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RECHT/676: Reform der Regelbedarfe im SGB II und SGB XII - Was ist neu? (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 2 - Juni 2011

Reform der Regelbedarfe im SGB II und SGB XII: Was ist neu?

Von Ricarda Langer


Wochenlang hatten die Mitglieder des Vermittlungsausschusses des Bundestages und Bundesrates um eine Einigung gerungen. Jetzt ist das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen (sogenannte "Hartz-IV-Neuregelung") rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Notwendig geworden war die Gesetzesreform durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherigen Regelsätze aufgrund ihrer nicht nachvollziehbaren Berechnung für verfassungswidrig erklärt hatte. Anhand statistischer Erhebungen hat der Gesetzgeber nun neu festgelegt, welche Leistungen in welcher Höhe zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich sind. Völlig neu geschaffen wurde ein sogenanntes Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder, deren Eltern Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten.

Anstelle des Regelsatzes gibt es nun Regelbedarfe. Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ("Hartz-IV") und dem SGB XII (Sozialhilfe), die alleinstehend oder alleinerziehend sind, erhalten einen Regelbedarf von 364 Euro und damit 5 Euro mehr als bisher. Ehegatten, Lebenspartner oder in ähnlicher Gemeinschaft lebende Personen erhalten jeweils 328 Euro.

Neu eingeführt wurde im Bereich der Sozialhilfe eine Regelbedarfsstufe 3 für Erwachsene, die weder einen eigenen noch einen gemeinschaftlichen Haushalt führen. Sie erhalten 291 Euro und damit lediglich 80 Prozent des vollen Regelbedarfs. Auch volljährige Leistungsbezieher des SGB II, die mit ihren Eltern eine Bedarfsgemeinschaft bilden, bekommen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 291 Euro.

Kinder erhalten altersabhängig 213 Euro (0 bis 6 Jahre), 242 Euro (7 bis 14 Jahre) oder 275 Euro (15 bis 18 Jahre), jedoch werden aufgrund Bestandsschutzes weiterhin die bisherigen höheren Leistungen gezahlt. Zum 1. Januar 2012 erfolgt eine Erhöhung des Regelbedarfs um 3 Euro.


Bedenklich: Regelbedarfsstufe 3

Die neue Regelbedarfsstufe 3 hat massive Kritik hervorgerufen. Volljährige Menschen mit Behinderungen, die bei ihren Eltern leben und Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII beziehen, erhalten durch die Reform vielfach nicht mehr, sondern weniger Geld als bisher. Ebenfalls können die behinderungsbedingten Mehrbedarfe nun geringer ausfallen, da sie nach der maßgeblichen Regelbedarfsstufe berechnet werden.

Auf diese nicht nachvollziehbare Schlechterstellung von Menschen mit Behinderungen hat die Bundesvereinigung Lebenshilfe bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen. Im Vermittlungsausschuss wurde daraufhin vereinbart, "die Regelbedarfsstufe 3 mit dem Ziel zu überprüfen, Menschen mit Behinderungen ab dem 25. Lebensjahr den vollen Regelsatz zu ermöglichen".

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hat das dafür zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie die Mitglieder des Vermittlungsausschusses aufgefordert, diesen Prüfauftrag zügig umzusetzen.


Barbetrag steigt

Bewohnerinnen und Bewohnern von stationären Einrichtungen, die Leistungen der Sozialhilfe (zum Beispiel Grundsicherung) erhalten, steht ab dem 01. April 2011 ein Barbetrag in Höhe von 98,28 Euro monatlich zu. Für die Monate ab Januar 2011 wird es eine monatliche Nachzahlung von jeweils 1,35 Euro geben. Der genaue Zeitpunkt der Nachzahlung ist abhängig von der Praxis der Sozialhilfeträger vor Ort.


Neuerungen bei der Sozialhilfe

Beim Bezug von Sozialhilfe werden nun bis zu 175 Euro (zuvor 100 Euro) nicht als Einkommen angerechnet, wenn es sich um eine Aufwandsentschädigung aus steuerfreier ehrenamtlicher Tätigkeit handelt.

Besonders praxisrelevant ist die Verkürzung des Nachgewährzeitraums: Wird ein ablehnender Bescheid durch die Behörde zurückgenommen, weil er rechtswidrig ist, konnte die Zahlung der nicht erbrachten Leistungen bisher bis zu einem Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme gefordert werden. Durch die Reform wurde der Zeitraum auf ein Jahr verkürzt.


Reform bleibt unzureichend

Es ist nicht verwunderlich, dass der Vermittlungsausschuss so lange gebraucht hat, sich zu einigen. Einige Regelungen bleiben dennoch unzureichend (etwa das Bildungspaket) oder werfen rechtliche Fragen auf(zum Beispiel die Regelbedarfsstufe 3).

Auf unserer Internetseite haben wir unter der Rubrik "Fachinformationen" weitere Informationen zur Regelbedarfsstufe 3 zusammengestellt. Hier finden Sie auch Hilfe, wie Sie gegen eine Kürzung der Grundsicherung vorgehen können.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 2/2011, 32. Jg., Juni 2011, S. 9
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2011