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SPORT/269: Integratives Sportprojekt in Hagen (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - April 2009

Ein Trio auf dem Trampolin
Integratives Sportprojekt in Hagen

Von Robert Burg


"Tschüss, bis nächsten Mittwoch!" Was wie ein Abschiedsgruß klingt, ist gleichzeitig das Versprechen, in der nächsten Woche wiederzukommen. Der Satz ist auch das Motto eines integrativen Sportprojekts des Stiftungsbereichs vorOrt, das jetzt ausgezeichnet wurde. In Hagen treiben Hauptschüler und behinderte Menschen aus einem Bethel-Wohnheim gemeinsam Sport.


Das Wohnheim Kirchbergstraße, in dem 24 erwachsene Menschen mit komplexen Behinderungen betreut und versorgt werden, und die benachbarte Ganztagshauptschule Vorhalle belegten bei dem Wettbewerb "Leben so wie DU und ICH - Wege zur Einbindung in die Gemeinde" der Deutschen Heilpädagogischen Gesellschaft (DHG) den zweiten Platz. Mit dem Preis werden regelmäßig hervorragende und innovative Ansätze ausgezeichnet, die in der Praxis die Teilhabe von Erwachsenen mit schwerer geistiger Behinderung oder auffälligem Verhalten am gesellschaftlichen Leben verbessern. In diesem Jahr haben 32 Projekte aus ganz Deutschland an dem Wettbewerb teilgenommen. Das Wohnheim in der Kirchbergstraße ist der einzige Preisträger in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Preisgeld in Höhe von 500 Euro wollen die Kinder gemeinsam mit den behinderten Menschen in den Zoo gehen.


Ein Selbstläufer

Organisiert wurde das Projekt von Karin Thoma-Zimmermann, Sportlehrerin in Vorhalle, und. Mark Weigand, Teamleiter in dem Bethel-Wohnheim. Mittlerweile ist es ein Selbstläufer: Die Kinder freuen sich, die Menschen mit Behinderung zu treffen. Lehrer und Bethel-Mitarbeiter greifen nur noch selten ins Geschehen ein. Die Schüler kennen die Fähigkeiten und Interessen ihrer behinderten Sportkameraden, probieren aber auch spielerisch Neues aus. Auch außerhalb des Sportunterrichts sind die Bewohner des Hauses Kirchbergstraße und die Schüler näher zusammengerückt. Im Sommer veranstalten sie gemeinsam Grillfeste, und im vergangenen Herbst hat eine Neuntklässlerin ein dreiwöchiges Schülerbetriebspraktikum in der Einrichtung absolviert.


Sport-Freundinnen

Eine begeisterte Teilnehmerin des Generationen übergreifenden Sportangebots ist Carmen Korpak. Die junge schwer behinderte Frau lebt seit vier Jahren im Haus Kirchbergstraße. Ihre Sport-Freundinnen Sara Dobberstein und Marina König, elf und zwölf Jahre alt, kümmern sich besonders um die 23-Jährige. "Mit Carmen hat es gleich Spaß gemacht", sind sich die beiden aufgeweckten Mädchen einig. Gemeinsam mit den Bethel-Bewohnern toben die Fünftklässler durch die große Sporthalle. Ob Rolli-Parcours, Basketball oder eine Rutschpartie auf den großen Matten - jeder darf sich aussuchen, was er am liebsten macht. Carmen Korpak muss nicht lange überlegen: Ihr Lieblingsplatz ist das Trampolin.


Mehr Selbstbewusstsein

"Dieses Projekt kann tragen, da es nicht auf Mitleid beruht", betonte Prof. Dr. Friedrich Diekmann bei der Preisverleihung in der Karl-Adam-Sporthalle. Es beinhalte viele positive Effekte für alle Beteiligten, so der stellvertretende DHG-Vorsitzende in seiner Laudatio: "Durch den Kontakt wurden Ängste bei den Schülern abgebaut. Die oftmals gescholtenen. Hauptschüler bekommen mehr Selbstbewusstsein." So habe ein Mädchen aus der siebten Klasse, das sich wegen eines behinderten Geschwisterkindes oft vernachlässigt fühlte, gelernt, anders mit ihm umzugehen. Heute kann es seine familiäre Situation passender einschätzen. Schlussendlich entstehe durch Projekte wie dieses, so Prof. Dr. Diekmann, in der Öffentlichkeit ein besseres Bild der Schulform Hauptschule.

"Komm, jetzt wippen wir ein bisschen", ruft Sara. Während ihre Freundin Marina Carmen Korpak festhält, bringt Sara das Sprungtuch sanft in Schwung. Wenn alles schaukelt und die Welt vor ihren Augen auf und ab hüpft, strahlt die behinderte junge Frau über das ganze Gesicht. Sie findet es klasse, wenn richtig was los ist, trotz ihrer schweren Behinderung - Carmen Korpak hat einen großen Bewegungsdrang. Sara und Marina passen auf, dass sie sich nirgends stößt und wischen ihr auch den Mund ab, wenn es nötig ist. Für sie und ihre Mitschüler gehören die Menschen mit Behinderung mittlerweile einfach dazu.


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Quelle:
DER RING, April 2009, S. 18
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2009