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RECHT/656: Keine Kostenübernahme für Integrationshelfer für Kindergartenbesuch (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2009

INTEGRATIONSHELFER FÜR BESUCH EINES REGELKINDERGARTENS
Kosten werden nicht übernommen ...

Von Peter Brünsing


Das Verwaltungsgericht (VG) Ansbach hat den Antrag eines behinderten Kindes auf vorläufige Kostenübernahme für einen Integrationshelfer für den Besuch eines Regelkindergartens abgelehnt.


Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller (das behinderte Kind) leidet an frühkindlichem Autismus in Form des Asperger-Syndroms. Die Mutter stellte für das Kind einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Integrationshelferin für den Besuch eines Regelkindergartens. Dieser Antrag wurde von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, der Kindergarten sei nicht die geeignete Einrichtung für den Antragsteller zur Vorbereitung zum späteren Besuch einer Schule. Die Förderung des Antragstellers übersteige die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines Regelkindergartens, was aus dem Rahmenleistungsvertrag deutlich werde. Aufgrund der Rahmenleistungsvereinbarung könne der Kindergarten nur in dem Rahmen der daraus abgeleiteten Leistungs- und Vergütungsvereinbarung die mit dem Entgelt finanzierte Betreuung sicherstellen. Weitergehende Leistungen seien weder Gegenstand der Vereinbarung noch vom Kindergarten zu fordern. Im Regelkindergarten könne lediglich eine Verwahrung und nicht die notwendige Förderung stattfinden. Ziel sei es aber, den Antragsteller soweit zu fördern, dass ein Schulbesuch möglich werde. Es sei zweifelsfrei, dass der Antragsteller eine geeignete Förderung benötige. Diese habe er in einer Schulvorbereitenden Einrichtung. Seitens des Antragsgegners seien alle Anstrengungen unternommen worden, dem Antragsteller wieder einen Platz in der Schulvorbereitenden Einrichtung zu vermitteln, was jedoch von der Vertreterin des Antragstellers abgelehnt worden sei, da es nach ihrer Aussage am nötigen Vertrauensverhältnis zur Einrichtung bzw. zu den Lehrkräften und Verantwortlichen fehle. Lediglich für einen solchen Platz in einer Schulvorbereitenden Einrichtung könnten jedoch die Kosten für einen Integrationshelfer übernommen werden.

Die Bevollmächtigte des Antragstellers führte dagegen an, der gewählte Kindergarten sei für den Antragsteller besonders geeignet und er habe dort auch sehr große Fortschritte gemacht, was durch eine Ambulanz bestätigt werden könne. Beim Antragsteller liege eine seelische und keine geistige Behinderung vor. Die Aufnahme in eine Einrichtung, die für geistig Behinderte bestimmt sei, berge die Gefahr, dass er sich deren Verhaltensweise als Vorbild nehme, auch könne dem Antragsteller ein weiterer Wechsel einer Einrichtung nicht zugemutet werden. Diese Auffassung wurde von der Ambulanz bestätigt.

Das VG Ansbach schloss sich in seiner Entscheidung der Rechtsauffassung der Beklagten an. Es stellt in seiner Begründung fest, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten keine rechtlichen Bedenken begegne und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletze.

Gemäß § 35 a Abs. 1 Sstz 1 SGB VIII hätten Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn die seelische Gesundheit der Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweiche und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtige oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten sei. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen stehe fest, dass es sich bei dem Antragsteller um ein Kind mit einer seelischen Behinderung im Sinne dieser Vorschrift handele. Der bei ihm diagnostizierte frühkindliche Autismus in Form des Asperger-Syndroms gehöre zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, wobei diese Patienten mindestens normal intelligent sind und die Kernsymptomatik der Störung die Teilhabe am normalen Leben betrifft. Aufgrund ihrer mindestens normalen Intelligenz sei eine Zuordnung zum Personenkreis der geistig Behinderten in der Regel ausgeschlossen.

Für autistische Kinder müsse bei richtiger Diagnosestellung automatisch von einer erheblichen Beeinträchtigung bei der Teilhabe ausgegangen werden, da ja gerade die sozialen Integrationsstörungen, d.h. die Behinderung in der Teilhabe ein zentrales Diagnosemerkmal darstellen.

Da der Antragsteller zum Personenkreis der grundsätzlich Anspruchsberechtigten gehöre, habe das Jugendamt auf der nächsten Stufe eine durch das Gericht nur noch eingeschränkt überprüfbare Auswahlentscheidung über die im Einzelfall notwendige und geeignete Hilfeart zu treffen. Dabei handele es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Antragstellers und mehrerer Fachkräfte und das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt und das auch nicht durch eine gerichtliche Bewertung - auch mit Hilfe von Sachverständigen - ersetzt werden könne. Die vom Jugendamt vorgeschlagene Maßnahme muss als angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation geeignet sein, d.h. sie muss dieses Ziel erreichen können.

Weiterhin führt das Gericht aus, dass die Entscheidung des Antragsgegners nicht zu beanstanden sei, aus der sich ergebe, dass mit der konkret begehrten Maßnahme das Ziel der Eingliederung nicht erreicht werden kann, nämlich das Wohl des Kindes zu fördern, um den angestrebten Schulbesuch verwirklichen zu können. Der Antragsteller hingegen habe nicht glaubhaft gemacht, dass der Besuch des Regelkindergartens geeignet und erforderlich sei. Der Antragsgegner verkenne nicht, dass beim Antragsteller grundsätzlich ein Hilfe- bzw. Förderbedarf gegeben sei, der jedoch nicht im Regelkindergarten gedeckt werden könne.

Dies entspreche der Einschätzung durch das Sonderpädagogische Förderzentrum, wonach, nach Begutachtung durch einen Fachpädagogen und unter Einbeziehung des Gesundheitsamtes, beim Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde, der nur in einer Schulvorbereitenden Einrichtung erfüllt werden könne. Der Antragsgegner habe zu keiner Zeit aus den Augen verloren, dass beim Antragsteller ein besonderer Förderbedarf vorhanden sei und habe auch konkret eine andere, geeignete Hilfemöglichkeit aufgezeigt. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn die konkret begehrte Maßnahme abgelehnt werde. Das Wunsch- und Wahlrecht im Sinne des § 5 SGB VIII komme jedenfalls schon allein deshalb nicht zum Tragen, weil die begehrte Hilfe zur Deckung des konkreten Bedarfs nicht geeignet sei.


Die Entscheidung des Bayerischen VG Ansbach vom 2. April 2008 trägt das AZ: AN 14 E 08.00459

DER AUTOR:
Peter Brünsing ist Leiter des Referats Recht und Justiziar der BAG SELBSTHILFE.


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Quelle:
Selbsthilfe 4/2009, S. 22-23
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2010