Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → PRESSE

PROJEKT/603: Lichtblicke im Schatten der Slums - Lebenshilfe-Projekt in Uganda (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1 - März 2010

Lichtblicke im Schatten der Slums
Lebenshilfe unterstützt Menschen mit Behinderung in Uganda
Landwirtschaftliche Trainingsfarm offiziell eröffnet

Von Kerstin Heidecke


Akello* ist über 40 Jahre alt. Die meiste Zeit seines Lebens verbringt er in der Hütte seiner Mutter auf einer Decke am Boden. Wenn die Spastiken nicht zu stark sind, kann er auch ein Weilchen im Sitzen verbringen. Dass er solange überlebt hat, verdankt er seiner Mutter, Kajumba* (* Namen von der Redaktion geändert). Sein Vater ist im Bürgerkrieg geblieben, der 20 Jahre lang im Norden Ugandas wütete. Wenn Kajumba nicht mehr ist, weiß niemand, was aus Akello werden soll.

Uganda, das ostafrikanische Land mit 29 Millionen Einwohnern, hat Menschen mit geistiger Behinderung nur wenig Perspektive zu bieten. Meist kümmern sich die Eltern - nicht selten die verwitweten Mütter allein - um ihre behinderten Kinder. Eine starke Elternselbsthilfeorganisation, Strukturen, die etwas auffangen könnten, flächendeckende Angebote von der Frühförderung bis zur Werkstatt gibt es nicht. Dabei leben etwa 80 Prozent aller Menschen mit Behinderung in Dritte-Welt-Ländern. Wie auch in Uganda können nur zwei bis drei Prozent von ihnen auf offizielle Hilfe bauen.

Kleine Gruppen wie die Lebenshilfe-Partnerorganisation Uganda Association for the Mentally Handicapped - Inclusion Uganda (UAMH) versuchen die Lage der Menschen mit Behinderung und ihrer Familien Schritt für Schritt zu verbessern. Im November 2009 reisten der Bundesgeschäftsführer der Lebenshilfe, Ulrich Bauch, sowie der Referent für Internationales, Harald Kolmar, für einige Tage nach Uganda, um sich ein Bild von der aktuellen Lage zu machen und Gespräche mit der UAMH zu führen.

Der Besuch galt einem Projekt, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt wird: Einfache kleine Förderzentren werden mit therapeutischen Materialien ausgestattet und eine Trainingsfarm aufgebaut. Besonders junge Menschen mit geistiger Behinderung sollen hier landwirtschaftliche Tätigkeiten erlernen.

Dabei geht es nicht nur um die eigene Existenzsicherung, sondern auch um die Anerkennung der Arbeit von Menschen mit Behinderung durch Familie und Bevölkerung. Das Projekt wird vom Lebenshilfe-Referat Internationales begleitet, die Lebenshilfe Hameln ist mit im Boot.

Ulrich Bauch und Harald Kolmar konnten während ihres Besuches die landwirtschaftliche Trainingsfarm offiziell eröffnen. Sie trafen einige lokale UAMH-Gruppen und konnten mit dem Deutschen Vizebotschafter sprechen: Außerdem besuchten sie die Fakultät für Sonderpädagogik der Universität und den hochrangigen Vertreter des Erziehungsministeriums, Bereich Sonderpädagogik, Christopher Wimon Okecho. Solche Begegnungen können die Arbeit der Partnerorganisation vor Ort auf verschiedene Weise unterstützen; mit Hilfe der deutschen Fachorganisation werden Türen in die dortige Verwaltung geöffnet.

In beeindruckender Weise arbeiten die engagierten Helfer der UAMH unter schwierigen Bedingungen in der Hauptstadt Kampala und verschiedenen Regionen Ugandas für und mit behinderten Menschen und ihren Familien. Ihr erstes Zentrum hatten die Mitglieder der Partnerorganisation schon Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts bewusst in unmittelbarer Nähe eines städtischen Slums aufgebaut. In einer solchen Umgebung ist der Anteil von Menschen mit Behinderung besonders hoch, dies gilt verstärkt auch für geistige Behinderung. Jetzt, nach so vielen Jahren, braucht dieses einfache Zentrum, dringend eine Renovierung und weitere Ausstattung.

UAMH arbeitet derzeit in Uganda mit 18 sogenannten "local branches" oder regionalen Gruppen der Organisation in 15 Distrikten Ugandas. Fast alles beruht auf freiwilligem Engagement von Familien mit behinderten Angehörigen. Die Unterstützung, seitens der Verwaltung oder Politik ist gering. Insgesamt erreicht diese Arbeit aktuell etwa 600 Menschen mit überwiegend geistiger Behinderung.

Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Förderung junger Menschen mit Behinderung in der Schule, dem Ansatz der "inclusive education" folgend, sowie auf dem Erlernen beruflicher Fertigkeiten in verschiedenen Handwerken. Dadurch sollen notwendige Selbstständigkeit, Einkommensmöglichkeiten und Wertschätzung für behinderte Menschen gefördert werden.

Die Situation der Familien - besonders auf dem Land - ist dramatisch. Eine Familie hat im Schnitt sieben Kinder, etwa ein Drittel von ihnen stirbt vor dem 15. Lebensjahr. Die Ursachen: Armut, mangelnde medizinische Versorgung, Mangel- und Fehlernährung, Umweltverschmutzung, kein sauberes Trinkwasser, große Entfernungen, schlechte Straßenverhältnisse, fehlende Transportmittel, etwa um in Kliniken zu gelangen. Beeindruckt hat die Lebenshilfe-Gäste, wie groß trotz dieser Verhältnisse die Lebenskraft der Menschen ist.

In Stadt und Land versucht ein großer Teil der Bevölkerung, sich mit unterschiedlichen Jobs über Wasser zu halten: zum Beispiel als ambulante Verkäufer verschiedener Kleinwaren, als Fahrer von Mopedtaxis oder auch Fahrradtaxis, am Straßenrand in kleinen Hütten als Dienstleister des alltäglichen Bedarfs. Für Menschen mit Behinderungen gibt es diese Möglichkeiten für sich selbst zu sorgen bisher kaum.

Das aktuelle Projekt ist ein Anfang, weitere Hilfe beim Ausbau der Strukturen dringend nötig.

Kontakt
Harald Kolmar
Bundesvereinigung Lebenshilfe
Referat Internationales
Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Telefon: 030/2064 11-109
E-Mail: Harald.Kolmar@Lebenshilfe.de


*


Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1/2010, 31. Jg., März 2010, S. 24
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
Bundesgeschäftsstelle, Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Telefon: 030/20 64 11-0, Fax: 030/20 64 11-204
E-Mail: LHZ-Redaktion@Lebenshilfe.de
Internet: www.lebenshilfe.de

Die Lebenshilfe-Zeitung mit Magazin erscheint
jährlich viermal (März, Juni, September, Dezember).


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2010