort den stets freundlichen Mitarbeitern begegnen, die sie in manch anderem Hotel vermissen.

Schwierig wird es jedoch, die WfbM-Arbeitsplätze selbst in einen europäischen Kontext zu stellen oder mehr noch die Frage zu stellen, ob nicht auch behinderte Menschen aus den Nachbarländern in der "Hotelwerkstatt" arbeiten können. Trotz der direkten räumlichen Nähe ist es den Verantwortlichen bis heute nicht gelungen, einen solchen "transnationalen WfbM-Arbeitsplatz" zu schaffen. Zu groß sind noch die momentanen Unterschiede in Förderung, die das deutsche Sozialrecht als Eingliederungshilfe bezeichnet.

Hermann Dahm, Diplom-Sozialpädagoge und Prokurist der gemeinnützigen Westeifel Werke Gerolstein GmbH der Lebenshilfen Bitburg, Daun und Prüm

Kontakt:
euvea Freizeit- und Tagungshotel GmbH
Bitburger Strasse 21
54673 Neuerburg
Telefon: 065 64/96 09-0, Fax: -66,
E-Mail: info@euvea.de
Internet: www.euvea.de


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1/2010, 31. Jg., März 2010, S. 16
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
Bundesgeschäftsstelle, Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Telefon: 030/20 64 11-0, Fax: 030/20 64 11-204
E-Mail: LHZ-Redaktion@Lebenshilfe.de
Internet: www.lebenshilfe.de

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jährlich viermal (März, Juni, September, Dezember).


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2010