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BUNDESTAG/3072: Heute im Bundestag Nr. 077 - 09.02.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 077
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 9. Februar 2012 Redaktionsschluss: 11:00 Uhr


1. EU-Vertreter des Dalai Lama zu Gast
2. Plädoyer für verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen
3. Union und FDP fordern Einstellung des Verfahrens gegen deutsche politische Stiftung in Kairo
4. Koalitionsfraktionen bekennen sich zur Industrie
5. Linksfraktion will Kostenbeteiligung Betroffener nach Brustimplantate-Skandal ausschließen
6. Regierung soll Verkauf des Duisburger Hafens stoppen
7. Linke fordert Patentverbot auf Lebewesen


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1. EU-Vertreter des Dalai Lama zu Gast

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Berlin: (hib/TYH) Der Vertreter des Dalai Lama in der EU hat nachdrücklich für die Einsetzung eines EU-Sonderkoordinators für Tibet geworben und zudem betont, dass eine Resolution des Bundestages zur Situation in Tibet ein wichtiges Zeichen öffentlicher Solidarität sei. Zugleich sprach Kelsang Gyaltsen am Mittwochnachmittag vor dem Menschenrechtsausschuss von einer "dramatischen Situation" in den tibetischen Provinzen. Die Zahl der Selbstverbrennungen nehme zu, allein 2012 hätten sich sieben Tibeter verbrannt. Damit sei die Zahl der Selbstverbrennungen in Tibet auf 20 gestiegen. Wie Gyaltsen weiter mitteilte, werden Demonstrationen mit Gewalt beendet und internationale Delegationen, Diplomaten und Berichterstatter von den Provinzen ferngehalten. Der Bundestag müsse gegenüber China darauf dringen, dass eine Delegation sich die Situation vor Ort anschauen darf.

Die Wichtigkeit von Delegationsreisen nach Tibet unterstrich auch die CDU/CSU-Fraktion und erinnerte an eine Reise von Abgeordneten des Menschenrechtsausschusses vor zwei Jahren nach Tibet. Hinsichtlich eines EU-Sonderkoordinators stelle sich die Frage, ob er die Mühen der EU nach Meinung Gyaltsens potenzieren solle oder ob er notwendig sei, weil die EU keine einheitliche Meinung habe.

Die SPD-Fraktion bekundete ihren Willen zu einer gemeinsamen Resolution des Bundestages. Gleichzeitig wollte sie wissen, ob sich die Menschenrechtssituation in Tibet gravierend verschlechtere und ob die Tibeter im In- und Ausland eine einheitliche Position hinsichtlich der Selbstverbrennungen hätten. Der Dalai Lama habe öffentlich deutlich gemacht, dass er diese Art des Protests für kein geeignetes Mittel halte.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte wissen, warum es gerade in letzter Zeit eine Zunahme von Selbstverbrennungen gegeben habe. Sie bekräftigte zudem, dass die Probleme in Tibet gegenüber China offen angesprochen werden müssten. Eine gemeinsame Resolution sei hierbei ein "starkes Signal" und wirksamer, als wenn jede Fraktion einzeln vorgehe.

Auch die FDP-Fraktion erkundigte sich nach den Selbstverbrennungen. Sie fragte, wie die Exiltibeter darüber dächten und welchen kulturellen Hintergrund die Verbrennungen hätten. Zudem wollten die Abgeordneten wissen, welchen Einfluss der Verzicht des Dalai Lama auf alle weltlichen Ämter habe.


