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VERBAND/675: Elterntelefon der Lebenshilfe Berlin - Verständnis zeigen und Mut machen (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 2 - Juni 2011

Verständnis zeigen und Mut machen

Anne-Christin Plate stellt das Elterntelefon der Lebenshilfe Berlin vor


19.30 Uhr, noch eine halbe Stunde, dann beginnt der "Dienst". Das Diensthandy des "Elterntelefon der Lebenshilfe" liegt in der Küche und könnte wochentags zwischen 20 und 22 Uhr klingeln, am Samstag und Sonntag zwischen 10 und 12 Uhr.

Also, flinke Hufe, damit die Kinder rechtzeitig im Bett sind. Schnell die Zähne geputzt, Schlafanzug angezogen, Buch gelesen, Lied gesungen, Kopf gekrault, Kuss und "Gute Nacht".

Jetzt bin ich bereit: Ich weiß aus Erfahrung, dass es nicht sofort um acht klingelt, dass es auch manchmal gar nicht klingelt. Doch ein "Dienstabend" ist ein "Dienstabend"; er verläuft in einer anderen Stimmung: Ich halte mich bereit für jemanden, der Hilfe braucht, einen Rat sucht, erzählen will.

Als wir zehn Eltern im Frühjahr 2009 das Elterntelefon unter dem Dach der Lebenshilfe gegründet hatten, dachten wir an den Moment, in dem wir selbst erfuhren, dass unser Kind mit Down-Syndrom auf die Welt gekommen ist, eine Zeit, in der plötzlich "alles anders war". Gespräche mit anderen Eltern von Kindern mit Down-Syndrom haben dabei geholfen, in diesem "Anders" anzukommen und es anzunehmen.

Mit unseren Erfahrungen heute wollen wir da sein für die frischgebackenen Familien von Kindern mit Down-Syndrom und geistigen Behinderungen. Wir wollen nicht beraten, wir wollen da sein, unsere ganz persönlichen Erfahrungen teile und Mut machen. Und auch Brücke sein zur Lebenshilfe. Wenn das gelingt, ist viel erreicht.


Ordner mit wichtigen Informationen und Adressen zusammengestellt

Wichtig ist uns auch, Informationen und Adressen für den Raum Berlin und Brandenburg parat zu haben, damit wir praktische Hilfen vermitteln können, zum Beispiel wo kann der Behindertenausweis beantragt werden oder welche Sozialpädiatrischen Zentren sind in der Nähe. Deshalb haben wir einen Ordner zusammengestellt, in dem hilfreiche Informationen aufgelistet sind, auf die wir während eines Gesprächs zugreifen können.

Plötzlich unterbricht eine laute und ungewohnte Melodie die Stille. Das Elterntelefon klingelt. Ich greife schnell den Info-Ordner und nehme im Sessel erwartungsvoll Platz. Es kann passieren, dass es pro Woche nur einen Anruf gibt, manchmal auch keinen. Manchmal ist das Gespräch kurz, es geht um Informationen, etwa zur Frühförderung. Ein weiteres Thema ist die Frage nach dem Alltag und den Zukunftsperspektiven bei einem Kind mit Down-Syndrom.

Heute unterhalten wir uns über dem Moment, als wir nach der Geburt informiert wurden, dass bei unseren Kindern Verdacht auf Down-Syndrom bestand. Welche Gefühle diese Nachricht, aber auch das Verhalten der Pfleger und Ärzte bei uns auslöste. Ich höre zu, erinnere mich, verstehe. Mehr kann ich meiner Gesprächspartnerin heute kaum übermitteln. Ihr Baby ist erst wenige Tage alt, und sie berichtet davon vielleicht zum ersten Mal. Wie wichtig ihr mein Verständnis ist, kann ich nur vermuten, schließlich haben wir uns in der Lebenshilfe-Elterngruppe in den vergangenen sechs Jahren oft über diesen Moment ausgetauscht.


Auf schwierige Gespräche in Seminar vorbereitet

Auf schwierige, weil emotional belastende Gespräche haben wir uns in einem Seminar der Telefonseelsorge vorbereitet und einige ihrer Vertraulichkeitsregeln übernommen. Wir haben unseren Flyer und unsere Webseite entworfen. Die Lebenshilfe hat uns dabei technisch und finanziell unterstützt. Seit Januar 2010 ist nun das Elterntelefon in Betrieb, und wir sind nicht nur mit den Abenddiensten beschäftigt, sondern auch damit, unser Angebot bekannt zu machen. Wir tragen unsere Flyer in Arztpraxen, Geburtskliniken und SPZs, verteilen sie bei Fachtagungen, damit möglichst viele betroffene Familien von uns erfahren. Das bleibt auch im nächsten Jahr eine wichtige Aufgabe für uns.

Falls sich an anderen Orten Eltern entschließen, ein Elterntelefon ins Leben zu rufen, stehen wir gerne mit unseren Erfahrungen zur Seite. Kontakt und weitere Informationen unter:
www.elterntelefon-lebenshilfe.de


BUNDESWEITERS BERATUNGSANGEBOT DER LEBENSHILFE NACH VORGEBURTLICHER DIAGNOSTIK

Bisher war bei den Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft alles in Ordnung und nun plötzlich ergeben sich Unklarheiten: Das sieht nicht so gut aus, das müssen wir genauer untersuchen! Oder nach einer Zeit der Unsicherheit, der unklaren Befunde gibt es jetzt Gewissheit, das Kind, das ich erwarte, hat eine Beeinträchtigung. Damit ist plötzlich alles anders, der Boden tut sich unter den Füßen auf, und tausend Gedanken schwirren durch den Kopf. Was heißt das für mich, für uns? Wie geht es jetzt weiter? Schaffe ich das alles?

Im Schwangerschaftskonfliktgesetz ist seit 2010 geregelt, dass werdende Eltern an Behindertenverbände vermittelt werden sollen, um Informationen zum Leben mit einem behinderten Kind zu bekommen.

Die Lebenshilfe bietet hier bundesweit Unterstützung an. Auf www.lebenshilfe.de finden Sie Informationen zu vorgeburtlichen Untersuchungen. Wenn sie ein persönliches Gespräch wünschen, finden sie mit wenigen Klicks auf einer Deutschland-Karte die Adressen von Elterngruppen und Beratungsstellen der Lebenshilfe, die zum Beispiel Elternkontakte vermitteln.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 2/2011, 32. Jg., Juni 2011, S. 3
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
Bundesgeschäftsstelle, Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Telefon: 030/20 64 11-0, Fax: 030/20 64 11-204
E-Mail: LHZ-Redaktion@Lebenshilfe.de
Internet: www.lebenshilfe.de

Die Lebenshilfe-Zeitung mit Magazin erscheint
jährlich viermal (März, Juni, September, Dezember).


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2011