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VERBAND/718: Dolmetsch-Dienste übersetzen gesprochene Sprache in Schrift oder Gebärde (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2014

Dolmetsch-Dienste
Sie übersetzen gesprochene Sprache in Schrift oder Gebärden

Von Ann-Britt Petersen


Egal ob im Beruf, bei Behörden oder bei Vorträgen-Schriftdolmetscher und Gebärdensprachdolmetscher bieten für Menschen mit Hörbehinderungen eine wichtige Unterstützung. Ihre Arbeit ermöglicht den Betroffenen die uneingeschränkte Teilhabe an der Kommunikation mit Hörenden.


Wer gehörlos, hochgradig schwerhörig oder spätertaubt ist und in Gesprächssituationen mit hörenden Menschen etwas verstehen möchte, ist auf Unterstützung angewiesen. Es wird dann jemand gebraucht, der mithört und das Gesprochene übermittelt. Hier helfen spezialisierte Dolmetscher. Für Gehörlose sind das die Gebärdensprachdolmetscher. Sie übertragen das gesprochene Wort sowie wichtige akustische Informationen in die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Bei Bedarf nutzen sie auch Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) oder Lautsprachunterstützende Gebärden (LUG), je nachdem, welche Sprache die gehörlose Person beherrscht.

Menschen, die erst nach Abschluss des Spracherwerbs (etwa ab 7 Jahren) schwerhörig wurden, haben in der Regel keine Gebärdensprache gelernt. Doch sie beherrschen die Schriftsprache. Für sie sind Schriftdolmetscher häufig eine unverzichtbare Unterstützung. Deren Aufgabe ist es, das gesprochene Wort eines Gesprächspartners oder Redners simultan mitzuschreiben. Auf einem Monitor kann der Text dann mitgelesen werden. Bei größeren Veranstaltungen wird dieser über einen Beamer auf eine Leinwand projiziert.

Der Einsatz von Dolmetschern

Schriftdolmetscher sind ebenso wie Gebärdensprachdolmetscher in ganz unterschiedlichen Situationen gefragt. Sie übersetzen, was etwa in Behörden, bei der Polizei oder beim Arzt gesagt wird. Sie dolmetschen bei großen Veranstaltungen, wie bei Betriebsversammlungen oder Tagungen, aber auch bei Elternabenden oder im Standesamt. "Auf großen Veranstaltungen, sind sowohl Schriftdolmetscher als auch Gebärdensprachdolmetscher vertreten. Dann muss man absprechen, wer wo platziert wird, damit die Zielgruppen ihre Dolmetscher gut sehen können", sagt Sonja Berger. Die Hamburgerin hat die neunmonatige Ausbildung zur Schriftdolmetscherin vor kurzem abgeschlossen und bereits einige Erfahrungen gesammelt, unter anderem beim Dolmetschen in Gottesdiensten.

Die verschiedenen Methoden der Schriftdolmetscher

Das Prinzip des Schriftdolmetschens ist einfach: Alles, was während einer Gesprächssituation gesagt oder vorgetragen wird, wird mitgeschrieben. Und es wird mitlesbar gemacht, entweder auf dem Monitor eines Laptops oder über Beamer auf einer Leinwand. Dazu sitzen die Dolmetscher bei Einzelgesprächen mit ihrem Laptop so neben dem hörgeschädigten Teilnehmer, dass dieser freien Blick auf den Monitor hat. In größeren Veranstaltungen sitzen sie in der Nähe der Redner.

Es gibt drei verschiedene Verfahren, Lautsprache zu erfassen und in Schrift umzusetzen. Im konventionellen Verfahren schreiben die Schriftdolmetscher alle Wortbeiträge auf einer herkömmlichen Computertastatur mit. Damit es schnell geht, arbeiten sie mit Kürzeln. In einer anderen häufig verwendeten Methode arbeiten die speziell darauf ausgebildeten Schriftdolmetscher mit einer speziellen Spracherkennungssoftware. Sie sprechen das Gehörte in eine Maske mit einem Mikrofon, die Software wandelt das Gesagte in Text um, der dann am PC manuell korrigiert wird. So entsteht ein lesbarer Text auf Monitor oder Leinwand. Ein weiteres Verfahren nutzt die Stenografie über eine spezielle Tastatur.

