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BERICHT/003: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Keine Fesseln und Gewalt (SB)


"Psychiatrie ohne Zwang - Was ist das?"

Konferenz am 22./23. November 2013 in der Universität Essen


Handgeschriebener Willkommensgruß - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

Die Sichtweise der helfenden Berufe jeder Couleur im Dunstkreis der Psychiatrie konstituiert eine Hierarchie von Kompetenz und Handlungsgewalt, die eine mehr oder minder scharfe Trennlinie zwischen Geben und Nehmen zieht. Was dem Wohlergehen der Patientin oder des Patienten diene, entscheidet sich letzten Endes nach Maßgabe einer Deutungsmacht, in die ärztliche, juristische und administrative Erwägungen einfließen. Demgegenüber stellt sich der psychiatrisierte Mensch als bloßer Empfänger einer Behandlung dar, deren Gewährung er mit Dankbarkeit und Wohlverhalten zu quittieren habe, während er im Falle der Verweigerung und des Aufbegehrens mit angeblich selbstverschuldeten Zwangsmaßnahmen rechnen müsse.

Dieses Grundverhältnis von Abhängigkeit und Ausgeliefertsein stellten kritische Psychiatrie-Erfahrene vom Kopf auf die Füße, als sie nicht nur die Therapie als Wiedereingliederung in eine krankmachende Gesellschaft charakterisierten, sondern sich selbst als die Produzenten in dieser Sparte des Gesundheitssystems auswiesen. Sie seien die maßgeblichen Akteure, von denen sich diverse beteiligte Berufsstände nährten und Institutionen wie Industriezweige namentlich im pharmazeutischen Bereich profitierten.

Die interessengeleitete Definition von Krankheit und die Verwertung der so Klassifizierten ist jedoch nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten relevant für die Rückbindung der Psychiatrie in eine kritische Gesellschaftsanalyse. Hinzu kommt die Ausübung administrativer Verfügungsgewalt, die unerläßlich für die Sicherung und innovative Fortschreibung der bestehenden Verhältnisse ist. Während die Herrschaft des Menschen über den Menschen in ihrer kapitalistischen Phase der Produktionsverhältnisse gesamtgesellschaftlich auf eine historische Spitze getrieben wird, stellt die Psychiatrie keine abseits angesiedelte Nische, sondern vielmehr eine der zentralen Institutionen zur Zügelung und Züchtigung des Scheiterns an den gesellschaftlichen Zwängen dar. Wie alle anderen Sphären dieser Gesellschaftsordnung, der Ausbeutung und Zurichtung immanent sind, repräsentiert auch sie eine Spielart repressiver Kontrolle, die bestraft oder belohnt, wegsperrt oder wiedereingliedert, kurz, alles Zweckdienliche unternimmt, um jede Formierung entschiedenen Widerstands schon im Keim zu ersticken.

Beim Vortrag - Foto: © 2013 by Schattenblick

Dr. David Schneider-Addae-Mensah
Foto: © 2013 by Schattenblick


Medikalisierung sozialer Abweichung

Die Konferenz "Psychiatrie ohne Zwang - Was ist das?" am 22./23. November 2013 in der Universität Essen wurde von der Fraktion Die Linke im Landschaftsverband Rheinland, der Fraktion Die Linke im Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW e.V., dem Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V., dem Allgemeinen Studierenden-Ausschuß der Universität Duisburg-Essen, der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW e.V. veranstaltet.

Während der erste Konferenztag wesentlichen rechtlichen, ethischen und politischen Aspekten einer zu Zwangsmitteln greifenden Psychiatrie gewidmet war, stand der zweite Tag im Zeichen alternativer Behandlungsformen. In zahlreichen Vorträgen und Workshops leuchteten die Referentinnen und Referenten gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, unter denen sich ein hoher Anteil Psychiatrie-Erfahrener befand, die düsteren Winkel der Psychiatrisierung aus. Daß es dabei lebhaft, ja bisweilen turbulent zuging, weil die Betroffenen ihre persönlichen Erfahrungen einbrachten und konkrete Fragen klären wollten, tat einer fruchtbaren Arbeitsatmosphäre keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil erhoben hier Menschen ihre Stimme, die ihre eigene Lebenserfahrung als Psychiatrisierte zu dem drängenden Anliegen zuspitzten, jegliche Formen der Zwangsbehandlung aus dem Feld zu schlagen.

