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VERBAND/705: ARGE Selbsthilfe in Österreich (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 2/2013

Selbsthilfe in Österreich

Von Monika Maier



Die Erkenntnis, dass Selbsthilfegruppen für ihre Aktivitäten einen Rahmen brauchen, der ihnen eine effektive und kontinuierliche Arbeit ermöglicht, hat dazu geführt, dass sich in den Bundesländern seit Ende der achtziger Jahre zwei Unterstützungsmodelle zur Förderung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen entwickelt haben: themenübergreifende Selbsthilfe-Dachverbände und Selbsthilfe-Kontaktstellen.


Im Januar 2000 haben sich Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtungen Österreichs zu einer Arbeitsgemeinschaft - der ARGE Selbsthilfe Österreich - zusammengeschlossen. Grund hierfür war nicht, eine weitere Spezialisierung und Ausdifferenzierung voranzutreiben, sondern eine Stärkung, Qualifizierung und Bündelung der Ressourcen in der Selbsthilfe zu erreichen.

Die Organisationsform "Arbeitsgemeinschaft" wurde damals bewusst gewählt, um einerseits die ohnehin schon sehr unübersichtliche Struktur in der Selbsthilfe nicht noch unübersichtlicher zu machen und andererseits der Selbsthilfe entsprechende, partizipative Entscheidungsstrukturen zu ermöglichen. Das heißt, die Arbeitsschwerpunkte werden ganz wesentlich von den Bedürfnissen und Anliegen der Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtungen und den themenbezogenen, bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen beeinflusst.

Im Februar 2010 wurde die ARGE Selbsthilfe Österreich in einen Verein umstrukturiert. Dieser Schritt ist als notwendige Konsequenz einer positiven Entwicklung zu sehen. Die an sich erfreuliche Einbindung der ARGE Selbsthilfe Österreich in immer mehr Entscheidungsprozesse auf Bundesebene führt dazu, dass eine Vertretung der Anliegen von Selbsthilfegruppen nicht mehr auf Basis der Ehrenamtlichkeit oder als Nebenaufgabe machbar ist.

Den Bundesvorsitz der ARGE Selbsthilfe Österreich führt derzeit Sabine Geistlinger, die auch langjährige Geschäftsführerin des Dachverbandes Selbsthilfe Salzburg ist. Ihr zur Seite steht als Bundesvorsitzende-Stellvertreterin Mag. Monika Maier, die fast zwölf Jahre als Sprecherin der ARGE Selbsthilfe Österreich die Selbsthilfe nach außen vertreten hat und somit als Pionierin der bundesweiten Selbsthilfe in Österreich gilt. Mag. Monika Maier ist seit 1994 im Dachverband Selbsthilfe Kärnten beschäftigt und seit 1997 mit der Geschäftsführung betraut.

Die Hauptaufgabe der ARGE Selbsthilfe Österreich ist es, Informationen aus den Selbsthilfeorganisationen in den Bundesländern zu sammeln, zu bündeln und auf Bundesebene in relevante Gremien auf sozial- und gesundheitspolitischer Ebene einzubringen. Eine weitere Funktion der ARGE Selbsthilfe Österreich ist es, zu zeigen, wo Mängel und Lücken im System sind. Die Patienten in den Selbsthilfegruppen machen nicht nur die Erfahrung mit dem Gesundheitssystem, sondern auch mit dem Sozialsystem (Pflegegeldregress, Verlust der Erwerbsfähigkeit etc.). Diese "Schwachstellen" gilt es auf Bundesebene anzusprechen und entsprechende Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.


250.000 Menschen in 1.700 Selbsthilfegruppen

Eine oft gestellte Frage soll somit gleich beantwortet werden: Etwa 250.000 Menschen engagieren sich österreichweit in ca. 1.700 Selbsthilfegruppen. Das Spektrum reicht von A, wie Alzheimer bis Z, wie Zungenkrebs und es sind ähnlich wie in Deutschland vorwiegend chronische aber auch psychisch kranke und behinderte Menschen bzw. deren Angehörige, die sich in Selbsthilfegruppen zusammenschließen. Vor allem erfreulich ist, dass die Zahl der Selbsthilfegruppen steigt: waren es z.B. in Kärnten, dem südlichsten Bundesland Österreichs, im Jahr 1990 noch 26 Selbsthilfegruppen, so sind diese im Jahr 2012 auf 172 gestiegen.