Von der Übersetzung durch die Schriftdolmetscher profitieren bei Situationen mit mehreren Teilnehmern alle Zuhörer. Neben den Menschen mit Höreinschränkungen erleben auch Hörende sowie Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die Mitschriften als hilfreich. Die Zuhörer können komplexe Sachverhalte nachlesen und dem Gesprächsverlauf besser folgen.

Die Arbeit der Gebärdensprachdolmetscher

Sie übersetzen mit Handzeichen, Mimik und lautlos gesprochenen Worten aus der deutschen Lautsprache in die Deutsche Gebärdensprache und von dort auch zurück in die Lautsprache. Die DGS wird als eigenständige Sprache mit eigener Grammatik hauptsächlich von nichthörenden Menschen gelernt und angewendet. Auch Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit und Spätertaubte profitieren von Gebärdensprachdolmetschern, denn diese ermöglichen ihnen mit ihrer Arbeit das Absehen vom Mundbild.

Das gleichzeitige Zuhören und Übertragen des Gehörten in die Gebärden- oder die Schriftsprache erfordert hohe Konzentration und ist eine kognitive Leistung, die nicht dauerhaft abrufbar ist. Deshalb arbeiten die Dolmetscher bei längeren Einsätzen ab etwa einer Stunde grundsätzlich zu zweit, um sich in regelmäßigen Abständen abzuwechseln.

Wer die Kosten übernimmt

"Die Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher liegen bei 75 Euro in der Stunde, auch Schriftdolmetscher orientieren sich an diesem Tarif", sagt die vom Deutschen Schwerhörigenbund zertifizierte Schriftdolmetscherin Sonja Berger. Meist müssen hörbehinderte Menschen diese Kosten nicht selbst aufbringen.

Hörgeschädigte Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung (von 50 Grad und mehr oder mit Gleichstellung) haben bei Gesprächssituationen, etwa in der Ausbildung, bei der Arbeit oder beim Arzt, einen Anspruch auf die sogenannten Hilfen zur Kommunikation. Dazu zählen Schrift- und Gebärdensprachdolmetscher. Die Grundlagen zur Finanzierung sind im Sozialgesetzbuch (SGB IX), im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der Kommunikationshilfenverordnung (KHV) festgeschrieben. Im Rahmen eines Persönlichen Budgets werden die Kosten nach Feststellung des individuellen Bedarfs von verschiedenen Kostenträgern übernommen, wie etwa dem Integrationsamt, der Arbeitsagentur, der Krankenkasse oder der Renten-Versicherung.

Dolmetschen über Internet und Telefon

Ist es nicht möglich, einen Schriftdolmetscher oder Gebärdensprachdolmetscher vor Ort zu buchen, kann auch ein Ferndolmetsch-Dienst genutzt werden. Der Dolmetscher wird dann über das Internet zu einer Gesprächssituation zugeschaltet. Der hörende Gesprächspartner spricht in ein Mikrofon, der Dolmetscher überträgt das Gehörte in Schrift oder in Gebärden. Hörbehinderte Teilnehmer können die Übertragung über ein mobiles Endgerät Verfolgen. Auch über Telefon kann gedolmetscht werden. Dazu ist für gehörlose Personen unter anderem ein PC oder ein Laptop mit Webcam nötig. Der Gebärdensprachdolmetscher übersetzt die Gebärden des gehörlosen Teilnehmers für den hörenden Teilnehmer am Telefon in Lautsprache und umgekehrt.


Weiterführende Information

Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten
- Selbsthilfe und Fachverbände e.V.

Hollensenstr. 14, 24768 Rendsburg
Tel. 04331-589 750, Fax: 04331-589 751
info@deutsche-gesellschaft.de
www.deutsche-gesellschaft.de

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Quelle:
Selbsthilfe 4/2014, S. 18 - 19
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren
Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Telefon: 0211/3 10 06-0, Fax: 0211/3 10 06-48
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2015

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