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WIRTSCHAFT/2916: Auch Starke müssen Verträge einhalten - pacta sunt servanda


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 15. April 2020

Auch Starke müssen Verträge einhalten - pacta sunt servanda


Zu den Corona-bedingten Zuständen in den produzierenden Textilfabriken erklären Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik, und Renate Künast, Mitglied im Ausschuss für Verbraucherschutz:

Auch deutsche Modekonzerne trifft die Coronakrise hart. Sie müssen um ihre Existenz kämpfen und damit auch um den Erhalt der Arbeitsplätze.

Das kann aber nicht dazu führen, dass große Textilimporteure ihre rechtsgültigen Bestellungen, die zum Teil fertig produziert und in den Häfen zum Abtransport bereitstehen oder sich im Produktionsprozess befinden, schlicht per Telefonat stornieren. Hundertausende Näherinnen und Näher in Südostasien, Afrika und Mittelamerika bekommen deshalb auch keinen Lohn mehr, sind nach Hause geschickt worden und kämpfen mit Hunger. Allein in Bangladesch sind Aufträge von über 1,4 Milliarden Euro storniert worden, tausend Fabriken sind davon erheblich betroffen, Hunderttausende verlieren ihr Einkommen.

Verträge sind gerade in Krisenzeiten einzuhalten. Die vorhandenen Probleme dürfen nicht einfach auf die ärmsten Länder der Welt verlagert werden. Hier zeigt sich, dass die vielen Versprechungen der Textilimporteure, zukünftig mit den Textilarbeiterinnen und -arbeitern fair umzugehen, kaum Bedeutung haben.

Minister Müller sollte erkennen, dass wesentliche Mitglieder seines Textilbündnisses gar nicht daran denken, eine verantwortungsvolle Rolle im globalen Textilbereich zu übernehmen. Auch deshalb ist ein verbindliches Lieferkettengesetz jetzt zwingend erforderlich. Die deutschen und europäischen Textilhändler haben über Jahrzehnte gute Gewinne eingefahren und sollten in der Lage sein, die jetzige Notsituation überbrücken zu können.

Deshalb fordern wir die Modekonzerne auf, zumindest ihre vertraglichen Verpflichtungen vollumfänglich einzuhalten. Trotz Pandemie gehen die Rechte der Schwächeren nicht verloren. Wer in der Krise aus der Position des Stärkeren heraus vertragsbrüchig wird, hat wohl kaum anerkennenswerte moralisch-ethische Ansprüche. Die Coronakrise wird auch dazu beitragen, die Art und Weise der Modeindustrie - insbesondere bei der sogenannten Fast Fashion - grundsätzlich infrage zu stellen - und das wäre durchaus als positiv zu werten.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 15. April 2020
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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Pressestelle
Telefon: 030/227-567 89, Fax: 030/227-567 52
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Internet: www.gruene-bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2020

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