Dies führte zum einen dazu, daß auf dieser Tagung die gesellschaftlich vorherrschende Trennung in berufsständisch etablierte Fachleute auf der einen und deren zu Klienten, wenn nicht gar Opfern degradierten Adressaten auf der anderen Seite tendenziell aufgehoben wurde. Wer vor den Versammelten mit der erklärten Absicht auftrat, in ihrem Interesse tätig zu werden, wurde in die Pflicht genommen, nach den Maßgaben ihres Diskussions- und Klärungsbedarfs Rede und Antwort zu stehen. Bemerkenswert war zugleich ein zugewandter und solidarischer Umgang miteinander, der aller Ab- und Ausgrenzung den Boden entzog.

Wie es zur Eröffnung der Konferenz hieß, sei die Psychiatrie eng mit dem Thema Zwang verbunden. Seit der Psychiatrie-Enquete 1975 sei die Zahl der Zwangsbehandelten und -untergebrachten in Deutschland auf heute 200.000 jährlich exponentiell angestiegen. Der Eindruck, die Psychiatrie sei im Laufe der Zeit humaner geworden, werde nicht nur von den engagierten Psychiatrie-Erfahrenen bezweifelt. Daher stehe die Tagung unter der Fragestellung, ob eine Psychiatrie ohne Zwang überhaupt möglich sei und welche Alternativen denkbar wären.

Die Geschichte der klinischen Psychiatrie zeichne sich durch finsterste Zwangsmaßnahmen aus. Auf die Verfolgung und Vernichtung sogenannter Geisteskranker in der Zeit des Nationalsozialismus folgte die nahezu ungebrochene Weiterführung psychiatrischer Anstalten mit demselben Personal in der Nachkriegszeit. Menschenunwürdige Bedingungen und folterähnliche Behandlungen waren an der Tagesordnung. Eine wachsende Kritik an dieser Psychiatrie habe in den 1970er Jahren eine Reformbewegung ausgelöst. Mit der Psychiatrie-Enquete begann eine Verbesserung, doch blieb diese Reform auf halbem Wege stecken. Auch die Reformmaßnahmen der 1980er Jahre verlieren zunehmend ihre Wirkung. Während 1996 rund 20.000 Menschen zwangsweise in psychiatrische Kliniken eingewiesen wurden, waren es 2008 bereits 110.000. Ein Ergebnis des Foucault-Tribunals, das 1998 die Lage in der Psychiatrie untersuchte, war die weithin vorherrschende Ausblendung dieser gravierenden Mißstände in der Gesellschaft. Zwang sei in der Psychiatrie nach wie vor weit verbreitet. Vielfach sei die Zwangsmedikation an die Stelle der physischen Gewalt getreten, und diese Tendenz werde mit der beschlossenen Verordnung über die pauschalierten Entgelte in Psychiatrie und Psychosomatik absehbar zunehmen. Alternative Behandlungsmethoden brauchten Zeit, die nach dieser Verordnung von den Kliniken kaum noch zu finanzieren sei.

Wie ein Vertreter des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener anmerkte, habe Die Linke im Bundestag als einzige Partei gegen die Wiedereinführung der Zwangsbehandlung gestimmt und diese Forderung auch in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Die Zustände in der Psychiatrie seien indessen nicht durch fehlende Finanzmittel bedingt, im Gegenteil führe das viele Geld, das man damit verdienen kann, dazu, daß psychische Krankheiten entdeckt werden, wo ganz normale Alltagsprobleme herrschen. Um etwas daran zu ändern, müsse man den Psychiatrie-Erfahrenen Rechte und Macht geben. Die Gewalt in der Psychiatrie resultiere aus dem gewaltigen Machtgefälle, das es zu beseitigen gelte.