Interessenvertretung und gesetzliche Verankerung als Ziel

Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt: Was etwa in Deutschland seit Jahren Realität ist, steckt in Österreich noch in den Kinderschuhen: Etwa ist die Frage, wer legitimiert ist, die Interessen der Patienten zu vertreten (in Deutschland seit 2004 im Sozialgesetzbuch geregelt) in Österreich noch nicht umgesetzt. Der hohe Stellenwert der Selbsthilfe findet in Österreich zudem derzeit keinen ausreichenden Niederschlag in verbindlichen Fördervereinbarungen bzw. in einer gesetzlichen Verankerung. Die Tatsache, dass es vorerst nur für die ARGE Selbsthilfe Österreich eine verbindliche Förderzusage bis Ende 2014 gibt, ist Anlass genug, noch einmal alle Kräfte zu bündeln und die gesetzliche Verankerung der unterschiedlichen Formen der Selbsthilfe in Österreich voranzutreiben, damit eine ausreichende Finanzierung sichergestellt werden kann und auch geregelt wird, wer legitimiert ist, die Patienteninteressen zu vertreten. Aus diesem Grund wird der "Tag der Selbsthilfe" im Oktober 2013 in Wien unter diesem Motto stehen.


Orientierung an Deutschland

Dr. Martin Danner (Bundesgeschäftsführer BAG SELBSTHILFE) wurde zum Tag der Selbsthilfe 2013 eingeladen, über die Erfahrungen aus Deutschland in Bezug auf die gesetzliche Verankerung und die Gremienarbeit, die mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden ist, zu berichten.

Für die Selbsthilfe in Österreich bedeutet die Beteiligung an Entwicklungs-, Beratungs- und Entscheidungsgremien auf Landes- und Bundesebene wegen der fehlenden Rahmenbedingungen eine große Herausforderung. So ist z.B. die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen nebenbei und ehrenamtlich kaum zu leisten und Vertreter der Selbsthilfe fühlen sich gegenüber den etablierten Interessenvertretern wie z.B. Ärztekammer oder Sozialversicherungsträger benachteiligt. Diese Ungleichheit beinhaltet das Risiko, wiederum in eine untergeordnete Position zu geraten, für andere Interessen instrumentalisiert zu werden oder von Entscheidungsträgern als "Feigenblatt" für unliebsame Entscheidungen benutzt zu werden. Passend dazu wurde auch Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt (Universität Köln) zum Tag der Selbsthilfe 2013 eingeladen, um über "Die Entwicklung der Selbsthilfe von der Laienkompetenz zur Professionalität" zu sprechen.


Abschließende Bemerkungen

Die öffentliche und fachpolitische Diskussion wird derzeit vor allem auch in Österreich unter den Aspekten der Effizienz des Ressourceneinsatzes, der Fähigkeit zur Innovation und der Klienten- und Kundenorientierung geführt. Selbsthilfegruppen bieten sich als Partner an, wenn es darum geht, das Sozial- und Gesundheitssystem stärker an den Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren. Selbsthilfegruppen sind bestrebt, Veränderungen sowohl im individuellen Bereich als auch im Sozial- und Gesundheitsbereich zu erreichen, z.B. Versorgungsstrukturen mitzugestalten, Partizipation auszuüben, Maßstäbe zu setzen, gesellschaftliche Verhältnisse zu ändern - also Arbeit an und in der Gesellschaft, gemeinsam mit anderen.


KONTAKT

ARGE Selbsthilfe Österreich
Simmeringer Hauptstraße 24, 1110 Wien
TeI. 00431 740402855
arge@selbsthilfe-oesterreich.at
Bundesgeschäftsführung:
Mag. Johannes Rampler

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Quelle:
Selbsthilfe 2/2013, S. 26-27
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Telefon: 0211/3 10 06-0, Fax: 0211/3 10 06-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de
 
Die "Selbsthilfe" erscheint mit 4 Ausgaben pro Jahr.
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Einzelpreis: 5,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2013