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2. Plädoyer für verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen

Ausschuss für Kultur und Medien

Berlin: (hib/AW) Vertreter von Ländern und Kommunen haben sich am Mittwoch Nachmittag vor dem Kulturausschuss für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Bereich der Kultur ausgesprochen. Kultur sei keine Frage von Zuständigkeiten, sagte die Ausschussvorsitzende Monika Grütters (CDU) zum Auftakt des öffentlichen Expertengesprächs, sondern eine Frage des gesamtstaatlichen Zustands. Unterschiedlich wird jedoch bewertet, wie weit diese Zusammenarbeit gehen soll, um den finanziell angeschlagenen Kommunen bei der Finanzierung ihrer Kulturausgaben gehen soll. Die Kommunen tragen durchschnittlich 43 Prozent der Kulturausgaben Deutschlands, die Länder rund 47 und der Bund rund zehn Prozent.

Raimund Bartella, Kulturreferent beim Deutschen Städtetag stellte das sogenannte Kooperationsverbot als Folge der Föderalismusreform II zwischen Bund und Ländern in der Kultur prinzipiell in Frage. Die meisten Kommunen in Deutschland hätten zwar ihre Kulturetats trotz der Finanzkrise in den vergangenen Jahren halten können und die Haushaltsdefizite seien geringer ausgefallen als befürchtet, allerdings seien die Kommunen strukturell unterfinanziert. Den im vergangenen Jahr von verschiedenen Seiten geforderten Nothilfefonds Kultur des Bundes für die Kommunen beurteilte Bartella zurückhaltend. Zum einen sei er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu realisieren, zudem ändere er nichts an den grundlegenden Problemen. Bartella plädierte für eine aufgabengerechte Verteilung der Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen. In diesem Sinne äußerte sich auch Jörg Freese, Beigeordneter beim Deutschen Landkreistag. Die finanzielle Lage von Kommunen und Kreisen sei weiterhin angespannt. In den kommenden Jahren werde sich zudem der durch die Schuldenbremse vorgegebene Sparzwang noch verschärfen und die Gewerbesteuer als Haupteinnahmequelle der Kommunen sei sehr stark von konjunkturellen Schwankungen abhängig. Allerdings plädierten Freese und Bartella übereinstimmend für die Beibehaltung der Gewerbesteuer solange keine realisierbare Alternative gefunden werde.

Auch die niedersächsische Kulturministerin Johanna Wanka sprach sich für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen in der Kulturpolitik aus. Dafür müsse man aber nicht den Grundsatz kippen, dass die Kulturhoheit bei den Ländern liege. Es gebe schon jetzt Möglichkeiten für den Bund, Ländern und Kommunen unter die Arme zu greifen, etwa über die Projektförderung der Bundeskulturstiftung. Diese könne ausgebaut werden. Eine Absage erteilte Wanka an einen Nothilfefonds Kultur des Bundes. Unabhängig davon, dass er nicht verfassungskonform sei, schaffe er auch lediglich falsche Anreize an die Kommunen, die nicht alle unverschuldet in die Schuldenfalle geraten seien.

Möglichkeiten für ein verstärktes Engagement des Bundes in der Kulturpolitik ohne Aushebelung des Kooperationsverbotes offerierte der Rechtswissenschaftler Winfried Kluth von der Universität Halle. Er verwies auf das starke bürgerschaftliche Engagement im Kulturbereich in den Kommunen. Dies werde vom Bund bereits gefördert und könne weiter ausgebaut werden. Es sei juristisch schwierig, von einem abstrakten Kooperationsverbotes zu sprechen, dies müsse von Einzelfall zu Einzelfall geprüft werden. Klar sei allerdings, dass der Bund im Kulturbereich keine Gelder direkt an die Kommunen fließen lassen könne.

Breite Unterstützung erhielt Kulturministerin Wanka für ihre Forderung nach einer besseren Statistik zur Kulturpolitik. Es mangle derzeit an verlässlichen Daten in Bezug auf die Anbietern und die Nutzer von Kulturangeboten. In der Kultusministerkonferenz der Länder werde derzeit darüber beraten, wie dies gewährleistet werden könne.