Handgeschriebene Ankündigung des Vortrags - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick


Ärztliche Verfügungsgewalt versus Patientenautonomie

Im März 2011 wurde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Beschluß gefaßt, der die Zwangsbehandlung psychiatrisierter Menschen als unvereinbar mit der Verfassung und geltenden Gesetzen auswies. Kläger in diesem Prozeß war der Menschenrechtsanwalt Dr. David Schneider-Addae-Mensah, der in seinem Vortrag "Der Zwangsmedikationsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts und seine Bedeutung" über die weitreichenden Folgen dieses Beschlusses berichtete. Dr. Schneider-Addae-Mensah, der als Rechtsanwalt in Strasbourg und Karlsruhe tätig ist, schilderte eingangs Vorgeschichte und Verlauf seines Gangs zum BVerfG von 2009 bis 2011. Seiner Einschätzung nach hat sich seither insofern einiges verändert, als das Thema inzwischen sowohl im Bereich der Psychiatrie als auch in der Öffentlichkeit stärker rechtlich und politisch diskutiert wird.

Grundsätzlich sei zwischen zwei Formen von Zwangsbehandlung zu unterscheiden. Entweder ist der betroffene Mensch nach dem Strafrecht in der Forensik untergebracht oder er befindet sich in der Allgemeinpsychiatrie. In der Forensik sind die Länder zuständig und bringen als rechtliche Grundlagen den Maßregelvollzug, die Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG) und die Unterbringungsgesetze zur Anwendung. In der Allgemeinpsychiatrie greifen Betreuungsrecht oder Sicherheitsrecht (PsychKG), wobei es hier auch bundesrechtliche Regelungen (§ 1906 BGB) gibt.

Zwangsbehandlung werde entweder als Akuttherapie oder als Dauertherapie durchgeführt, wobei die Grenzen fließend seien. Bei letzterer sei eine Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka schwieriger umzusetzen, wobei eine Dauerbehandlung nach diesem Beschluß des BVerfG im forensischen Bereich grundsätzlich verboten sei, in der Allgemeinpsychiatrie jedoch nach aktueller Rechtslage als erlaubt angesehen werde. Akuttherapie werde derzeit von Psychiatern als rechtlich zulässig angesehen, doch ob das legal ist, stehe auf einem anderen Blatt, so der Referent.

Dem Beschluß des BVerfG vom 23. März 2011 folgten Entscheidungen zum Unterbringungsgesetz in Baden-Württemberg im Oktober 2011 und zur Rechtsgrundlage der Zwangsbehandlung in Sachsen vom 20. Februar 2013. Die beiden Beschlüsse des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2012 betrafen § 1906 BGB alter Fassung, also die betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung, für die es bis dahin überhaupt keine detaillierte Rechtsgrundlage im BGB gab.

Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts verbietet Zwangsbehandlung, die danach nur unter engen Voraussetzungen möglich ist, die jeweils einer Rechtsgrundlage bedürfen. Diese muß enggefaßte Verhältnismäßigkeitsanforderungen erfüllen und alle gesetzlichen Voraussetzungen enthalten. Dabei wird Zwangsbehandlung vom BVerfG als medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen natürlichen Willen definiert. Nun ist "natürlicher Wille" ein wenig präziser Begriff. Der Referent legte ihn als das aus, was ein Mensch möchte oder nicht möchte. Wenn also ein Mensch sage, er wolle eine Behandlung nicht, handelt es sich bei deren Durchführung um eine Zwangsbehandlung.

Das BVerfG führte ein ungewöhnlich tiefgreifendes Verfahren zu dieser Problematik durch und holte Stellungnahmen verschiedener Träger, des Bundesgerichtshofs, des Bundesjustizministeriums, des Landesministeriums in Rheinland-Pfalz, der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener (BPE) ein. Die Einbeziehung dieses Betroffenenverbandes stellte ein Novum dar.

