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VERBAND/634: Bethel - 15 Jahre Hilfe für Kinder im Haus Hebronweg (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - Juni 2009

15 Jahre Hilfe für Kinder im Haus Hebronweg
Über das Glück, eine liebe Omi zu haben

Von Silja Harrsen


Jeden Mittwoch ist Gerda Siegmann verabredet - mit sieben Jungen im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren. Die Jugendlichen werden in der Wochen-/Tagesgruppe Hebronweg, einer Einrichtung der Jugendhilfe Bethel OWL, betreut. Sie sind auffällig geworden in der Schule oder zu Hause und brauchen professionelle Unterstützung. Gerda Siegmann ist eine ehrenamtliche Helferin. Wegen ihrer liebevollen Art wurde die 67-Jährige von den Jungs zur Gruppenomi gekürt.


"Gerda ist oben bei Dominic" sagt Leon, der Jüngste der Gruppe, und weist mit dem Finger in Richtung Treppe. Das Haus am Hebronweg in Bielefeld-Eckardtsheim ist ein ehemaliges Wohnhaus mit zwei Stockwerken. Unten befinden sich das Büro, das Esszimmer und die Küche. Oben sind die Schlaf räume und die Badezimmer. Fünf der sieben Jungen sind Teilnehmer der Wochengruppe. Sie leben und schlafen in der Einrichtung und sind nur am Wochenende und in den Ferien bei ihren Familien. Die anderen zwei sind in der Tagesgruppe, das heißt, sie wohnen bei ihren Eltern und sind nur nach der Schule für ein paar Stunden im Hebronweg.

Dominic gehört zu den Wochengruppenkindern. Am Sonntag reist er mit der Bahn von Gütersloh an und bleibt bis Freitagabend in Eckardtsheim. Der 13-Jährige bewohnt ein Einzelzimmer mit Bett, Kommode und einem Schreibtisch, an dem er seine Hausaufgaben machen kann. Gerda Siegmann hat sich neben ihn gesetzt. Die beiden stecken die Köpfe zusammen und lesen in einem Schulbuch. An diesem Mittwoch wird die ehrenamtliche Helferin nur für Dominic da sein. In der nächsten Woche ist es ein anderer Junge. Es geht reihum.

Gerda Siegmann hilft beim Lernen, bei der Hausarbeit oder beim Kochen. "Die Jungs finden das gut mit Frau Siegmann", weiß Bernd Marx, koordinierende Fachkraft in der Jugendhilfe. Denn anders als die Pädagogen und Erzieher darf die Gruppenomi schon einmal etwas durchgehen lassen.

"Die Kinder und Jugendlichen, die wir betreuen, kommen vorwiegend aus unvollständigen Familien", erklärt Bernd Marx. Die Eltern haben sich getrennt und leben mit neuem Partner und deren Kindern aus früheren Beziehungen zusammen. "Auch Kinder alleinerziehender Mütter sind häufig betroffen, wenn sie einer flüchtigen Beziehung entstammen und ihre Väter nicht kennen", so Bernd Marx. Wenn die Kinder mit der Situation nicht klarkommen und es zu Hause und in der Schule massive Probleme gibt, bieten er und seine drei Mitarbeiterinnen Hilfe an.

Vor 15 Jahren ging die Wochengruppe in Eckardtsheim an den Start. Sie war die erste ihrer Art in Ostwestfalen-Lippe. Der Diplompädagoge Bernd Marx war von Anfang an dabei. Das Konzept sei überzeugend, betont er. Oberstes Ziel sei die Rückführung der Kinder in ihre Familien. "Wir wollen die klassischen Heimkarrieren verhindern, die damit beginnen, dass die Kinder aus den Familien herausgenommen werden, in eine stationäre Einrichtung kommen und dann oft ein Leben lang weiterbetreut werden müssen." Weil die Einrichtung im Hebronweg ein Erfolgsmodell ist, hat die Jugendhilfe Bethel OWL mittlerweile drei Wochen-/Tagesgruppen im Angebot. In Kürze wird noch eine weitere in Rheda-Wiedenbrück eröffnet.

Für die Pädagogen und Erzieher ist Elternarbeit ein Schwerpunkt. Dafür gehen sie auch in die Familien und bieten ihre Unterstützung an. Die Zusammenarbeit sei für die Eltern verpflichtend, hebt Bernd Marx hervor. "Manche versuchen ihr Kind bei uns abzugeben, wie in eine Werkstatt: 'Machen Sie es heile, dann holen wir es auch wieder ab!'" Aber so liefe das nicht. Es gebe enge Kontakte zu den Jugendämtern. Wenn die Eltern nicht kooperierten, könne ihnen schlimmstenfalls das Sorgerecht entzogen werden.

Gerda Siegmann hat viel Verständnis für Menschen, die es nicht leicht haben im Leben, und hat sich ganz bewusst für eine ehrenamtliche Arbeit in einer Einrichtung der Jugendhilfe entschieden. Früher war sie Redaktionssekretärin bei einer großen Bielefelder Zeitung, aber auch alleinerziehende Mutter eines Sohnes. Sie ist dankbar, dass mit ihrem Kind alles gut gelaufen ist. Es wurde tagsüber von einer Tagesmutter betreut.

Im Durchschnitt nehmen die Jugendlichen eineinhalb Jahre an der Maßnahme im Hebronweg teil. "Wir bieten den Jugendlichen klare Strukturen und ein verpflichtendes Freizeitprogramm. Jeden Mittwoch wird nach dem Abendessen mit der ganzen Gruppe der Plan für die kommende Woche erstellt", so Bernd Marx. Die Jugendlichen müssen auch Dienste im Haushalt übernehmen, wie Saubermachen, Rasenmähen oder Wäschewaschen.

Gerda Siegmann hat Dominic bei den Hausaufgaben und beim Putzen geholfen. Danach sind sie zusammen in die Küche gegangen, um den Salat für das Abendbrot vorzubereiten. Lahmacun haben sich die Jugendlichen gewünscht, ein türkisches Fladenbrot mit Hackfleischfüllung. Die 67-Jährige und der 13-Jährige schnippeln Gurken, Zwiebeln und Tomaten. Ein, zwei Mal greift Gerda Siegmann helfend ein. "Schau mal, Dominic, so geht es einfacher", erklärt sie ihm freundlich. Die ehrenamtliche Helferin ist schon seit zwei Jahren leidenschaftliche Gruppenomi im Hebronweg und möchte es weiterhin bleiben. "Ich ziehe so viel Gutes aus diesen Begegnungen und hoffe, dass es den Jungen mit mir genauso ergeht."


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Quelle:
DER RING, Juni 2009, S. 22-23
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2009