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3. Union und FDP fordern Einstellung des Verfahrens gegen deutsche politische Stiftung in Kairo

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Koalitionsfraktionen fordern von den ägyptischen Behörden, das Verfahren gegen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo umgehend einzustellen. Die Bundesregierung soll sich "mit allem Nachdruck" dafür einsetzen, dass "die deutschen politischen Stiftungen ihrer Arbeit ohne Einschränkungen und ungehindert nachkommen können", heißt es in einem Antrag (17/8578), der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Plenums steht.

Die Vorwürfe der ägyptischen Staatsanwaltschaft gegenüber der Stiftung seien "haltlos", schreiben die Abgeordneten zur Begründung. Gegen die Mitarbeiter sei Anklage wegen "angeblicher verbotener Aktivitäten und illegaler Annahme von Geldern aus dem Ausland" erhoben worden. Das Vorgehen der ägyptischen Behörden verletze rechtstaatliche Prinzipien, schreiben die Abgeordneten weiter und verweisen darauf, dass die politischen Stiftungen eine "wichtige Rolle" in der 2011 ins Leben gerufenen Transformationspartnerschaft mit den Ländern Nordafrikas spielten. Deutsche Fördermittel für den Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen flössen zu großen Teilen in die Projektarbeit der politischen Stiftungen. Diese seien in ihrer Arbeit politisch unabhängig "und nur an Recht und Gesetz sowie die Stiftungsrechtlinien" gebunden. Die Anklage sei umso "unverständlicher, als Deutschland sich umfassend, auch finanziell, und stets in Absprache mit der ägyptischen Seite für den demokratischen Wandel in Ägypten engagiert".

Union und FDP fordern die Bundesregierung auf, "unmissverständlich klar zu machen", dass eine freie Betätigung der deutschen politischen Stiftungen "von großer Bedeutung ist für die weitere Unterstützung der demokratischen und wirtschaftlichen Entwicklung Ägyptens".


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4. Koalitionsfraktionen bekennen sich zur Industrie

Wirtschaft und Technologie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung soll bei der Industriepolitik weiter konsequent auf den "Wettbewerb als Entdeckungsverfahren" setzen. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP fordern in einem gemeinsamen Antrag (17/8585), die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Konsum- und Investitionsgütern solle ebenso wie die Entwicklung neuer Produktionstechnologien in der sozialen Marktwirtschaft den Märkten überlassen werden. Die Bundesregierung solle aber klare und verlässliche Rahmenbedingungen für industrielle Innovation und Produktion setzen. Direkte staatliche Eingriffe seien zu beschränken. Auch dürfe nicht auf Ausgabenprogramme für einzelne Branchen gesetzt werden. Um die Spitzenposition der deutschen Industrie im globalen Wettbewerb zu bewahren, müsse für eine ausreichende Zahl von hochqualifizierten Fachkräften gesorgt werden, schreiben die Fraktionen in ihrem Antrag, der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht.

Die Hightech-Strategie 2020 soll weiterentwickelt und die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung soll noch in dieser Legislaturperiode begonnen werden. Zur Rohstoffversorgung heißt es, die Bundesregierung solle die Versorgung durch neue Rohstoffpartnerschaften absichern. Sie soll außerdem dafür sorgen, "dass die Energiewende ohne Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie umgesetzt wird". Für die industrielle Produktion wird eine "preisgünstige und sichere Energie- und Stromversorgung" gefordert. Bestehende Kostensenkungspotenziale sollen ausgeschöpft werden, so dass die Größenordnung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 3,5 Cent pro Kilowattstunde nicht überschreitet. Langfristig soll die Umlage sogar gesenkt werden können: "Für die Förderung der erneuerbaren Energien müssen schrittweise marktfähige Lösungen erarbeitet werden, damit die Marktteilnehmer nach und nach in den Wettbewerb entlassen werden können", schreiben die Fraktionen von CDU/CSU und FDP.