Das Gericht prüfte die grundgesetzlich relevanten Schutzrechte wie körperliche und psychische Unversehrtheit wie auch die Eingriffe durch starke und mithin persönlichkeitsverändernde Medikamente. Das Verständnis der Psychiater, sie leisteten Hilfe zum Vorteil der Betroffenen, wurde vom BVerfG insofern relativiert, als die Heilungsabsicht nicht in Widerspruch zu den Grundrechten stehen darf und es sich um einen intensiven Eingriff handle, da der Betroffene genötigt wird, "eine Maßnahme zu dulden, die den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllt", so das BVerfG. Die Ohnmacht des Betroffenen komme verstärkend hinzu.

Was zulässige Ausnahmen von dem Verbot der Zwangsbehandlung betrifft, nennt das BVerfG im wesentlichen vier materielle Voraussetzungen. Zum ersten eine krankheitsbedingte Uneinsichtigkeit, was natürlich äußerst problematisch sei und die Fragen aufwerfe, wer diese Krankheit definiert und was uneinsichtig bedeuten soll. Zu letzterem sagt das BVerfG, es reiche nicht aus, daß der Patient von der Mehrheit der Psychiater abweichende Meinungen vertritt. Weiter wird dieser Terminus jedoch nicht konkretisiert. Als zweite Voraussetzung wird das Ultima-ratio-Prinzip angeführt, also das letzte Mittel, eine Behandlung durchzuführen. Zuvor müsse man mit dem Betreffenden sprechen und ihn von der Notwendigkeit der Behandlung überzeugen. Auch dies sei problematisch, weil die Psychiater in solchen Gesprächen Druck ausüben und drohen können, so der Referent. Als dritte Voraussetzung verlangt das BVerfG, wie von Dr. Schneider-Addae-Mensah in der Verfassungsbeschwerde gefordert, eine Konkretisierung der Behandlung nach Art, Dauer und Dosierung. Viertens muß die Zwangsbehandlung geeignet, also im medizinischen Sinn erforderlich sein.

Hinzu kommen formelle Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit, die eher das Verfahren der Zwangsbehandlung betreffen. Sie muß so rechtzeitig angekündigt werden, daß der Betreffende notfalls auch Rechtsschutz wahrnehmen kann. Sie muß durch einen Arzt angeordnet und überwacht werden. Zudem unterliegt sie einer relativ weitgehenden Dokumentationspflicht, die nachvollziehbar macht, was angeordnet und durchgeführt wird. Und nicht zuletzt bedarf es einer unabhängigen und sachverständigen Vorprüfung außerhalb der Einrichtung.

Dr. David Schneider-Addae-Mensah im Vortrag - Foto: © 2013 by Schattenblick

Als Anwalt Betroffener durch Ausdauer und Kompetenz erfolgreich
Foto: © 2013 by Schattenblick

Unmittelbare Konsequenzen aus dem Beschluß des BVerfG betrafen nur das Maßregelvollzugsgesetz in Rheinland-Pfalz und die dortige Rechtsgrundlage zur Zwangsbehandlung. Diese wurde für nichtig erklärt, also vom BVerfG in gesetzgeberischer Funktion selbst abgeschafft und nicht nur zur Umsetzung innerhalb einer bestimmten Frist zurückverwiesen. Das bedeutete, daß in der Forensik des Bundeslands Rheinland-Pfalz keine Zwangsbehandlung mehr durchgeführt werden durfte.

