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INNEN/2562: NS-Vergangenheit der Vertriebenenverbände weiter aufarbeiten


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 27. November 2012

NS-Vergangenheit der Vertriebenenverbände weiter aufarbeiten



Zur Studie "Funktionäre mit Vergangenheit" erklärt Claudia Roth, Mitglied im Kultur- und Medienausschuss des Bundestages:

Die noch von Außenminister Joschka Fischer beauftragte Studie über die NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes hat eine breite Debatte über die NS-Vergangenheit von staatlichen Institutionen und Verbänden ausgelöst. Die Studie des Instituts für Zeitgeschichte mit dem Titel "Funktionäre mit Vergangenheit" belegt, wie tief das Führungspersonal des Bundes der Vertriebenen in die Strukturen der NS-Herrschaft verstrickt war.

Geradezu erschreckend ist die Begründung der Präsidentin des Vertriebenenbundes, Erika Steinbach, warum sich das Gründungspräsidium des BdV ganz überwiegend aus ehemaligen NSDAP- oder der SS-Mitgliedern rekrutierte: Es habe sich nämlich um "Männer mit zuvor gesammelter organisatorischer Erfahrung" gehandelt, "die das Heft in die Hand nahmen." Die Teilnahme an der Organisation und Durchführung eines Angriffskrieges, die Ausübung von Terror und Vernichtung als organisatorisches Erfahrungswissen, um nach dem Krieg eine Führungsposition im Bund der Vertriebenen einzunehmen? Das ist keine kritische Aufarbeitung, sondern eine entlarvende Rechtfertigung der eigenen Verbandsgeschichte.

Die Studie des Instituts für Zeitgeschichte und die Reaktion des Bundes der Vertriebenen darauf wirft Fragen an die Bundesregierung und den Kulturstaatsminister Neumann auf. Denn die Bundesregierung unterstützt eine Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung", in deren Präsidium Verbandsfunktionäre des BdV sitzen, die nach wie vor geschichtsrevisionistische Positionen vertreten. Und die Regierungskoalition hat die Steuermittel für diese Stiftung vor kurzem sogar noch erhöht, um 1,25 Millionen Euro auf nunmehr 3,75 Millionen jährlich. Der Zentralrat der Juden und der Zentralrat der Sinti und Roma haben 2010 aus Protest die Mitarbeit an der Stiftung aufgekündigt.

Die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" braucht keine Mittelerhöhung, sondern ein Moratorium, das Zeit gibt, um über grundlegende Veränderungen in der Stiftung und einen organisatorischen Neustart zu reden ist. Die Arbeit der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" darf auch keinen Bogen um die Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte des Bundes der Vertriebenen machen, der die eigene Geschichte verleugnet, verdrängt und beschönigt.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Quelle:
Pressemitteilung vom 27. November 2012, Nr. 1055/12
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012