Beide Fraktionen bezeichnen die Industrie als "tragende Säule der deutschen Wirtschaft". Traditionell liege in der Produktion hochwertiger Güter eine der besonderen Stärken Deutschlands. Die Industrie habe auch zur positiven Beschäftigungsentwicklung beigetragen.


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5. Linksfraktion will Kostenbeteiligung Betroffener nach Brustimplantate-Skandal ausschließen

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/MPI) Die Fraktion Die Linke fordert Konsequenzen aus dem Brustimplantate-Skandal. In einen Antrag (17/8581), den der Bundestag am späten Donnerstagabend in erster Lesung behandeln will, verlangen die Abgeordneten, dass Betroffene die operative Entfernung fehlerhafter Brustimplantate nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen. Dazu soll den Angaben zufolge ein Paragraf im Fünften Sozialgesetzbuch abgeschafft werden, der die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, die Versicherten bei Folgebehandlungen von Schönheitsoperationen "in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen". Nach Vorstellung der Linksfraktion soll die Bundesregierung regeln beziehungsweise auf europäischer Ebene darauf hinwirken, "dass künftig weder die Betroffenen noch die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund von medizinisch notwendigen Folgebehandlungen von Schönheits-OPs finanziell belastet werden".

Die Linke schreibt in ihrem Antrag, wer als Folge medizinisch nicht notwendiger ästhetischer Operationen, Tätowierungen oder Piercings medizinisch behandelt werden muss, werde von seiner Krankenkasse nach geltendem Recht an den Kosten der Behandlung beteiligt. Diese Selbstverschuldens-Regel hätten die Fraktionen von Union und SPD im Jahr 2007 gemeinsam geschaffen. Für privat Krankenversicherte gelte diese Regel nicht. Die privaten Krankenversicherungen zahlen nach Darstellung der Abgeordneten "sogar die Einsetzung eines neuen Implantats".


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6. Regierung soll Verkauf des Duisburger Hafens stoppen

Verkehr und Bau/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Die Bundesregierung soll das aktuelle Bieterverfahren zum Verkauf der Bundesanteile an der Duisburger Hafen AG stoppen und einen Verkauf an Private ausschließen. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (17/8583), der am heutigen Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird.

Weiter soll die Regierung gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Duisburg eine einvernehmliche Lösung für die Zukunft des Duisburger Hafens suchen und im Rahmen einer Überarbeitung des nationalen Hafenkonzepts und der Erstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans 2015 den Hafenanbindungen eine höhere Priorität einräumen. Die Abgeordneten fordern zudem unter anderem von der Regierung, eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur für Schifffahrt und Schienenverkehr sicherzustellen und damit einer weiteren Verlagerung der Gütertransporte auf die Straße entgegenzuwirken.

Der Duisburger Hafen ist ein profitables Unternehmen und ein wichtiger Wirtschaftsstandort, schreiben die Abgeordneten zur Begründung. Insgesamt seien 36.000 Arbeitsplätze in der Region direkt oder indirekt vom Duisburger Hafen abhängig. Neben dem Hamburger sei der Duisburger Hafen der wichtigste Hafen in Deutschland. Mit dem Verkauf der Bundesanteile gäbe die Bundesregierung ihren Einfluss auf die weitere Entwicklung des Hafens auf.


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7. Linke fordert Patentverbot auf Lebewesen

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz/Antrag

Berlin: (hib/EIS) Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag (17/8584), dass sich die Bundesregierung für ein weltweites Verbot der Patentierung von Menschen, Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen sowie deren Nachkommen, Produkte, Organe, Gene und Gensequenzen einsetzt. Das Verbot soll nach dem Willen der Linksfraktion sowohl für klassische Züchtungen als auch gentechnische Verfahren gelten. Darüber hinaus soll sich die Bundesregierung für entsprechende Änderungen internationaler Abkommen und in der EU-Patentgesetzgebung einsetzen.


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 077 - 9. Februar 2012 - 11:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2012