Hingegen war die Ausstrahlungswirkung des BVerfG-Beschlusses zunächst absolut strittig. Im übrigen Bundesgebiet erklärten diverse Richter, der Beschluß betreffe lediglich die Forensik in Rheinland-Pfalz. Im Oktober 2011 folgte jedoch eine ähnliche Entscheidung, die das Unterbringungsrecht in Baden-Württemberg betraf, das teilweise strafrechtlich, teilweise sicherheitsrechtlich angewendet wird. 2013 kam dann noch Sachsen hinzu. Schon 2012 war der Bundesgerichtshof zu der Auffassung gelangt, daß das BGB den Anforderungen nicht genüge. So setzte sich schließlich die Erkenntnis durch, daß der Beschluß des BVerfG doch bundesweit gelte.

Im Unterschied zum BVerfG mit seinem Normverwerfungsmonopol kann der BGH den § 1906 BGB nicht abschaffen. Auf Initiative Dr. Schneider-Addae-Mensahs und der Betroffenenverbände erklärte die Bundesjustizministerin Anfang 2012 zunächst, der § 1906 werde nicht mehr angewendet. Wohl unter massivem Druck von Ärzten, Psychiatern und Betreuern änderte die Ministerin im Laufe des Jahres 2012 ihre Auffassung in Richtung einer Neuregelung. Diese wurde dann abseits der Öffentlichkeit und sehr schnell innerhalb weniger Monate durchgesetzt. Dabei wurden einige Punkte aus dem BVerfG-Grundsatzbeschluß aufgenommen, andere jedoch nicht. Die aktuelle Fassung der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung entspricht aus Sicht des Referenten jedenfalls nicht den Anforderungen des Grundsatzbeschlusses.

Die Diskussion sei also angestoßen, und es gebe inzwischen detailliertere Gesetze, die aber immer noch nicht ausreichten. Wünschenswert bleibe ein Totalverbot der Zwangsbehandlung, zu dem sich das BVerfG nicht durchringen konnte. Der Mißbrauch, der mit Zwangsbehandlungen getrieben werden könne, sei derart groß, daß man es nicht verantworten könne, diese zu legalisieren. Wie das Beispiel Rheinland-Pfalz zeige, sei der Maßregelvollzug auch ohne eine Neuregelung, die den Beschluß des BVerfG weiter einschränkt, möglich. Es hätte also auch andernorts ausgereicht, schlichtweg keine Neuregelung zu schaffen.

Hinsichtlich der Akutmedikation wurde der Fall eines jungen Mannes, der unterdessen verstorben war, bis vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Dieses zeigte sich jedoch nicht interessiert, da der Kläger nicht mehr am Leben war. Grundsätzlich gelte es jedoch zu klären, ob der Arzt tatsächlich die Rechtsgrundlagen umgehen darf, indem er ein Geschehen zum Akutfall erklärt und dann machen kann, was er will. Der Referent geht davon aus, daß mit Blick auf die Akutmedikation der Anstoß zu einer Veränderung der Rechtslage wohl eher von außerhalb der Bundesrepublik kommen wird. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unter anderem die Vorfragen an die Bundesregierung ausformuliert, ob in diesem Fall gegen das Folterverbot oder das Verbot erniedrigender Behandlung nach Art. 3 Menschenrechtskonvention verstoßen wurde.

Wie dieser kurze, aber konzentrierte Überblick zeigt, ist die Rechtslage zur Zwangsbehandlung im Fluß und wird erheblich von der Diskussion in der Öffentlichkeit mitgeprägt. Der Referent verwies in diesem Zusammenhang auf den Fall des ihm persönlich bekannten Gustl Mollath, der ausgesprochen öffentlichkeitswirksam war. Nun sei es sehr wichtig, diese Debatte weiterzuführen, zumal die Entwicklung in Deutschland auch in anderen Ländern wie Frankreich oder den USA aufmerksam beobachtet werde. Daß man ausgerechnet im Mutterland der Psychiatrie beginne, deren Zwänge zurückzuschneiden, nehme man andernorts als erstaunliches und möglicherweise bahnbrechendes Phänomen wahr.

Gebäudekomplex mit begrüntem Innenhof - Foto: © 2013 by Schattenblick

Campus der Universität Essen
Foto: © 2013 by Schattenblick

21. Januar 2014